Thundercats – 1987 by Elite Systems

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Thundercats - 1987 by Elite Systems

ThunderCats CoverDie 1980er-Jahre waren die Blütezeit der täglichen Zeichentrickserien – ein Boom, der dem gewaltigen Erfolg von He-Man and the Masters of the Universe folgte. Serien wie Galaxy Rangers oder Sabre Rider & the Star Sheriffs prägten eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen. Auch die 1985 gestarteten ThunderCats – im Deutschen mit dem eher unglücklichen Titel „Die starken Katzen aus dem All“ versehen – reihten sich in diese Riege ein. Die Serie erzählte von humanoiden Katzenwesen, die ihren Heimatplaneten "Thundera" verlassen mussten und sich auf der „Dritten Erde“ niederließen, wo sie sich fortan gegen die Mutanten von "Plun-Darr" und den untoten Hexer "Mumm-Ra" verteidigen mussten – allen voran, um das legendäre „Schwert von Omen“ zu schützen. Der Erfolg war groß genug, um nicht nur Spielzeug, Comics und Stickeralben hervorzubringen, sondern zwangsläufig auch ein Videospiel.

Das daraus resultierende Spiel ThunderCats: The Lost Eye of Thundera war ursprünglich als Lizenz Produkt gedacht, das den TV-Erfolg kommerziell verlängern sollte. Doch das Projekt nahm bald eine unerwartete Wendung: Die Entstehungsgeschichte war komplex, begleitet von technischen Schwierigkeiten und kreativen Umwegen – und das wirtschaftliche Ergebnis war ebenso bemerkenswert wie umstritten.

Als sich Elite Systems die Lizenzrechte sicherte, war klar, dass das Spiel noch vor Weihnachten 1987 erscheinen musste – der wichtigste Verkaufszeitraum des Jahres. Elite wandte sich daher an externe Entwickler und wurde bei Paradise Software fündig, die bereits an einem Action-Plattformer namens "Samurai Dawn" arbeiteten – ein Spiel in der Tradition von "Green Beret" oder "Rush’n Attack", das jedoch in keinerlei Zusammenhang mit den ThunderCats stand. Damit hatte Elite zwei konkurrierende ThunderCats-Projekte in der Pipeline, doch keines davon lief nach Plan. Samurai Dawn war zwar nahezu fertiggestellt, passte aber thematisch überhaupt nicht zur Lizenz. Zeitgleich drohte das Weihnachtsgeschäft zu platzen, weshalb man nach alternativen Lösungen suchte.

Elite Systems hatte zu dieser Zeit enge geschäftliche Kontakte zu Gargoyle Games, einem Studio, das sich auf dem ZX Spectrum mit atmosphärisch dichten Abenteuerspielen wie "Tir Na Nog", "Dun Darach" oder "Heavy on the Magick" einen Namen gemacht hatte. Anfang 1987 arbeitete Gargoyle an einem Action-Plattformer namens "Wolf", stilistisch angesiedelt zwischen "Conan der Barbar" und klassischen Fantasy-Settings – ein Versuch, den eher intellektuellen Stil früherer Titel hinter sich zu lassen und kommerzieller zu werden.

In der Not zog Elite auch Wolf als ThunderCats-Basis in Betracht. Die Entwickler bei Gargoyle begannen tatsächlich damit, das Spiel auf die Lizenz hin umzubauen – ein Prozess, der letztlich scheiterte. „Wir versuchten, ThunderCats aufzupfropfen, aber das Spiel hat sich gewehrt“, erinnerte sich später sinngemäß ein Entwickler (vermutlich Roy Carter oder Greg Follis) in einem Interview. Die Arbeiten konnten nicht rechtzeitig abgeschlossen werden, und so entschied sich Elite für den pragmatischeren Weg: "Samurai Dawn" wurde mit minimalen Anpassungen veröffentlicht – inklusive neuer Sprites und Titelmusik – und kam als "ThunderCats" auf den Markt. "Wolf" hingegen verschwand in der Versenkung. Es erschien nie, und keine der späteren Veröffentlichungen von Gargoyle übernahm Inhalte daraus. Einige Screenshots und Konzeptgrafiken tauchten in Magazinen wie "Your Sinclair" oder "Crash" auf – die visuelle Nähe zu "Barbarian" oder "Ghosts'n Goblins" war unverkennbar.

Die Veröffentlichung von ThunderCats zog Kritik nach sich, nicht zuletzt weil das Spiel kaum zur Vorlage passte. Wie ein Entwickler rückblickend sagte: „Wir hatten sechs Wochen Zeit, ein fertiges Spiel in ein Franchise zu pressen, das es nie unterstützt hat.“ Das merkt man dem Spiel auch an. Immerhin überlebte der epische Soundtrack, den Rob Hubbard ursprünglich für Wolf geschrieben hatte. Die Musik – orchestral, bedrohlich und weit entfernt vom Tonfall der Zeichentrickserie – wurde in die C64-Version übernommen und gilt heute als eines der Highlights des Spiels. „Der Titeltrack gehört bis heute zu meinen Favoriten“, so ein Statement von Hubbard selbst in späteren Gesprächen.

Ein immer wieder diskutierter Punkt in Fankreisen ist die angebliche Beteiligung von Graftgold an ThunderCats. Graftgold – gegründet von Andrew Braybrook und Steve Turner – war eines der renommiertesten britischen Studios der Ära und für technisch brilliante Titel wie Uridium, Paradroid oder Avalon bekannt. Tatsächlich plante Elite auch Umsetzungen für Atari ST und Amiga und arbeitete dabei gelegentlich mit Drittstudios wie Graftgold zusammen. Ob Graftgold oder frühere Mitarbeiter an einer dieser Umsetzungen beteiligt waren, ist jedoch nicht eindeutig belegt. Es existieren keine bekannten Demos oder Screenshots, die das bestätigen würden. Braybrook selbst erwähnte ThunderCats in keinem seiner Interviews – auch nicht im Retro Gamer Magazine (Ausgabe 18), wo er detailliert über seine Projekte sprach. Dennoch tauchten in späteren Codeanalysen (z. B. durch C64-Preservation-Projekte) Entwicklungstools auf, die mit Graftgold assoziiert wurden. Wahrscheinlich nutzte Elite lediglich deren Entwicklungsumgebung oder Assets, was zur hartnäckigen, aber unbelegten Legende führte, Graftgold sei am Spiel beteiligt gewesen.

Spielerisch präsentierte sich ThunderCats als klassisches Action-Plattformspiel der Ära. Der Spieler übernahm die Rolle von Lion-O und kämpfte sich mit dem Schwert von Omen durch lineare Level voller Gegner und Hindernisse. Die Technik war – zumindest auf dem Commodore 64 – solide: Parallax-Scrolling, flüssige Animationen und ein sauberer SID-Soundtrack sorgten für eine gewisse audiovisuelle Qualität. Die Spielmechanik war allerdings simpel: feste Gegner-Spawnpunkte, simple Kollisionsabfrage und kaum spielerische Tiefe.

Wirtschaftlich war das Spiel ein Achtungserfolg, vor allem in Großbritannien, wo die Serie besonders populär war. Rund 80.000 Einheiten wurden im ersten Monat verkauft – für ein Lizenzspiel jener Zeit eine sehr gute Zahl. In einer Pressemitteilung von Oktober 1987 äußerte sich Elite selbstbewusst: „ThunderCats ist ein Beweis dafür, dass starke Lizenzen und gute Programmierung Hand in Hand gehen können – auch wenn das Schwert etwas stumpf war.“ In den USA verlief der Marktstart jedoch schleppend. Die Veröffentlichung erfolgte verspätet, und das Spiel fand kaum Verbreitung in den Handelsketten.

Die Kritiken fielen gemischt aus. Das französische Magazin Tilt vergab 11 von 20 Punkten. Die deutsche Happy Computer kam auf 65 % und Heinrich Lenhardt kommentierte die C64 Version folgendermaßen: „ThunderCats ist weder sonderlich einfach noch allzu originell. Wer sich daran nicht stört, wird mit flotter Action-Kost bedient.“ Während die C64-Version technisch am besten abschnitt, litt die ZX-Spectrum-Fassung unter Flickering und monochromer Grafik. Die Amstrad-Version war farblich gelungen, aber langsam. Die grafisch überlegene Atari-ST-Version kam zu spät und fand kaum Publikum.

Kontroversen gab es nicht nur wegen der mäßigen Qualität, sondern auch wegen der Lizenz Nutzung. Viele Fans waren enttäuscht, dass zentrale Charaktere wie Cheetara oder Panthro kaum oder gar nicht auftauchten. „ThunderCats war das beste Samurai-Spiel mit Katzenlogo“, spottete ein Fan später. Auch in Blogs wurde das Spiel kritisch betrachtet. So meinte Retro-Autor Paul Jenkinson 2005: „Man merkt dem Spiel an, dass es keine Liebesarbeit war.“

Die Lizenz selbst wurde später mehrfach neu aufgelegt, etwa auf dem Nintendo DS – allerdings ohne Bezug zur 1987er-Version. Und was geschah mit der internen Version des Spiels? Der Protagonist wurde kurzerhand gegen Sir Arthur aus Ghosts'n Goblins ausgetauscht und Capcom, dem Lizenzträger vorgeschlagen – unter dem Arbeitstitel "Ghosts’n Goblins: Beyond the Ice Palace". Capcom lehnte jedoch ab, da man bereits an einer offiziellen Fortsetzung (Ghouls’n Ghosts) arbeitete. Elite änderte daraufhin Setting und Figuren, und das Spiel erschien letztlich als "Beyond the Ice Palace" – ein kurioses Nachspiel für ein Spiel, das ursprünglich als TV-Merchandising gedacht war.

Veröffentlicht in Games.

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