Paradroid - 1985 by Graftgold
Einen Artikel zu Paradroid zu schreiben, gleicht dem Versuch, einem Teenager Spider-Man vorzustellen. Kaum ein ernsthafter Vintage-Gamer oder, in unserem Fall, ein Tentakel, hat dieses Kultspiel nicht gespielt oder zumindest davon gehört.
Wir schreiben das Jahr 2390. Feindliche Kräfte des Trimorg-Imperiums haben eine Frachtflotte aus dem Inneren eines Asteroidenfeldes heraus gescannt und dabei die Ladung der Schiffe aktiviert: eine stattliche Anzahl von Kampf- und Sicherheitsdroiden. Diese terrorisieren, gemeinsam mit den ebenfalls übernommenen Servicedroiden, die Crew, die sich auf der Brücke verbarrikadiert hat, da sie die Shuttle-Hangars nicht mehr erreichen konnte. Der Spieler muss alle feindlichen Droiden eliminieren, um die Menschen an Bord zu retten. Die acht Raumschiffe, beginnend mit dem namensgebenden „Paradroid“, bestehen aus mehreren Decks und Räumen, die aus der Vogelperspektive dargestellt werden. Jeder Droide wird als Kreis mit einer dreistelligen Zahl gezeigt, die seine Stärke angibt – je höher die Zahl, desto widerstandsfähiger der Droide. Insgesamt gibt es 24 verschiedene Droidentypen.
Der Spieler steuert einen Prototyp namens „Influence Device“ (Nummer 001), mit dem er feindliche Droiden übernehmen oder direkt zerstören kann. Die Übernahme erfolgt in einem Minispiel, das auf Schaltplänen und Logikgattern basiert. Jeder Droide besitzt „Energiemodule“, die Strom an die Schaltkreise liefern. Droiden mit höheren Nummern haben mehr Module, doch die Logikgatter ermöglichen es schwächeren Droiden, stärkere auszutricksen. Wer nach Ablauf des Timers die meisten Leitungen kontrolliert, gewinnt die Übernahme. Bei einem Unentschieden wird das Minispiel wiederholt. Gewinnt der Spieler, übernimmt er den Droiden samt Panzerung, Manövrierfähigkeit und Bewaffnung. Verliert er, wird der Droide zerstört und der Spieler kehrt als Influence Device zurück – es sei denn, er hat zuvor keinen anderen Droiden gesteuert, dann endet das Spiel.

Eine der Inspirationsquellen - das Cover des Black Sabbath Albums "Technical Ecstasy" (1976)
Paradroid entstand unter dem Einfluss zahlreicher Computerspiele und Filme und knüpfte an das Spiel „Survive“ an. Andrew Braybrook, aus dessen Feder das Spiel stammt und der sich zuvor mit „Gribbly’s Day Out“ bereits seine ersten Lorbeeren verdient hatte, erklärte in einem Interview mit Retro Gamer: „Die Idee des Droidentausches stammt aus dem Arcade-Klassiker „Front Line“ von Taito, bei dem man in einen Panzer einsteigen und ihn verlassen musste, wenn man getroffen wurde.“ In einem weiteren Beitrag für Retro Gamer betonte er, dass ihn das Cover des Black-Sabbath-Albums „Technical Ecstasy“, auf dem zwei interagierende Droiden zu sehen sind, ebenso inspiriert habe wie die düsteren, labyrinthartigen Korridore des Films „Aliens“. Betrachtet man das Albumcover von 1976, wird die Inspirationsquelle sofort ersichtlich – auch wenn Ozzy Osbourne selbst angab, das Artwork erinnere ihn eher an „zwei Roboter, die an einer Rolltreppe schrauben“. Natürlich würde ich dem Prince of Darkness nicht widersprechen, neige aber dennoch zu Andrews Sichtweise.
Andrew selbst sagte in einem anderen Interview, dass Paradroid das bestvorbereitete Spiel seiner Karriere gewesen sei, da er sich zuvor zwei randvolle Seiten voller Notizen gemacht habe. Das Konzept sei dabei auf dem Heimweg entstanden. Kurz nachdem er die Wohnung betreten habe, waren sämtliche Ideen bereits notiert – inklusive der Hierarchie der im Spiel vorkommenden Roboter.
Braybrook entwickelte zwischen 1985 und 1987 drei Versionen für den C64: Paradroid, die Competition Edition (50 % schneller) und Heavy Metal Paradroid mit verbesserten Grafiken. Andrew sagte, dass die Competition Edition durch Zufall entstanden sei, da er besorgt war, dass das Spiel mit lediglich 17 Bildern pro Sekunde lief – 25 FPS waren jedoch sein minimales Ziel. Andrew: „Es gibt Zeiten, in denen man mit der Colour Map oder den Sprite-Positionen spielen kann, und Zeiten, in denen man es nicht kann, um die Ansicht ordentlich zu halten – es gibt kein Double-Buffering. Also gibt es einige Zeitverzögerungen zur Stabilisierung, und ich glaube, ich habe eine zu viel gefunden. Ich entfernte sie, und das Spiel lief ziemlich konstant mit der höheren Geschwindigkeit, obwohl es sich bei den größten Feuergefechten wieder verlangsamte. Ich habe es ein bisschen optimiert und nicht alles für die schnellere Bildrate neu synchronisiert, es lief einfach schneller!“
Und wie kam es zur Heavy Metal Paradroid-Fassung? Andrew sagte, dass diese entstand, als er an Morpheus arbeitete, das sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium befand. Für dieses hatte er einen neuen Metal-Look mit gebogenen Grafiken kreiert und wollte diesen in ein bereits existierendes Spiel zur Probe integrieren. Andrew: „Das hat mich wahrscheinlich nur einen Vormittag gekostet, aber das Ergebnis gefiel mir so gut, dass wir es ebenfalls veröffentlicht haben. Es lief mit denselben 25 Frames pro Sekunde wie die Competition Edition.“ 1990 erschien für Amiga und Atari ST eine erweiterte Version, und 1993 brachte Graftgold Ltd. die bisher letzte Version Paradroid 2000 für den Acorn Archimedes heraus – allerdings ohne Braybrooks Beteiligung.
Paradroid erhielt international herausragende Kritiken. Die Zeitschrift Zzap!64 bewertete das Spiel mit 97 %, eine der höchsten Wertungen der Magazin-Geschichte. Auch in den USA und Deutschland wurde das Spiel fast schon kultig verehrt. Andrew Braybrook und Steve Turner schufen mit Paradroid ein zeitloses Meisterwerk, das in der Videospielgeschichte einen besonderen Platz einnimmt. In einem Interview sagte Andrew: „Ich wollte ein Spiel schaffen, das nicht nur unterhält, sondern auch herausfordert. Es war eine enorme Freude zu sehen, wie positiv die Spieler auf Paradroid reagiert haben.“ Komponist Steve Turner, der auch die Musik für Avalon und Dragontorc schrieb, trug ebenfalls zur Atmosphäre bei.