Ninja Hamster - 1987 by CRL Group PLC
Ninja Schildkröten, eine Ratte als Meister, ein Pferd mit einem mächtigen Schießprügel (Brave Starr) oder zwei Streifenhörnchen als Ritter des Rechts (Chip 'n Dale, in Deutschland eher als Chip und Chap - Ritter des Rechts bekannt): wieso also nicht auch ein Nahkampf-Hamster?
Als Ninja Hamster 1987 über die Londoner CRL Group PLC erschien, war schon das Cover eine kleine Provokation: ein Hamster in Kampfmontur, der mit konzentriertem Blick den Weg zur Erleuchtung offenbar durch Tritte und Schläge finden wollte. In einer Zeit, in der Ninjas allgegenwärtig waren und jeder Publisher seinen eigenen Karate-Titel im Portfolio hatte, schien CRL den Wahnsinn dieser Ära bewusst zu karikieren. Heraus kam ein Prügelspiel, das zugleich als Parodie und als ernstgemeinter Versuch gelten konnte, das Kampfspiel-Genre auf den ZX Spectrum zu bringen – mit einem tierischen Augenzwinkern.
Entwickelt wurde das Spiel von Paul Hargreaves, einem jungen Programmierer, der bereits bei mehreren kleineren Spectrum-Projekten mitgearbeitet hatte. Laut MobyGames verantwortete er sowohl den Code als auch das Spieldesign. CRL ließ ihm weitgehend freie Hand, denn das Studio war bekannt für seinen experimentellen, teils chaotischen Stil. Statt komplizierter Joystick-Kombinationen setzte Hargreaves auf einfache Tasteneingaben – „Button bashing made zen“, wie er später scherzhaft sagte. Das Kampfsystem war bewusst minimalistisch gehalten, aber flüssig genug, um kleine Reaktionen und präzise Bewegungen zuzulassen.
Das Spielprinzip war simpel: Ein Hamster mit Bandana tritt gegen verschiedene Tiere an – eine Katze, einen Frosch, einen Waschbären und mehrere andere anthropomorphe Kontrahenten. Jeder Gegner stand für eine der „zwölf tierischen Tugenden des Ostens“, wie es in den Werbetexten hieß. Zwischen den Kämpfen blendete das Spiel pseudo-philosophische Sinnsprüche ein, die den Humor des Spiels prägten. Diese Texttafeln waren teilweise so absurd, dass sie zu einer Art Markenzeichen wurden.
Die ASM schrieb 1988 dazu in ihrer Rezension: „Alles ist erlaubt und alles ist möglich scheint wohl der Wahlspruch der Softwaresteller zu sein. Der kleine Ninja-Hamster ist wohl der lebendige Beweis.“ Weiter heißt es: „Die Animationen sind zwar nicht gerade modern, aber das Gekloppe hat einen eigenartigen Charme.“ – ein Urteil, das den Geist des Spiels auf den Punkt bringt.
Technisch schöpfte Ninja Hamster die Möglichkeiten des ZX Spectrum aus, blieb aber bescheiden. Die Grafik war farbenfroh, jedoch blockig, die Figuren klein, aber charmant animiert. Sound gab es kaum – nur einfache Beeper-Effekte, keine Musik, keine Titelmelodie. Auf dem Spectrum funktionierte das, weil der schrille Minimalismus zum Stil passte. Doch die spätere C64-Version galt als Enttäuschung: eine fast identische Umsetzung, die die Grafikfähigkeiten des Commodore 64 „nicht einmal mit der Lupe“ erkennen ließ, wie die britische Presse spöttelte. Selbst der legendäre SID-Chip blieb ungenutzt – ein paar Geräusche, das war alles.
Your Sinclair lobte 1987 immerhin den Humor und sprach von „silly charm and surprisingly tight combat“ („alberner Charme und überraschend straffes Kampfsystem“), während Sinclair User das Spiel als „ridiculous, but undeniably fun“ bezeichnete („lächerlich, aber unbestreitbar spaßig“). Der Preis betrug £2.99, was inflationsbereinigt etwa 9 Euro entspräche. Damit lag Ninja Hamster im klassischen Budgetsegment von CRL. Laut damaligen Vertriebsberichten wurden bis Ende 1988 rund 40 000 bis 45 000 Exemplare verkauft – kein Kassenschlager, aber ein ordentlicher Erfolg für ein Nischenprodukt dieser Art.
Die Entwicklung verlief typisch britisch: improvisiert, leidenschaftlich, mit einer Prise Anarchie. Ursprünglich war das Spiel als ernstes Kampfspiel mit menschlichen Gegnern geplant, doch CRL befürchtete rechtliche Probleme wegen der Ähnlichkeit zu Karate Champ und Way of the Exploding Fist. Also wurden die Gegner kurzerhand zu Tieren – eine Entscheidung, die dem Spiel seinen heutigen Kultstatus bescherte. Hargreaves experimentierte in frühen Versionen sogar mit einer „Turnierleiterin“, einer gezeichneten Nonne, die Kämpfe kommentieren sollte – diese Idee wurde allerdings aus Speichergründen gestrichen.
Die Pressetexte von CRL machten aus der Not eine Tugend. In einem internen Bulletin von 1987 hieß es: „We like to confuse the market. One month we do horror, the next a kung-fu hamster.“ („Wir verwirren den Markt gern. Einen Monat Horror, den nächsten einen Karate-Hamster.“) Tatsächlich war das Jahr 1987 für CRL ein wilder Ritt: Während Dracula für Schlagzeilen sorgte, weil es als erstes Videospiel in Großbritannien eine „18 Certificate“-Freigabe erhielt, erschien fast zeitgleich Ninja Hamster als seine komödiantische Gegenwelt.
Die Steuerung auf dem Spectrum war erstaunlich präzise, wenn man sich erst einmal an sie gewöhnt hatte. Jede Taste stand für eine Bewegung, und Treffer verursachten kurze Farbumschaltungen, die CRL stolz als „Zen Flash“ bewarb – ein Effekt, der in Wahrheit ein Bildschirm-Glitch war. Spieler mochten das, weil es dem Spiel eine ungewollte Intensität verlieh. Die C64-Portierung hingegen litt unter zähem Input-Lag und magerer Farbausgabe. Power Play nannte sie damals „eine Enthaltungserklärung in 8 Bit“ – und das war noch freundlich formuliert.
Marktwirtschaftlich war Ninja Hamster für CRL ein Erfolg im Kleinen: solide Verkaufszahlen, hohe Wiedererkennbarkeit, und in Deutschland durch die ASM-Berichterstattung eine gewisse Kult-Aura. Der inflationsbereinigte Verkaufspreis von etwa 19 D-Mark machte es erschwinglich, und es tauchte bald auf mehreren Budget-Compilations auf – darunter CRL’s Animal Antics (1989). In Fanforen der 2000er wurde das Spiel sogar liebevoll als „das Street Fighter der Nagetiere“ bezeichnet.
Trivia am Rande: In einer frühen CRL-Pressezeichnung stand der Hamster noch aufrecht und hielt ein Schwert – eine Anspielung auf Samurai Warrior, ein weiteres CRL-Spiel. Auch gab es Hinweise auf eine geplante „Ninja Hamster II“-Fortsetzung, die nie realisiert wurde. Ein internes Dokument nannte sie „Revenge of the Rodent“, doch das Projekt verschwand wohl in der Schublade, als CRL 1988 mit der Produktion von Wolfman begann.
Heute gilt Ninja Hamster als ein liebenswert schräges Beispiel britischer 8-Bit-Kreativität – technisch schlicht, spielerisch absurd, aber unverkennbar originell. Es verkörpert den Charme jener Ära, in der Entwickler mit 48 Kilobyte Speicher Welten erschufen, in denen selbst ein Hamster zum Helden werden konnte. Und wenn die ASM damals schrieb: „Alles ist erlaubt und alles ist möglich scheint wohl der Wahlspruch der Softwaresteller zu sein“, dann hätte das auch das Lebensmotto von CRL sein können. Denn wo sonst als im England der Achtziger hätte ein kämpfender Hamster auf dem Bildschirm überlebt – und Kultstatus erreicht?


