Dirty Den - 1987 by Probe Software
Als 1986 das Spiel Dirty Den für den Commodore 16 und den Plus/4 erschien, ahnte wohl kaum jemand, dass hier eines der letzten großen Action-Signale für die kleine Commodore-Reihe gesetzt wurde. Das Spiel, entwickelt von Vakis Paraskeva für Probe Software, wurde in 16 Kilobyte Maschinencode gepresst – eine technische Leistung, wenn man bedenkt, dass allein der Titelbildschirm und die Spiellogik schon einen beachtlichen Teil des Speichers verschlangen. Probe Software, 1984 von Paraskeva und Fergus McGovern gegründet, war damals ein Zwei-Mann-Betrieb, der buchstäblich alles selbst machte: „At this stage everything from packaging to marketing was still done by Fergus and Vakis … it was turning into a 24 hours a day job.“ Übersetzt: „In dieser Phase wurden Verpackung und Marketing noch ganz von Fergus und Vakis gemacht … es entwickelte sich zu einem 24-Stunden-Job.“
Im Mittelpunkt steht der namensgebende Antiheld – Dirty Den – ein kleiner, leicht untersetzter Kerl mit einem roten Overall und dem Mut, den es braucht, um sich durch zwölf gefährliche Räume zu schlagen. Die Handlung ist, wie so oft in der 8-Bit-Ära, schlicht, aber wirkungsvoll: Dens Freundin wurde von einem namenlosen Schurken in einem labyrinthartigen Gebäude voller Fallen, springender Gegner und tödlicher Plattformen eingesperrt. Nur wer alle Tafeln Schokolade in jedem Raum einsammelt – ein augenzwinkerndes Symbol für Energie, vielleicht auch für Dens Schwäche für Süßes – kann das Tor zum nächsten Abschnitt öffnen. Erst wenn alle Räume gemeistert sind, steht Den seiner Angebeteten gegenüber – eine Rettung, die nicht mit Zwischensequenzen, sondern mit einem simplen Textscreen gefeiert wird.
Das Besondere dabei ist die Steuerung. Anders als viele Plus/4-Spiele jener Zeit, die wahlweise auch Joysticks im Standard-Port unterstützten, wurde Dirty Den ausschließlich über die Tastatur gespielt. Laut den Anleitungen auf MobyGames und Plus/4 World nutzte man die Richtungstasten A (links), S (rechts) und SPACE zum Springen – eine spartanische, aber erstaunlich präzise Lösung. Ein Feuerknopf? Fehlanzeige – Den hatte keine Waffe, er überlebte allein durch seine Füße und seinen Mut. Das machte das Spiel gleichzeitig einfacher im Aufbau und schwerer im Timing, denn jede Eingabe musste exakt getaktet werden. Wer versehentlich zu lange auf SPACE drückte oder zu spät auf A wechselte, sah Den in die Tiefe stürzen. Diese Art Tastatursteuerung war damals eine Seltenheit bei Actionspielen, wirkte aber erstaunlich griffig, sobald man sich eingespielt hatte. Manche Sammler nennen es heute liebevoll „Fingerakrobatik auf drei Tasten“.
Das Spiel verläuft in klassischer Bildschirm-zu-Bildschirm-Manier: Jeder Raum ist ein Puzzle aus Leitern, Plattformen und beweglichen Objekten. Feindliche Kreaturen – meist fliegende Wesen, animierte Bälle oder kleine Roboter – bewegen sich nach festen Mustern, und die Herausforderung liegt darin, das Timing ihrer Bahnen zu studieren. Den springt mit erstaunlicher Präzision, was dem Spiel trotz seiner Einfachheit eine gewisse Geschmeidigkeit verleiht. Fallen wie Dornen, rollende Geschosse oder Laserbarrieren zwingen den Spieler zu vorausschauender Bewegung – ein Fehler, und man beginnt den Raum von vorn. Manche Räume haben zusätzlich trickreiche Mechanismen: Plattformen, die unter den Füßen verschwinden, oder Aufzüge, die nur bei Kontakt mit bestimmten Objekten reagieren. Ein kleines, aber feines Detail sind die Schokoladenstücke selbst – sie sind oft so platziert, dass man riskante Sprünge wagen muss, anstatt den sicheren Weg zu nehmen. Dieses Element verleiht Dirty Den einen gewissen Suchtfaktor: „Nur noch einen Versuch, diesmal schaffe ich’s ohne Absturz!“ – ein Satz, den man 1986 in so manchem Kinderzimmer gehört haben dürfte.
Die Steuerung reagiert unmittelbar, doch verlangt sie eiserne Disziplin. Gerade weil der Plus/4-Joystickanschluss nicht verwendet wird, sondern allein die Tastatur, fühlt sich Dirty Den heute beinahe wie ein frühes „Precision-Platformer-Experiment“ an. Eine falsche Bewegung, ein ungeduldiger Sprung – und Den verschwindet in der Tiefe. Manche Tester beschrieben das Gefühl als „gleichzeitig frustrierend und fesselnd“, andere lobten, dass man nach einigen Minuten ein erstaunlich gutes Muskelgedächtnis für die Tasten entwickelt.
Der Bildschirmaufbau war typisch für C16-Produktionen jener Zeit: kein Scrolling, sondern Raum für Raum. Jeder Level wurde als statischer Abschnitt geladen, und die Spielfigur sprang präzise über Abgründe, während kleine Animationen auf das Minimum reduziert waren. Die Gegner bestanden aus simplen Sprites, die mit fester Bahn liefen, manchmal ergänzt durch rotierende Gefahren, die man auswendig lernen musste. Das Spiel bot fünf Leben, und wer alle Räume absolvierte, erhielt ein einfaches „Well Done“ – ein Abschluss, der heute fast rührend schlicht wirkt.
Probe Software hatte sich bewusst entschieden, für die C16- und Plus/4-Gemeinde zu entwickeln, obwohl der Markt bereits schrumpfte. Der Commodore 64 dominierte zu diesem Zeitpunkt alles, doch Probe verstand die kleine Schwesterplattform als Experimentierfeld. Der gewählte Titel Dirty Den sorgte dabei für einen Hauch von Aufsehen, da er zufällig mit einer Figur aus der BBC-Serie EastEnders identisch war – allerdings ohne jede Lizenz. Der Titel war schlicht ein frecher Marketing-Gag. Manche Spieler vermuteten damals einen satirischen Bezug, was Probe mit einem knappen „pure coincidence“ kommentierte.
Kommerziell war Dirty Den kein Kassenschlager, sondern ein Nischenprodukt. Der kleine Markt für Plus/4-Spiele ließ ohnehin keine großen Stückzahlen zu. Dennoch diente der Titel als weiteres Aushängeschild, um Probe Software als ernsthaften Entwickler ins Gespräch zu bringen. Fergus McGovern selbst sah solche Projekte als notwendigen Schritt, um „die Werkzeuge zu schärfen“, bevor man auf größere Plattformen wechselte. Wenige Jahre später sollte Probe Software mit Amstrad- und Spectrum-Titeln sowie später mit 16-Bit-Umsetzungen für Electronic Arts und Acclaim eine erstaunliche Karriere hinlegen.
Die zeitgenössische Kritik war mild, aber respektvoll. In einem Rückblick schrieb ein britischer Sammler 1991: „It’s no classic, but it’s cleanly programmed and tougher than it looks.“ Übersetzt: „Kein Klassiker, aber sauber programmiert und härter, als es aussieht.“ Der Kommentar trifft den Kern: kein Meilenstein, aber ein ehrlicher, handwerklich solider Vertreter jener Übergangszeit, als 8-Bit-Systeme langsam in den Sonnenuntergang rollten.
Über Kontroversen im engeren Sinne lässt sich kaum sprechen, doch einige Spieler beklagten die geringe Abwechslung – manche Räume ähnelten sich zu sehr, und die Gegnerlogik wirkte wiederholend. Auch das Fehlen von Musik wurde damals thematisiert. Tatsächlich hatte der C16 nur einen einfachen Soundchip, der wenige Tonkanäle erlaubte, und die meisten Effekte wurden direkt aus der Spielroutine generiert. Einen dedizierten Komponisten nennt keine Quelle; wahrscheinlich schrieb Paraskeva selbst die kurzen Soundroutinen.
Trivia am Rande: Dirty Den ist laut Plus/4 World als „PAL Only“ gekennzeichnet, was bedeutet, dass NTSC-Systeme Timingprobleme bekamen – eine typische Eigenart europäischer Produktionen. Die Community-Bewertung dort liegt heute bei 6,1 von 10 Punkten aus sieben Stimmen – kein Ruhmesblatt, aber ein ehrenvolles Andenken. Ein weiteres Kuriosum: Das Spiel besitzt tatsächlich ein Ende, was bei Plus/4-Shootern und Plattformern selten war; die meisten Spiele liefen damals endlos auf Highscore.
In der Summe war Dirty Den weniger ein wirtschaftlicher Triumph als ein Fingerabdruck einer Ära, in der Entwickler wie Paraskeva mit schierer Leidenschaft und wenig Schlaf ganze Welten in 16 Kilobyte zauberten. Der Titel bleibt ein Stück Computergeschichte, ein ironisches Relikt jener Zeit, als man Schokolade, Liebe und Pixelhelden noch auf Kassette kaufen konnte – und das ganz ohne Downloadbutton.