Dragon Data

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Dragon Data LogoIn den frühen 1980er Jahren war der Heimcomputermarkt ein hart umkämpftes Feld, in dem nur die innovativsten Unternehmen überlebten. Eines dieser Unternehmen war Dragon Data Ltd aus Wales. Ihre Geschichte ist geprägt von mutigen Entscheidungen, technologischen Fortschritten und letztlich auch Herausforderungen, die das Unternehmen nicht überwinden konnte.

Das Unternehmen selbst hatte eine lange Tradition und wurde bereits 1933 von Philip Ullmann und Arthur Katz in einem kleinen Hinterzimmer eines Modelleisenbahnherstellers unter dem Namen Mettoy gegründet. Beide flohen aus Deutschland vor dem NS-Regime. Mettoy expandierte später in die Produktion von Modellautos und gründete die Marke Corgi, die für ihre realistischen Modelle bekannt wurde. Im Laufe der Jahrzehnte produzierte das Unternehmen auch Uhren oder Modellautos, und Katz entschied sich, ein Tochterunternehmen namens Corgi ins Leben zu rufen, das Modellautos produzierte, die weitaus realistischer waren als die der Konkurrenz oder sogar des Mutterunternehmens. Corgi war mit diesen Modellen so erfolgreich, dass sie es sich sogar leisten konnten, im nationalen Fernsehen Werbung zu machen und somit eine noch stärkere Durchdringung des Marktes zu erreichen. 1966 erhielt Corgi dafür den "Queen's Award to Industry" sowie den Preis des nationalen Zusammenschlusses der Spielzeughersteller „Highest Standards Award“.

Corgi war auf dem besten Wege, jedoch startete Mattel Ende der sechziger Jahre die Spielzeugautomodellreihe „Hot Wheels“, die zwar weniger akkurat, dafür aber in poppigen Farben und zu einem äußerst günstigen Preis erhältlich waren. Zudem zerstörte ein Feuer den Produktionsort, und sämtliche Aufträge wurden storniert und wechselten zum Mutterunternehmen, das im Laufe der Zeit zur eigenen Konkurrenz wurde. Die Bedürfnisse in den siebziger Jahren wuchsen nicht nur allgemein bei der Gesellschaft, sondern vor allem auch bei den Kindern und Jugendlichen, und niemand wollte sich mehr mit Spielzeugautos zufriedengeben. Die Zeit war reif für exotische Spiele und Spielzeuge, und auch das Mutterunternehmen musste herbe Verluste hinnehmen. 1981 sowie 1982 hatte das Unternehmen einen Verlust von jeweils 2,75 Millionen £, und zahlreiche Fabriken mussten geschlossen werden. Mit der Erkenntnis, dass der Markt so gut wie gesättigt war, mussten neue Produkte gefunden werden, und der Abteilungsmanager Tony Clarke hatte bereits seit langem ein Auge auf den digitalen Sektor geworfen. Die Geschäftsleitung gab ihm dafür grünes Licht, und er traf sich mit Motorola in ihrem Sitz in Schottland, um sich zeigen zu lassen, was Motorola für Mettoy in petto hatte. Diese zeigten ihm das Referenzdesign der 68xx-Familie und den dazu passenden MC6847, einem Video-Display-Generator.

MC6809EP

Der Motorola MC6809EP war ein 8-Bit-Prozessor, der 1978 von Motorola eingeführt wurde und als Weiterentwicklung des MC6800 galt. Mit seiner fortschrittlichen Architektur und einigen 16-Bit-Operationen war er besonders vielseitig einsetzbar. Der Prozessor verfügte über zwei 8-Bit-Akkumulatoren, die sich zu einem 16-Bit-Doppelregister kombinieren ließen, sowie über zwei Indexregister und einen Stackpointer. Sein flexibler Befehlssatz unterstützte sogar Multiplikationen und bot zahlreiche Adressierungsmodi, was ihn besonders für Hochsprachen wie BASIC attraktiv machte. Mit einer typischen Taktfrequenz von 1 bis 2 MHz konnte der MC6809 komplexere Anwendungen bewältigen als viele seiner Zeitgenossen.

Der Motorola MC6847 war der zugehörige Video Display Generator, der für die Darstellung von Grafik und Text auf dem Bildschirm verantwortlich war. Er ermöglichte eine Textdarstellung von 32 Zeichen in 16 Zeilen und unterstützte mehrere Grafikmodi, darunter eine Auflösung von 256 x 192 Pixeln oder 128 x 96 Pixeln mit bis zu vier Farben. Insgesamt konnten bis zu neun Farben dargestellt werden. Die Videoausgabe erfolgte über ein Composite-Signal, sodass der Computer direkt an einen Fernseher angeschlossen werden konnte. Obwohl der MC6847 keine Hardware-Sprites unterstützte, erlaubte er durch geschickte Softwareoptimierungen dennoch ansprechende Animationen und Spielgrafiken.

Im Sommer 1982 mehrten sich dann die Gerüchte in Großbritannien, dass ein kleiner Spielwarenhersteller den Versuch unternehmen wollte, in den Heimcomputermarkt einzusteigen. Aufgrund der damaligen Lage innerhalb des Marktes zweifelten viele an einem Erfolg dieser Unternehmung. Zur selben Zeit hatte der Pionier der Home-Computerszene, Sinclair, Schwierigkeiten mit seinem neuesten System: dem ZX Spectrum, was Raum für neue Wettbewerber ließ. Der August kam, und aus dem Gerücht wurde Wirklichkeit: Das Unternehmen Dragon Data Ltd aus Wales präsentierte seinen ersten Computer, den Dragon 32.

Die Umsätze waren gut, und kurz danach kam auch der Dragon 64 auf den Markt. Beide waren dem Tandy TRS-80 Color Computer verblüffend ähnlich, denn basierten sie doch alle auf dem gleichen technischen Referenzentwurf, der von Motorola direkt entwickelt wurde und die drei Kernkomponenten (Prozessor, SAM und VDG) beinhaltete. Als Speichermedium diente ein Kassettenrekorder, der Programme von Magnetbändern las. Der Dragon 32 wurde mit dem Betriebssystem Microsoft Extended BASIC ausgeliefert, das umfangreiche Programmiermöglichkeiten bot.
Der Erfolg des Dragon 32 und Dragon 64 in Großbritannien und Europa veranlasste das Unternehmen, neue Märkte zu erschließen und Partnerschaften zu suchen, die ihnen helfen könnten, die amerikanischen Verbraucher zu erreichen.

Dragon Data begann Verhandlungen mit dem amerikanischen Unternehmen Tano Corporation, einem Elektronik- und Computerunternehmen, das bereits auf dem US-Markt etabliert war. Diese Partnerschaft sollte es Dragon Data ermöglichen, ihre Computerprodukte in den Vereinigten Staaten zu vertreiben und sich gegen etablierte Konkurrenten wie Apple, Commodore und IBM zu behaupten. Der Plan sah vor, den Dragon 64 in den USA als Tano Dragon zu vermarkten. Die Tano Corporation sollte für den Import, die Anpassung und den Vertrieb der Geräte sorgen. Ziel war es, den Dragon 64 durch strategisches Marketing und den Einsatz von Tanos Vertriebsnetzwerk in den Vereinigten Staaten bekannt zu machen. Die Partner hofften, dass die technologischen Stärken des Dragon 64, wie die leistungsfähigen Grafik- und Programmiereigenschaften, den amerikanischen Markt begeistern und für eine erfolgreiche Etablierung sorgen würden. Ein bedeutender Schritt in dieser Partnerschaft war die Anpassung des Dragon 64 an die US-amerikanischen Standards und Vorlieben. Dazu gehörten unter anderem die Anpassung der Tastatur an das US-Layout sowie die Sicherstellung der Kompatibilität mit amerikanischen Fernsehern und Stromversorgungen. Außerdem sollten Marketingstrategien entwickelt werden, die den Dragon 64 als konkurrenzfähige Alternative zu den bereits etablierten Heimcomputern positionierten. Trotz der vielversprechenden Pläne und der technologischen Stärken des Dragon 64 stieß das Projekt jedoch auf zahlreiche Herausforderungen. Der US-amerikanische Markt war zu dieser Zeit stark umkämpft und von großen Namen wie Apple und Commodore dominiert. Zudem hatte Dragon Data mit internen finanziellen Schwierigkeiten und einer angespannten Marktsituation zu kämpfen. Diese Faktoren trugen dazu bei, dass die Partnerschaft mit Tano nicht den erhofften kommerziellen Erfolg erzielte.

Letztlich konnten Dragon Data und Tano ihre ambitionierten Ziele nicht vollständig umsetzen. Der Tano Dragon fand nur begrenzt Anklang bei den amerikanischen Verbrauchern, und die Verkaufszahlen blieben hinter den Erwartungen zurück. Zudem hatte das Mutterunternehmen selbst finanzielle Sorgen und Dragon Data wurde aus dem Unternehmen ausgegliedert, damit es nicht in den Ruin gezogen werden konnte. Zudem war das Produkt selbst, also die Dragon-Reihe, bedingt durch ihre grafischen Fähigkeiten, das Fehlen eines externen Laufwerks und eines echten Betriebssystems, im Begriff, Marktanteile zu verlieren.

Um dem entgegenzutreten, arbeitete Dragon Data, nun unter der Kontrolle von GEC (sie kauften das Mutterunternehmen), an ihrem nächsten Computer, dem Dragon Professional (Projekt Alpha) und Projekt Beta:

Projekt Alpha war eine evolutionäre Weiterentwicklung des Dragon 64, das mit einem eingebauten Modem, Multikanal-Sound und zwei 3,5"-Laufwerken ausgestattet war. Wie auch beim Amiga 1000, konnte man den Computer erst nutzen, nachdem eine Boot-ROM-Diskette eingelegt wurde. Fünf dieser Prototypen haben die Zeit überlebt und sind vor allem an ihren handgefertigten Gehäusen zu erkennen. Das Betriebssystem konnte auch einen Dragon-32-Modus benutzen und damit über Kassette dessen Programme laden und ausführen. Im Nachhinein betrachtet, wäre dieses Projekt zum Scheitern verurteilt gewesen, waren doch zu dieser Zeit bereits leistungsfähigere Computer vorhanden.

Projekt Beta war dagegen etwas komplett anderes, denn der Vorstand wollte mit diesem System einen großen Hit entwickeln, wobei der Verkaufspreis bei 2500 bis 3000 £ liegen sollte. Im System selbst arbeiteten zwei Motorola MC6809E, die auf einen RAM von 256 Kbyte zugreifen konnten, der bis 768 Kbyte ausbaubar war. Zum Datenaustausch standen zwei interne 3,5"-Laufwerke zur Verfügung, und eine externe Festplatte war als Add-on bereits in Planung. Neben einem 80-Zeilen-Display, das auf dem Motorola MC6845 basierte und einen RGB-Anschluss besaß, konnte das System 16 Farben bei einer Auflösung von 320 x 256 Pixeln darstellen, wobei die höchste Auflösung 640 x 512 Bildpunkte bei vier Farben betrug. Das Gehäuse war einem Amiga 2000 nicht unähnlich und konnte auf der Gehäuseoberseite einen Monitor platzieren lassen. Daneben wurde ebenfalls an einer Erweiterungskarte gearbeitet, die weitere Schnittstellen und Anschlüsse zur Verfügung stellten und es dem System ermöglichten, auch als Datenserver zu arbeiten.

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Dragon Data veröffentlichte insgesamt rund 200 Softwaretitel, darunter Spiele, Lernsoftware und Anwendungsprogramme. Zu den bekanntesten Entwicklern gehörten Mikro-Gen, Salamander Software und Imagine Software, die dem System zu einer treuen Nutzergemeinde verhalfen.

1984 wurde Dragon Data an das spanische Unternehmen Eurohard verkauft, das den Dragon 200 herausbrachte – eine leicht veränderte Version des Dragon 32. Doch auch Eurohard musste wenige Jahre später Insolvenz anmelden. Trotz der kurzen Lebenszeit des Unternehmens hinterließ Dragon Data einen bleibenden Eindruck als mutiger Herausforderer im frühen Heimcomputermarkt. Ihr Einsatz für innovative Konzepte zeigt, wie selbst kleine Unternehmen den technologischen Fortschritt prägen konnten – auch wenn der kommerzielle Erfolg ausblieb.

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