IBM 5150 – Der Urvater der MS-DOS und Windowsrechner

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IBM 5150 – Der Urvater der MS-DOS und Windowsrechner

Anfang der 1980er hatte IBM einen schweren Stand in der Computerindustrie. Zahlreiche kleine Garagenfirmen, wie beispielsweise Apple, konnten sich auf dem neuen Markt der Heimcomputer etablieren, ohne dass IBM ein entsprechendes Konkurrenzprodukt zur Verfügung stand. Hatte das Unternehmen anfangs dieses Segment noch belächelt, wurde ihnen bald klar, dass hier ein erhebliches Wachstum möglich war. IBM gründete ein spezielles Entwicklungsteam, welches eine ernstzunehmende Konkurrenz zu Commodore, Atari, Tandy und den zahlreichen CP/M kompatiblen Computern entwickeln sollte. Dieses Team wurde mit zahlreichen Sonderbevollmächtigungen ausgestattet, die dem Team erlaubten, den normalen und langen Entwicklungsweg erheblich abzukürzen. Musste ein Computer sich zuvor vor mehreren Prüfungskommissionen beweisen, wurde hier ein Sonderweg geschaffen. Den Verantwortlichen war klar, dass der herkömmlichen Weg womöglich bedeuten würde, noch weiter ins Hintertreffen zu geraten.

Für das Projekt wurde der Name "Project Chess" ausgewählt und das Entwicklungsteam fand ihren Arbeitsplatz in Boca Raton, Florida. Projektleiter war Don Estridge, gemeinsam mit dem Chefentwickler Lewis Eggebrecht. Ihnen gemeinsam unterstanden zwölf Mitarbeiter, die innerhalb eines Jahres den heute PC genannten Computer entwickelten. Ihnen war klar, dass die Zeit der entscheidende Faktor war, und so entschlossen sie sich den Computer aus bereits existierenden Komponenten aufzubauen, wobei diese nicht zwangsläufig von IBM stammten und sogar aus anderen Ländern importiert werden mussten. Ebenso wie die Sonderbevollmächtigungen war auch dies ein neuer und ungewöhnlicher Schritt für das mächtige Unternehmen, entwickelten sie bisher jegliche Hardware selbst. Dies galt ebenso für den benötigten Monitor, der bereits vor einiger Zeit von IBM Japan konzipiert worden war, wie auch für den Drucker, der von Epson stammte.

Von Anfang an war eine offene Architektur vorgesehen, um so Dritte dazu zu animieren, weitere Produkte für das System zu entwickeln. Eine erhebliche Rolle spielte dabei die Lizenzpolitik, die alle anderen Hersteller praktizierten und von der IBM abweichen wollte. Musste bisher für Produkte von Drittherstellern eine bestimmte Lizenz erworben werden, war dies für den IBM PC nicht vorgesehen. Jeder hatte das Recht und die Möglichkeit Soft- oder Hardware zu entwickeln und zu vertreiben, ohne IBM eine Lizenz abzukaufen. Das Entwicklungsteam erhoffte sich dadurch schnell einen großen Bekanntheitsgrad und eine Vielfältigkeit zu erlangen, die die anderen Herstellern in die Defensive drängen würde. Zusätzlich wurde ein technisches Handbuch herausgegeben, dass sämtliche Schaltungen und auch den BIOS Sourcecode beinhaltete. Allerdings führte dieses Konzept IBM langfristig am Ziel vorbei.

Am 12. August 1981 kündigte IBM den PC weltweit an. Der Hersteller Tecmar sah das Potenzial und konnte bereits sechs Wochen später 20 Produkte (Speichererweiterung, Gehäuseerweiterungen, etc.) für einen Computer vorstellen, der noch gar nicht veröffentlicht wurde. Zu dieser Zeit war sich Don Estridge noch nicht einmal sicher, welchen Prozessor er und sein Team in das System einbauen wollen würden. Die erste Entscheidung ging zu Gunsten des IBM 801, einer frühen RISC-CPU und des dazu gehörigen Betriebssystems. Gegenüber dem später verbauten Intel 8088 und dem MS DOS 1.0 war der Prozessor und das Betriebssystem erheblich mächtiger. Das Betriebssystem selbst, AIX, war MS-DOS um wenigstens drei Jahre voraus. Zeitweise war sogar der Motorola 68000 als Hauptprozessor in Erwägung gezogen worden, allerdings waren der IBM 801 und der Intel 8088 stets favorisiert worden.

Hätte sich das Team auf den IBM 801 Prozessor und dem dazugehörigen Betriebssystem geeinigt, wäre die Geschichte für IBM womöglich anders verlaufen (What if… Szenarien sind halt wahnsinnig beliebt, auch bei uns…). Jedoch entwickelte IBM zu dieser Zeit den Datamaster, einen Computer für Geschäftsleute, der auf dem Intel Prozessor aufbaute. Für diesen Zweck hatte das Unternehmen einen erheblichen Vorrat an Prozessoren und ICs bestellt und der Vorstand wollte nicht auf einem Berg von Prozessoren sitzen und abschreiben müssen. Somit gab es vom Vorstand die Verfügung diese Komponenten zu nutzen. Da es nun nicht mehr möglich war AIX als Betriebssystem zu setzen, war nun ein anderes Betriebssystem vonnöten. IBM wandte sich daher der kleinen, eher unbekannten Firma Microsoft zu, die sich bis dahin einen guten Ruf für ihr BASIC erarbeitet hatten.
Allerdings besaß Microsoft zu dieser Zeit kein Betriebssystem und Bill Gates selbst schickte IBM zu Digital Research, die zuvor bereits CP/M entwickelt hatten. Als die Unterhändler bei Digital Research eintrafen war der Präsident Gary Kildall des Unternehmens allerdings nicht zugegen und man versuchte mit der Ehefrau Dorothy Kildall schon vorausgehende Verhandlungen einzuleiten. Zu diesem Zwecke legten sie Dorothy eine Geheimhaltungserklärung vor, die bei Geschäften dieser Art durchaus üblich ist und lediglich versichert, dass beide Parteien nicht über die Kaufabsichten einer Partei Informationen preisgibt. Zusätzlich sollte das Papier die Verhandlungen auf einen späteren Zeitpunkt festsetzen, doch Dorothy wollte nichts unterschreiben, bevor ihr Mann wieder zugegen war. Die Unterhändler des mächtigen Konzerns warteten etliche Stunden, bis sie endgültig Digital Research verließen. Die Zukunft von Digital Research wäre sicherlich bis heute gesichert gewesen. Ob daraus jemals ein Eheproblem geworden ist, ist nicht überliefert…

Microsoft selbst kaufte sich schlussendlich QDOS von Seattle Computer Products und variierte es so weit, um es an den IBM PC anzupassen. MS-DOS konnte nun CP/M-Programme starten und verwenden, CP/M jedoch konnte keine Programme für MS-DOS nutzen. Erst nach der Veröffentlichung des IBM PCs erkannte IBM, dass sie eine CP/M-Variante lizensiert hatten und zahlten dem eigentlichen Hersteller Digital Research 800.000$ für den Verzicht auf Forderungen. MS-DOS selbst war für IBM ein schwerer Happen: das Betriebssystem war der Konkurrenz hoffnungslos unterlegen und selbst der Prozessorhersteller Intel kam zu einem vernichtenden Urteil über das OS. Obwohl es das schwächste Glied in der Kette war, konnte es den Siegeszug des Systems nichts aufhalten. Die Idee der offenen Architektur und das Innenleben sorgten für einen Ausgleich.

Zudem spielte der Ruf von IBM eine nicht zu unterschätzende Rolle. Im Gegensatz zu den Konkurrenten war das Unternehmen weltweit bekannt und geschätzt und die Kunden warteten auf einen Rechner seitens IBMs, dessen Preis sie überzeugen könnte das Gerät sofort zu Hause aufzustellen.
Für damalige Zeiten bedeutete ein IBM Computer für knapp 3000$ (heute inflationsbereinigt etwa 9.765 €) ein echtes Schnäppchen zu sein und das Unternehmen bot dem Kunden dafür auch einiges. Allerdings bedeutete dies nicht, dass der Preis, im Gegensatz zu anderen Computern jener Zeit, markttauglich gewesen ist, denn die Konkurrenz war erheblich billiger. Das Standard Modell PC 5150 konnte mit zwei verschiedenen Grafikkarten und Monitoren geordert werden: für farbige Grafiken stand eine CGA-Grafikkarte, samt Monitor zur Verfügung, die dem Anwender vier Farben zur Verfügung stellte. Optional war auch eine MDA (Monochrome Display Adapter) -Karte mit zugehörigem Monitor verfügbar. Ganz Verwegene und gut betuchte Enthusiasten konnten natürlich auch beide Grafikkarten, sowie die passenden Monitore kaufen und nutzen, sofern das genutzte Programm dies ermöglichte. So nutzte beispielsweise Lotus 1-2-3 die CGA-Karte zur Darstellung von Grafiken, während der monochrome Monitor den Text lieferte. Es konnte jedoch auch sein, dass der Besitzer eines CGA-IBM-PCs gratis den MDA-Adapter erhielt, da IBM den Drucker Port auf derselben Karte anbot.

Zur Zeit des Ur-PCs war Massenspeicher, besonders in Form von Festplatten, teuer, daher erklärt es sich von selbst, dass die ersten Modelle hauptsächlich mit Diskettenlaufwerken betrieben wurden. IBM hatte auch einen Kassettenrekorder Anschluss zur Speicherung von Daten auf Kassette implementiert. So konnte auf kostengünstige Art Massenspeicher zur Verfügung gestellt werden. Davon wurde jedoch wenig gebraucht gemacht, setzten sich die Laufwerke für Schwabbeldisketten schnell durch. Dennoch hätte es die Möglichkeit gegeben, das System ohne Laufwerk zu kaufen und zu betreiben, wobei dann Datasetten als Massenspeicher fungiert hätten. Schwieriger war jedoch der Betrieb einer Festplatte im 5150. Dies lag nicht an der Technik oder Platz, der durchaus vorhanden war. Vielmehr war das Netzteil dem Strombedarf nicht mehr gewachsen und musste durch ein leistungsstärkeres Netzteil ausgetauscht werden. Mit dem Einsatz einer externen Festplatte konnte dieses Problem jedoch umgangen werden. Hierfür lieferte IBM selbst das IBM 5161 Expansion Chassis mit einem eigenen Netzteil, dass bereits mit einer 10 Mbyte Festplatte ausgeliefert wurde und eine zusätzliche Festplatte aufnehmen konnte.

Zur Erweiterung des Systems standen fünf Steckkartenplätze zur Verfügung, mit dem Expansion Chassis sogar 12. Allerdings musste dann ein Steckplatz für eine Expansionskarte verwendet werden, die den Zugriff auf das IBM 5161 erlaubte. Zumeist waren mehrere Steckplätze bereits verbaut, da der PC modular aufgebaut war und die meisten Zusätze nicht auf dem Mainboard vorhanden waren, abgesehen von dem Tastatur- und Kassettenrekorder Anschluss. Dem Standard IBM PC Anwender standen maximal 256 KByte Speicher zur Verfügung. 64 KByte waren dabei direkt auf dem Motherboard untergebracht, drei weitere Bänke standen auf Erweiterungskarten zur Verfügung. Als Prozessor kam, wie bereits erwähnt, ein Intel 8088 zum Einsatz. Ab 1983 werkelten aber auch AMD Prozessoren vermehrt als Computerherz. Getaktet wurde der Prozessor mit 4,77 MHz, was 4/3 des Taktes der amerikanischen Fernsehnorm NTSC entsprach (3,579 MHz). Findige Bastler ersetzten diesen durch einen NEC V20-Prozessor, der die Geschwindigkeit des Systems leicht anhob. Eine Leistungssteigerung war ebenfalls zu spüren, wenn ein Intel 8087-Coprozessor installiert wurde. Dieser beschleunigte arithmetische Berechnungen deutlich.

Zu Beginn existierten zwei Varianten im Verkauf, die sich in der Speichergröße unterschieden (16 KByte oder 64 KByte), wobei spätere PCs eher dem IBM XT ähnelten. Jedoch war der Einstiegspreis des Systems deutlich zu hoch, auch wenn 64 KByte RAM, ein 5,25" Floppy Laufwerk und ein Monitor im Preis enthalten waren. Fast um die Hälfte (1565$) günstiger wurde das System, wenn der Anwender auf Laufwerke und Monitor verzichtete und sich mit 16 KByte Speicher zufriedengab (der PC konnte dann an einem Fernseher betrieben werden), allerdings waren das wohl die Wenigsten.
Der IBM PC 5150 war für das Unternehmen kein Topseller, aber seine Entstehung sicherte den Fortbestand bis in die heutige Zeit. Noch viele Merkmale des Ur-PCs sind in den heutigen Modellen vorhanden, beispielsweise die Abwärtskompatibilität (lange Zeit mussten Programme auch Generationen später zum Ur-PC kompatibel sein!) Dies lag jedoch weniger an IBM selbst, sondern vielmehr an der Lizenz Politik, Microsoft und der offenen Systemarchitektur, die es ermöglichten, dass schon wenige Monate später zahlreiche Nachbauten dem System alle Türen öffnete und IBM als Entwickler leer ausging. Nur ein Unternehmen konnte daraus profitieren. Dank des Deals mit IBM wurde Microsoft eines der mächtigsten Unternehmen aller Zeiten.

Veröffentlicht in Systeme.

3 Kommentare

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