ICL One Per Desk (1981)

ICL One Per Desk (1981)

one per desk

By Logg Tandy, CC BY 4.0

Der ICL One Per Desk (OPD) wurde 1984 in Großbritannien als visionäres Hybrid aus Personal Computer und Telefonterminal vorgestellt. Sein Name war Programm: Jedem Büroangestellten sollte so ein Gerät „One Per Desk“ zur Verfügung stehen – ein ehrgeiziger Anspruch, der die damalige Computervision von ICL widerspiegelte. Tatsächlich ging die Entwicklung bereits 1981 aus einer Kooperation zwischen International Computers Limited (ICL), Sinclair Research und British Telecom hervor. Ursprünglich plante man sogar, Sinclairs neuartige Flachbildschirm-Technologie zu verbauen. In einer ICL-Pressemitteilung von 1982 hieß es: „Im Dezember 1981 kündigte ICL an, gemeinsam mit Sinclair Research eine ultraniedrigpreisige integrierte Terminal-/Digitaltelefon-Arbeitsstation zu entwickeln, die Sinclairs Flach-Bildschirm-Technologie und Sinclair BASIC einsetzen sollte. Damals wurde sie unter dem Namen ‘One Per Desk IT Work Station’ getauft.“ Die Vision eines kompakten Computertelefons blieb – der Flachbildschirm hingegen erwies sich als unreif und wurde verworfen. So erschien der OPD 1984 mit konventionellem Monitor, aber immer noch vollgepackt mit innovativen Ideen für den Geschäftsalltag.

Der One Per Desk basiert technisch auf dem Heimcomputer Sinclair QL, dessen Kernkomponenten er übernimmt. Im Herzen arbeitet ein Motorola 68008 Mikroprozessor – ein 32-Bit-Prozessor mit 8-Bit-Datenbus – derselbe wie im QL, getaktet mit etwa 7,5 MHz. Er kann mehrere Programme quasi gleichzeitig ausführen, was perfekt zum hektischen Alltag eines Managers passen sollte. Dem Prozessor standen anfangs 128 KB RAM zur Seite, von denen 32 KB für die Bilddarstellung reserviert waren. Zusätzlich verfügte der OPD über 2 KB batteriegepuffertes CMOS-RAM für Konfigurationen und Kurzwahlverzeichnisse – so blieben Einstellungen auch im Dauerbetrieb erhalten. Das Gerät war auf langfristigen 24/7-Einsatz ausgelegt und verzichtete bewusst auf einen Netzschalter; stattdessen war es permanent betriebsbereit, um Anrufe entgegenzunehmen. Die Stromversorgung und Bildsteuerung waren ins separate Monitor-Modul ausgelagert, wodurch das Hauptgerät lüfterlos und kompakt bleiben konnte.

Auf dem Schreibtisch präsentierte sich der OPD als zweiteiliges System: Tastatur-/Basiseinheit und Monitor waren verbunden durch ein einziges Kabel für Strom und Signal. In der Basiseinheit steckte auch ein handelsüblicher Telefonhörer (ein modifizierter BT-Sceptre-Apparat) seitlich im Gehäuse. Daneben fanden sich an der Vorderseite zwei Microdrive-Laufwerke – winzige bandbasierte Speicherkassetten, die Sinclair entwickelt hatte. Diese Kassetten fassten typischerweise um 100 KB und dienten als Wechselmedium. ICL überarbeitete die Mechanik der Microdrives, um die berüchtigten Zuverlässigkeitsprobleme des QL zu entschärfen. Dennoch blieb der bandbasierte Massenspeicher eine Schwachstelle: Schon zeitgenössische Berichte urteilten, die Microdrive-Technik „überschatte das OPD-Konzept“ negativ. Für datenintensive Anwendungen waren später externe 3,5″-Diskettenlaufwerke von Drittherstellern erhältlich – eine wichtige Ergänzung, denn standardmäßig bot das OPD-System ab Werk keine Diskettenlaufwerke.

Die übrige Anschlusspalette fiel minimalistisch aus. An der Rückseite befand sich ein spezieller RS432-Anschluss für Drucker – ICL bot etwa einen Okimate-Drucker an – der elektrisch dem RS423/RS232-Standard ähnelte. Zwei Buchsen für Telefonleitungen ragten aus dem Telephonie-Modul, um das integrierte Modem mit dem öffentlichen Netz zu verbinden. Über optionale Erweiterungen ließ sich die Konnektivität ausbauen: So gab es z. B. ein „Data Communications Adapter“ von British Telecom, um einen seriellen Port nachzurüsten und den OPD als Terminal an Großrechner anzubinden. Ebenso entwickelte ICL ein Asynchronous Comms Unit (ACU) für höhere Übertragungsraten bis 19200 bps, das am ROM-Modul-Port angeschlossen wurde. Diese professionelle Erweiterbarkeit zeigt, dass das OPD weniger Heimcomputer sein wollte, sondern ein Büro-Arbeitstier mit Kommunikationsfokus.

Die wohl auffälligste Eigenschaft des One Per Desk ist die tiefe Integration von Telefonie und Computerfunktionen. Das eingebaute Modem beherrschte Mehrfachstandards: u. a. V.21/V.23 (1200/75 Baud für Bildschirmtext/Videotex), 1200/1200 Baud (Halbduplex) und sogar klassisches 300 Baud Vollduplex. Bemerkenswert war die Fähigkeit, zwei Telefonleitungen gleichzeitig zu managen – beispielsweise eine Sprachleitung und eine Datenverbindung parallel. Mit speziellen Telefontasten auf der Tastatur konnte der Nutzer Anrufe auf Halten legen, zwischen Leitungen umschalten, per Knopfdruck Wahlwiederholung nutzen oder ein Gespräch auf Freisprechen bzw. den Lautsprecher legen. Eine HOLD-Taste parkte ein Gespräch, während man auf der zweiten Leitung tätig war – geradezu futuristisch für 1984. Zudem besaß der OPD einen hardwareseitigen Sprachsynthesizer (Texas Instruments TMS5220), der für eine integrierte Anrufbeantworter-Funktion genutzt wurde. Im Abwesenheitsmodus konnten vorgefertigte Ansagetexte automatisch über die Leitung abgespielt und eingehende Nachrichten aufgezeichnet werden – das Gerät „plauderte“ also mit Anrufern, wenn der Besitzer nicht am Platz war. Diese Voice-Mail-ähnliche Funktionalität war ihrer Zeit weit voraus und machte das OPD zu mehr als einem simplen Computer: eher zu einer zentralen Schaltstelle für Kommunikation im Büro.

Das Videodisplay des One Per Desk stammte technisch vom Sinclair QL und bot entsprechend für die Zeit passable, wenn auch nicht überragende Grafik. Die maximale Bildschirmauflösung betrug 512 × 256 Pixel, und dabei konnten 4 Farben gleichzeitig dargestellt werden. Alternativ ließ sich eine niedrigere Auflösung von 256 × 256 Pixel nutzen, bei der bis zu 8 Farben aktiv waren. Ein Clou aus der Sinclair-Welt war dabei weiterhin verfügbar: blinkende Grafikattribute, mit denen man Pixel zum Flackern bringen konnte. Text wurde üblicherweise in einem 80×24-Zeichen-Raster dargestellt. Zwei Statuszeilen am unteren Bildschirmrand informierten über Systemmeldungen, Anrufstatus und aktive Tasks. Diese Statuszeilen waren notwendig, da das OPD mehrere Vorgänge simultan handhaben konnte und der Benutzer stets den Überblick über laufende Prozesse behalten musste.

Die Standard-Anzeige erfolgte an einem mitgelieferten 9-Zoll-Monochrommonitor oder optional an einem 14-Zoll-Farbmonitor – beide enthielten das Netzteil für die Basiseinheit. Der Preis für die monochrome Variante lag bei etwa £1.195 plus VAT und für die Farbversion bei £1.625 plus VAT. Inklusive Steuern entsprach das etwa £1.370 bzw. £1.870 Anfang 1985 – umgerechnet etwa 6.000 bis 7.000 € in heutiger Kaufkraft. Damit war das One Per Desk um ein Vielfaches teurer als Heimcomputer jener Zeit und selbst teurer als viele IBM-kompatible PCs.

Anders als der Sinclair QL, der mit QDOS ein recht offenes Betriebssystem bot, setzte ICL beim OPD auf ein fest im ROM verankertes System namens BFS („Basic Functional Software”). Dieses Firmware-basierte OS war menügesteuert und auf einfache Bedienung ausgelegt. Die BFS-Firmware ermöglichte echtes Multitasking: Über spezielle Tasten – START, RESUME, REVIEW – konnte der Nutzer zwischen mehreren gleichzeitig aktiven Anwendungen hin- und herwechseln. Im Hintergrund sorgte ein Kernel für Speicher- und Geräteverwaltung, während ein Director-Modul die laufenden Tasks koordinierte. Das BFS-System integrierte zudem einen Telefon-Manager, elektronische Telefonbücher, Tools für Anrufbeantwortung sowie Datenfernübertragung. Für produktive Anwendungen setzte ICL auf steckbare ROM-Module, die zusätzliche Software enthalten konnten. Besonders bedeutend war das Psion Xchange-Softwarepaket: eine Suite aus Textverarbeitung, Tabelle, Datenbank und Business-Grafik, die schon beim Sinclair QL beliebt war. ICL bot Xchange als vorinstalliertes ROM-Modul an – fünf ROM-Chips mit zusammen ~256 KB, auf Wunsch auch in einer 1 MBit-Variante. Für £130 Aufpreis erhielt man so ein sofort nutzbares Office-Paket. Trotz QL-Verwandtschaft war die Kompatibilität zu normaler QL-Software begrenzt.

Zum Marktstart erhielt ICL beachtliche Großaufträge. British Telecom bestellte 1.500 Geräte im Wert von £4,5 Mio., und Telecom Australia investierte rund £8 Mio. in das System. Innerhalb der ersten neun Monate nach Verfügbarkeit soll ICL Verträge über insgesamt $42 Mio. für OPD-Lieferungen abgeschlossen haben – vor allem mit den Telefongesellschaften in Großbritannien, Australien, Hongkong und Neuseeland. In einem internen Bericht lobte ICL selbstbewusst den eigenen Innovationsgeist: „Wenn es je ein Projekt gab, das den Wert von Teamarbeit und des ICL-Weges gezeigt hat, dann war es der One Per Desk. Andy Roberts und das OPD-Team haben ebenfalls viel Lob erhalten …“ Diese Selbsteinschätzung verrät den Stolz des Unternehmens auf die technische und organisatorische Leistung hinter dem Projekt. Tatsächlich galt der OPD bei ICL als Musterbeispiel für Innovationskraft „made in Britain“.

Trotz innovativer Konzepte blieb das OPD ein Nischenprodukt. Der freie Markt nahm es verhalten auf, doch es fand clevere Anwendungen in Branchen wie dem Bingo-Netzwerk, bei Behörden oder in Autohäusern in Australien. Der technische Anspruch war hoch, aber die Kosten ebenso. ICLs Führungskräfte sahen darin jedoch ein Aushängeschild britischer Ingenieurskunst – ein Symbol, dass das Unternehmen an der Spitze technologischer Entwicklung stehen konnte. Robb Wilmot, damals CEO von ICL, äußerte später, der OPD sei für ihn „ein Wegweiser der Zukunft – der Beweis, dass Kommunikation und Rechnen zusammengehören“.

Diese Sichtweise trifft den Kern: Der OPD war kein gescheitertes Produkt, sondern ein visionäres Experiment, das die Verbindung von Telefonie, Datenverarbeitung und Software vorwegnahm – Jahrzehnte, bevor Smartphones dieselbe Idee verwirklichten.

 

Shadow Skimmer – 1987 by The Edge

Shadow Skimmer – 1987 by The Edge

cda7c78c ba56 4ce1 9855 de6f3180df53Im Jahr 1987 schickte The Edge die Spieler mit Shadow Skimmer auf einen Trip, den wohl nur die Achtziger so hervorbringen konnten: Eine Mischung aus technisch beeindruckendem 8-Bit-Shader und klassischem Labyrinth-Shooter, angesiedelt in deinem eigenen Raumschiff. „Doch diesmal kämpfen Sie gegen das gefährlichste Raumschiff im Universum: Ihr eigenes!“ witzelte damals eine Zeitschrift – und traf damit den Kern des Spiels. Als namenloser Zweiter Offizier strandet man während einer Routineinspektion mit einem Gleiter, dem namensgebenden Shadow Skimmer, im Inneren des riesigen Mutterschiffs. Die Bord-KI spielt verrückt und behandelt einen prompt als Eindringling. Türen verriegeln sich, Lasergeschütze fahren aus – kurzum: Die eigene Schiffstechnologie wird zum Endgegner. Was für ein Szenario! Diese kreative Prämisse hob Shadow Skimmer wohltuend von der Masse generischer Weltraumballereien ab und sorgte bereits in der Vorschauphase für Aufsehen. Pressemitteilungen warben mit dem ungewöhnlichen Twist, und findige Redakteure spendierten markige Zeilen wie „Ihr Raumschiff kennt keine Gnade – entkommen Sie, wenn Sie können!“.

Technisch reizte Shadow Skimmer die Heimcomputer seiner Zeit ordentlich aus. Besonders auf dem ZX Spectrum, wo sanftes Scrolling sonst eher Mangelware war, erregte das Spiel Staunen. „Shadow Skimmer ist das flüssigst scrollende und farblich sauberste Spiel, das man auf dem Spectrum je gesehen hat“, jubelte der Your Sinclair-Tester beeindruckt über die farbenfrohe, praktisch flimmerfreie Grafikpracht. Tatsächlich gelang Programmierer John B. Marshall das Kunststück, einen Multi-Directional-Scroller auf dem Spectrum fast ohne Color-Clash umzusetzen – ein gehöriges Prestige in der 48K-Klasse. Die Spectrum-Version lief in drei großen, frei scrollenden Arealen erstaunlich flüssig, mit flackerfreien Sprites und einem sternenübersäten Hintergrund, der das Gefühl vermittelte, mit hoher Geschwindigkeit durch verwinkelte Tech-Korridore zu gleiten. Auch auf dem Amstrad CPC überzeugten die kräftigen Farben; dort wirkte das Spiel durch die CPC-Palette sogar noch bunter, wenngleich ein klein wenig langsamer in der Bewegung. Und die Commodore-64-Umsetzung? Die spielte ihren Hardware-Vorteil souverän aus: butterweiches Scrolling in alle Richtungen und ein druckvoller Soundtrack aus der SID-Chip-Schmiede. Neil Baldwin, der hier unter seinem Spitznamen “Demon” debütierte, steuerte auf dem C64 einen funky SID-Soundtrack bei, der heute noch gern von Fans remixt wird. Ergänzt wurden die Melodien von ein paar wummernden Soundeffekten aus der Hand von David Whittaker, der als einer der produktivsten Spielekomponisten der Ära bekannt war (sein Name taucht in den Credits von Shadow of the Beast bis Lazy Jones überall auf). Zwar musste man auf dem Spectrum mangels 128k-Unterstützung mit einfachem Pieps-Sound vorliebnehmen – dort gab es lediglich Intro-Gedudel – doch insgesamt galt Shadow Skimmer auf allen drei Plattformen technisch als kleines Schmankerl. Kein Wunder, dass Sinclair User dem Specci-Skimmer sogar das Prädikat „Klassiker“ verlieh und die Konkurrenz neidisch auf die Programmierkünste schielte.

Inhaltlich spielte sich Shadow Skimmer aus der Top-Down-Perspektive. Der Clou: Man steuerte den Shadow-Skimmer-Gleiter auf der Außenhülle des labyrinthartigen Schiffsrumpfs entlang. Jeder der drei Level war ein verzweigtes Labyrinth voller enger Durchgänge, Energieschranken und patrouillierender Sicherheitsdrohnen. Die Aufgabe: Finde den Ausgang – ein rettender Wartungsschacht – um in den nächsten Abschnitt zu gelangen. Natürlich hatte das Schiff etwas dagegen: Laserkanonen schossen aus Wandnischen, autonome Abfangjäger nahmen die Verfolgung auf, und Kraftfelder versperrten ganze Gänge. Der Spieler musste zunächst in jeder Zone ein verstecktes Energiekraftwerk zerstören, um die Hauptsicherung lahmzulegen – erst dann öffnete sich der versperrte Ausgang. Hier zeigte sich Shadow Skimmer als eher puzzlelastiges Shoot ’em up: Es galt, erst die richtige Route durchs Labyrinth zu tüfteln und den verborgenen Reaktor zu finden, bevor man fliehen konnte. Mit bloßem Durchballern war es nicht getan – im Gegenteil, blinde Zerstörungswut wurde sogar bestraft. Für Gesprächsstoff sorgte damals ein besonderes Spielelement: Feindliche Dronen konnte man zwar abschießen, aber an ihrer Stelle erschien augenblicklich ein unzerstörbarer Generator, der neue Gegner produzierte! Dieser perfide Mechanismus zwang dazu, sich genau zu überlegen, wann man schießt. Überall lauerten solche fiesen Design-Entscheidungen, die dem sonst klassischen Labyrinth-Shooter einen strategischen Anstrich gaben.

Eine weitere Besonderheit war der Flip-Mechanismus des Gleiters. Per Tastendruck konnte man den Shadow Skimmer um 180 Grad drehen und auf dem Rücken fliegen lassen. Dieser Trick war nötig, um gewisse Hindernisse zu passieren – etwa niedrige Tunnel oder Sperren, die den normalen Gleiter rammen würden. In der Praxis fühlte es sich an, als ob man zwischen zwei Ebenen der Spielwelt wechselt: oben Gleiter aktiv, unten Gleiter umgedreht. Allerdings konnte man geflippt weder feuern noch sich verteidigen. Diese Idee klang spannender, als sie letztlich war, denn oft bedeutete der Flip vor allem Verletzbarkeit: „Trotz flüssigem Scrolling und toller Grafik ist Shadow Skimmer letztlich kaum mehr als ein Labyrinth-Spiel“, monierte Commodore User spitz, „und das groß angekündigte Flip-Gimmick macht’s auch nicht aufregender.“ Tatsächlich blieb der Nutzen der Rückenlage etwas unterentwickelt – außer zum Durchqueren einiger Hindernisse hatte sie kaum spielerischen Mehrwert, was manchen Kritikern als vertane Chance galt. Hier merkt man, dass Shadow Skimmer vielleicht größere Pläne hatte, die nicht ganz ausgereizt wurden. Aus Entwicklerkreisen war später zu hören, dass ursprünglich mehr Level und Fallen geplant waren – so sollte es Gerüchten zufolge einen vierten Abschnitt tief im Reaktorkern geben, eventuell sogar mit einem Endgegner, der es aber nie ins Spiel schaffte. Speicherplatz und Zeitdruck setzten dem ambitionierten Design offenbar Grenzen. Trotzdem muss man den Mut zur Innovation loben: Das Gleiter-Flippen und der Mechanismus der unzerstörbaren Generatoren zwangen den Spieler, anders vorzugehen als in üblichen Ballerspielen. Dieses Strategie-Element polarisierte zwar – Power Play etwa bemängelte, das Spielgefühl leide unter dem ständigen Ausweichen und Warten – doch in der Retrospektive sorgt genau diese Eigenheit für einen nostalgischen Charme. Man erinnert sich an Shadow Skimmer eben nicht als simples Dauerfeuer-Shoot’em up, sondern als etwas eigensinniges Hybrid-Game.

Auch plattformübergreifend bot Shadow Skimmer reichlich Gesprächsstoff. Die ZX-Spectrum-Version war – ungewöhnlich genug – wohl die am besten bewertete. Dank der erwähnten technischen Brillanz und trotz lediglich zweier Farben pro Sprite (clever gewählt, um Farbüberlauf zu vermeiden) zog sie das britische Speccy-Publikum in ihren Bann. Your Sinclair vergab 8/10 Punkte, Sinclair User feierte es gar mit Lobeshymnen. Auf dem Commodore 64 hingegen schlug die Euphorie schnell in Skepsis um. Dort war man von butterweichen Scrolling-Shootern à la Paradroid oder Crafton & Xunk bereits verwöhnt – da musste Shadow Skimmer spielerisch mehr bieten, um zu glänzen. Das tat es leider nicht ganz. So vergab Zzap!64 nur maue 57 % und urteilte sinngemäß, dass unter der hübschen Haube zu wenig neue Ideen stecken. Die C64-Fassung bestach zwar audiovisuell – Neil Baldwins SID-Soundtrack mit dem eingängigen Titelthema wurde lobend hervorgehoben –, aber das Maze-Konzept erschien 1987 auf dem Brotkasten vielen bereits etwas angestaubt. Und wie schlug sich die Amstrad-CPC-Version? Die französischen und britischen CPC-Magazine zeigten sich geteilt. Während man die knackigen Mode-0-Grafiken (16 Farben gleichzeitig!) positiv registrierte, rümpfte mancher Tester die Nase über die zähe Steuerung. Amstrad Action zog am Ende mit nur 58 % Gesamtwertung vom Platz – also ähnlich reserviert wie die C64-Kollegen.

Im Kern spielten sich jedoch alle 8-Bit-Versionen sehr ähnlich, da sie auf dem gleichen Grunddesign beruhten. Erwähnenswert: Die Entwicklungsarbeiten wurden bei The Edge wohl parallel verteilt. John B. Marshall entwarf das Konzept und war hauptverantwortlich für die Spectrum-Variante (laut Credits „Game Concept“ – er hatte zuvor schon mit Titeln wie Elidon für den CPC Erfahrungen gesammelt). Jack Wilkes, der Grafiker des Teams, steuerte die Optik bei – er sollte später vor allem durch Comic-Umsetzungen wie Garfield: Big, Fat, Hairy Deal (1988) und Snoopy (1989) bekannt werden, wo seine detailreichen Pixelkunstwerke die Comicfans begeisterten. Die C64-Umsetzung programmierte Martin „Mat“ Sneap, ein junger Coder, der zuvor am skurrilen Prügelspiel Knuckle Busters (1986) mitgearbeitet hatte. Sneap passte Marshalls Konzept an den Commodore an und integrierte den SID-Sound. Fun Fact am Rande: Shadow Skimmer war Neil Baldwins erster veröffentlichter Game-Soundtrack – der Beginn einer beachtlichen Karriere, die ihn später als Komponist für zahlreiche NES-Spiele (darunter Ferrari Grand Prix Challenge und Hero Quest) bekannt machen sollte. Baldwin selbst erinnerte sich in Interviews schmunzelnd daran, wie er 1987 unter dem Pseudonym „Demon“ den Job bekam: Er hatte ein Demotune namens „Demon’s First“ vorgelegt, das The Edge so überzeugte, dass man ihm prompt die Musik für Shadow Skimmer übertrug. Nicht schlecht für den Einstieg!

Trotz aller Vorschusslorbeeren offenbarte sich im Langzeittest aber, dass Shadow Skimmer nicht jedem schmeckte. Spielerisch war es eben mehr Labyrinth als Action – eine Designentscheidung, die zwar originell war, aber nicht zur Geduld eines jeden passte. Einige Magazine lobten den Nervenkitzel, mit begrenzten Schilden (drei Treffer und der Ofen ist aus) durch verwinkelte Korridore zu schleichen und zu überlegen, ob man einen Verfolger abschießt oder ihn lieber in eine Sackgasse lockt. Andere empfanden genau das als zäh. „Trotz seiner flüssigen Scrolling-Effekte ist Shadow Skimmer letztlich kaum mehr als ein Labyrinth-Spiel“, merkte Commodore User sarkastisch an. Und tatsächlich: Hat man den optimalen Pfad gefunden, sind die drei Levels recht schnell durchgespielt – Shadow Skimmer bot erfahrenen Action-Veteranen wenig Anreiz für wochenlange Beschäftigung.

Die Verkaufszahlen spiegelten dieses durchwachsene Echo wider. Konkrete Stückzahlen sind heute schwer aufzutreiben, aber The Edge sah sich bereits Ende 1987 veranlasst, den Titel günstiger neu aufzulegen. In Großbritannien erschien er wenig später auf dem Budget-Label The Micro Selection für nur £ 2,99 – ein Zeichen dafür, dass der große kommerzielle Wurf ausblieb. International hingegen kam Shadow Skimmer unterschiedlich an: In Spanien vertrieb Erbe Software eine lokalisierte Fassung („Shadow Skimmer“ wurde dort mit einem bunten Cover beworben, das einen Gleiter vor Sci-Fi-Kulisse zeigt), und in Deutschland war das Spiel zumindest in den Charts kurz vertreten. ASM führte die Spectrum-Version im Januar ’88 als „ASM-Hit“ mit guter Wertung, was zeigt, dass man hierzulande durchaus Gefallen am Konzept fand – zumal der Spectrum in Deutschland ein Exot war und technische Highlights dort gern hervorgehoben wurden. Auf dem C64 schaffte es Shadow Skimmer dagegen nur für kurze Zeit in die Mittelfeld-Ränge der Verkaufshitparaden, bevor es von populäreren Actiontiteln überholt wurde. Angesichts dieser durchwachsenen Resonanz ist es wenig überraschend, dass geplante Erweiterungen oder ein möglicher Nachfolger nie das Licht der Welt erblickten. Es gab wohl Ideen für ein Shadow Skimmer 2 mit neuen Gleiter-Modellen und größeren Schiffsumgebungen, doch nach 1988 verlor The Edge das Interesse – man konzentrierte sich lieber auf lizenzträchtige Projekte wie Garfield oder Innovationen auf 16-Bit-Systemen.

Aus heutiger Sicht haftet Shadow Skimmer jener undergroundige Retro-Charme an, wie ihn nur die späten Achtziger hervorbringen konnten. Das Spiel ist kein unumstrittener Klassiker – dafür spalten sich die Meinungen zu sehr. Doch gerade diese Kontroversen machen den Reiz eines Wiederbesuchs aus: Einerseits genießt man die verblüffend flüssige Grafik und den coolen Sound (wer einmal den eingängigen Titeltrack gehört hat, wird einen SID-Ohrwurm davontragen). Andererseits merkt man auch die Limits: die etwas sterile Umgebung, den Mangel an Abwechslung nach Level 3 und die Tatsache, dass man im letzten Abschnitt eben keinen großen Endkampf hat, sondern „nur“ wieder durch ein Tor entschwindet. Retro Gamer würde wohl augenzwinkernd urteilen: Shadow Skimmer ist ein Produkt seiner Zeit – voller Ideen, aber auch ein bisschen fragmentarisch. Gerade das macht aber den nostalgischen Reiz aus. Man fühlt sich zurückversetzt in die Ära, als Entwickler mit Minimal-Hardware Maximales versuchten und dabei kreative Wege gingen, um Spieler zu überraschen.

Abschließend darf natürlich ein Blick auf die harten Zahlen nicht fehlen – damals wie heute ein Lieblingsthema der Branchenbeobachter. Shadow Skimmer wurde 1987 zum üblichen Vollpreis veröffentlicht. In Großbritannien lagen die empfohlenen Ladenpreise bei etwa £ 7,95 für die Kassettenversion und £ 12,95 für die Diskette. In Deutschland entsprach das rund 30 DM (Kassette) bzw. 50 DM (Disk)** – gängige Preise für Top-Titel jener Zeit. Rechnet man die Inflation bis heute mit ein, wirken diese Beträge allerdings deutlich stattlicher: Rund 60 DM (also etwa 30 €) müsste man heute für die Tape-Version hinblättern, und eine Diskette käme inflationsbereinigt auf ca. 100 DM – umgerechnet gut 50 €. Mit anderen Worten: Shadow Skimmer war kein Schnäppchen, sondern ein vollwertiger Premium-Release der Ära, der preislich mit Genre-Kollegen wie R-Type oder Gauntlet gleichzog. Dass The Edge den Titel binnen eines Jahres als Budget-Version für 15 bis 20 Mark verramschte, spricht Bände – der Markt hatte gesprochen. Ironischerweise sorgen gerade diese alten Preise heute für Schmunzeln: Wer damals 30 Mark investierte, hält nun vielleicht die verblasste Kassette in Händen und denkt sich, dass jeder Cent es wert war für die Stunden an Frust und Freude. Denn so ist es doch mit vielen Spielen jener Zeit: Was Shadow Skimmer an Spielumfang fehlte, machte es durch Persönlichkeit wett.

Heute zählt Shadow Skimmer zu den liebenswerten Kuriositäten der 8-Bit-Ära. In Retro-Gamer-Kreisen wird es gerne als Geheimtipp für den ZX Spectrum gehandelt – als Spiel, das zeigte, was auf der Kiste möglich war, „so elegant programmiert, dass man glauben könnte, auf einer 16-Bit-Maschine zu spielen“, wie ein begeisterter Fan rückblickend meinte. C64-Veteranen erinnern sich vor allem an die Musik und daran, dass der Titel seinerzeit in so mancher Disketten-Kopiersammlung schlummerte (häufig zwischen anderen Edge-Spielen wie Warlock oder Bobby Bearing zu finden). Auf dem Amstrad CPC wiederum gehört Shadow Skimmer zu jenen Ports, die man mal antestet, um die farbenfrohe Grafik zu bewundern – und dann eventuell zu etwas Dynamischerem weiterzieht. Doch egal auf welcher Plattform: Der ironisch-nostalgische Ton, in dem wir heute darüber sprechen, wäre ohne die Pionierarbeit seiner Macher nicht möglich. John B. Marshall und Jack Wilkes haben mit ihrem Team ein Spiel geschaffen, das vielleicht nicht in jeder Hinsicht glänzte, aber mutig Neues versuchte. Und alleine dafür gebührt Shadow Skimmer ein Platz im Pantheon der Retro-Erinnerungen. In einer Zeit, als wir gegen Aliens kämpften, kämpfte Shadow Skimmer gegen etwas viel Interessanteres – nämlich gegen uns selbst, beziehungsweise unsere eigenen Schiffe und Erwartungen.

 

Commodore LCD

Commodore LCD – Ein Bildschirm, der niemals flimmerte

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Picture is taken from: https://www.c64-wiki.de/wiki/Datei:CLCD_top.png

Der Commodore LCD, häufig auch als CBM LCD bezeichnet, war Commodores ehrgeiziger Versuch, Mitte der 1980er Jahre in den entstehenden Markt der tragbaren Computer vorzudringen – ein Projekt, das technisch vielversprechend begann, aber nie über den Prototypenstatus hinauskam. Vorgestellt wurde das Gerät auf der Winter Consumer Electronics Show im Januar 1985, wo Commodore es als „tragbaren Computer für Profis“ anpries – kompakt, batteriebetrieben und ausgestattet mit einer Vielzahl integrierter Anwendungen. Der graue Klapprechner mit dem aufklappbaren LCD-Display wirkte futuristisch, fast wie ein Vorgriff auf die Notebooks, die erst Jahre später die Bürowelt erobern sollten.

Im Inneren arbeitete ein Rockwell G65SC102, eine energiesparende CMOS-Variante des MOS 6502, die mit 1 MHz lief. Der Prozessor war ein 8-Bit-Klassiker, der sich durch geringen Stromverbrauch und einfache Architektur auszeichnete, und war eine logische Weiterentwicklung des Chips, der bereits im Commodore 64 seinen Dienst tat. Der LCD besaß 32 KB RAM, die auf bis zu 128 KB erweiterbar waren, und 96 KB ROM, in dem nicht nur das Betriebssystem, sondern auch mehrere Anwendungen vorinstalliert waren. Durch die CMOS-Technik erreichte das Gerät eine für damalige Verhältnisse beeindruckende Batterielaufzeit von rund fünf Stunden bei Betrieb über vier NiCd-Akkus.

Das Display war eines der fortschrittlichsten Merkmale. Es handelte sich um ein monochromes Flüssigkristall-Panel mit einer Auflösung von 480 × 128 Pixeln. Im Textmodus bot es 80 Spalten bei 16 Zeilen – doppelt so viel wie der beliebte Tandy Model 100, der nur 8 Zeilen und 40 Spalten darstellen konnte. Das Commodore-Display war klar, kontrastreich und ungewöhnlich schnell, obwohl es nur zwei Farben kannte: Schwarz auf Hellgrau. Damit war der Rechner für Textverarbeitung und Tabellenkalkulation ideal geeignet, während grafische oder farbintensive Anwendungen naturgemäß ausgeschlossen blieben.

Die Tonausgabe war minimalistisch. Statt eines Soundchips wie dem legendären SID des C64 verfügte der LCD nur über einen einfachen Piezo-Lautsprecher, der Beep-Töne und einfache Signale erzeugen konnte. Musik, Klänge oder gar Sprache waren nicht vorgesehen – ein bewusster Verzicht, da Commodore das Gerät als mobiles Arbeitsinstrument konzipierte, nicht als Unterhaltungsplattform.

Trotz seiner kompakten Bauweise – rund 30 × 28 × 5,5 cm bei einem Gewicht von etwa 2,3 kg – verfügte der LCD über eine bemerkenswerte Vielfalt an Anschlüssen. Dazu zählten eine RS-232-Schnittstelle, ein Centronics-Port für Drucker, der Commodore-typische serielle IEC-Bus für Laufwerke und Drucker der C64/C128-Serie sowie ein integriertes 300-Baud-Modem. Dieses besaß sogar Buchsen für einen Akustikkoppler und konnte direkt an Telefonleitungen angeschlossen werden. Ein geplanter Barcode-Leseranschluss und Erweiterungsports zeigten, dass Commodore das System modular auslegen wollte. Als Massenspeicher diente ein Teil des RAMs als RAM-Disk, während externe Laufwerke – darunter ein nie erschienenes 3,5″-Modell namens VC-1561 – vorgesehen waren.

Als Betriebssystem kam Commodore BASIC 3.6 zum Einsatz, eine Variante des C128-BASIC 7.0, angepasst für das LCD-Display. Im ROM waren zahlreiche Programme integriert: eine Textverarbeitung, ein Tabellenkalkulationsprogramm, ein Adressbuch, ein Kalender, ein Taschenrechner, ein Notizbuch und ein Terminal-Programm zur Datenübertragung über das interne Modem. Das Startmenü bot direkten Zugriff auf diese Anwendungen, was den LCD zu einem der ersten Computer mit „out-of-the-box“-Softwarepaket machte. Für Entwickler stand außerdem ein Maschinensprache-Monitor bereit, mit dem Programme in Assembler geschrieben und getestet werden konnten.

Die Entwicklung begann 1984 unter Leitung von Jeff Porter, der zuvor an Commodores Modemprojekten gearbeitet hatte. Unterstützt wurde er von Bil Herd – bekannt durch den C128 – sowie Ian Kirschman, Hedley Davis, Judy Braddick, Andy Finkle und Carolyn Scheppner. Commodore wollte mit dem Projekt nicht nur ein neues Produkt, sondern auch eine eigene LCD-Fertigung in Dallas nutzen, die aus früheren Uhrenprojekten stammte. Der LCD war also auch ein Versuch, interne Ressourcen gewinnbringend einzusetzen. Der anvisierte Verkaufspreis lag unter 600 US-Dollar, was inflationsbereinigt etwa 1.700 Euro entspräche – ein erstaunlich niedriger Preis im Vergleich zu Konkurrenten wie dem Tandy Model 100 (800 $) oder IBMs PC Convertible (über 1.500 $).

Trotz seiner vielversprechenden Technik und des attraktiven Preises kam es nie zur Serienproduktion. Commodores damaliger CEO Marshall Smith stellte das Projekt überraschend ein, nachdem ihn angeblich der Chef von Tandy auf der CES davon überzeugt hatte, dass mit tragbaren LCD-Computern kein Geld zu verdienen sei. Smith nahm diesen Rat ernst, verkaufte Commodores LCD-Abteilung und stoppte das Projekt kurz vor Produktionsbeginn. Laut Zeitzeugen wie Bil Herd und Jeff Porter lagen bereits rund 15.000 Vorbestellungen von Händlern vor, die Commodore damit ungenutzt verstreichen ließ.

Der Commodore LCD hatte klare Stärken: Er war leicht, vielseitig, günstig und mit zahlreichen Schnittstellen ausgestattet. Sein 80-Spalten-Display war ein Alleinstellungsmerkmal in seiner Preisklasse, und das eingebaute Modem hätte ihn zu einem frühen mobilen Kommunikationsgerät gemacht. Doch er hatte auch Schwächen – vor allem die fehlende C64-Kompatibilität, keine Farb- oder Tonfähigkeiten und eine rein auf Text ausgelegte Software. Dadurch blieb er zwischen den Zielgruppen gefangen: zu sachlich für Heimnutzer, zu schwach für Geschäftsleute.

Heute existieren nur noch wenige Exemplare, vermutlich weniger als fünf weltweit. Sie befinden sich in den Händen ehemaliger Commodore-Ingenieure und Sammler. Der Commodore LCD blieb ein faszinierendes „Was-wäre-wenn“-Projekt – ein tragbarer Computer, der seiner Zeit voraus war, aber an einer einzigen Fehlentscheidung scheiterte. Wäre er erschienen, hätte Commodore womöglich den frühen Laptop-Markt entscheidend mitgestalten können. Stattdessen wandte sich das Unternehmen bald der Amiga-Produktlinie zu, während Firmen wie Tandy, Toshiba und IBM den mobilen Markt übernahmen. Der CBM LCD steht heute als Symbol für verpasste Chancen, für den Pioniergeist der Ingenieure und für den tragischen Irrtum einer Führungsetage, die nicht erkannte, dass hier ein Stück Zukunft in ihren Laboren stand.

Another world – 1991 by Delphine Software

Another World – Der Amiga als Filmprojektor

Another world Jeder, der Anfang der 1990er Jahre einen Amiga oder Atari ST besaß, erinnert sich an Another World – jenes geheimnisvolle Diskettenspiel, das meist als kopierte Version von Freund zu Freund weitergereicht wurde, mit krakeliger Aufschrift „OUTWORLD“ oder einfach „ANOTHER“, und das in seiner stillen, polygonalen Eleganz irgendwo zwischen Prince of Persia und einem Science-Fiction-Traum zu existieren schien. Kaum ein Spiel jener Zeit verströmte eine solche Aura von Fremdheit und filmischer Dichte. Entwickelt wurde es 1991 von dem französischen Ausnahmetalent Éric Chahi, der ein Werk schuf, das sich gegen die Konventionen seiner Zeit stellte. Chahi arbeitete über zwei Jahre lang an seinem Werk – völlig unabhängig, unterstützt nur durch Delphine Software als Publisher und Freitas als Komponist.

Die Geschichte des Physikers Lester Knight Chaykin, der bei einem Teilchenbeschleuniger-Experiment vom Blitz getroffen und buchstäblich in eine andere Welt geschleudert wird, begann wie ein interaktiver Film, der sich jeder gängigen Spieletheorie entzog. Ohne ein einziges erklärendes Wort, ohne Interface, ohne Lebensanzeige, allein durch Beobachtung und Reaktion – Another World verlangte vom Spieler zu lernen, zu scheitern und neu zu versuchen. Bereits die Eröffnungsszene – Lesters Materialisation unter Wasser, die Flucht vor Außerirdischen, das Auftauchen in eine öde, windgepeitschte Landschaft – war mehr Kino als Spiel und löste bei vielen damals ungläubiges Staunen aus. Die Ähnlichkeit zu Prince of Persia war unübersehbar, doch während Jordan Mechners Prinz in pixelgenauer Akrobatik durch Paläste sprang, setzte Chahi auf emotionale Distanz und grafische Abstraktion: polygonale Silhouetten, karge Hintergründe, kein Dialog, keine Erklärung. Stattdessen erzeugte Another World durch Stille, Bewegung und Timing eine Atmosphäre, die man nicht verstand, sondern fühlte.

Technisch war das Spiel seiner Zeit weit voraus. Chahi verwendete Vektorgrafik für Figurenanimationen, was ihm eine bisher unerreichte Flüssigkeit der Bewegungen ermöglichte – realisiert durch Rotoskopie, indem er sich selbst mittels Videokamera filmte und Bild für Bild nachzeichnete. Die Animationen wirkten daher so natürlich, dass man fast vergessen konnte, dass es sich um simple Polygonfiguren handelte. Ursprünglich experimentierte er mit den von ihm sogenannten „Pixigons“, also komplett polygonalen Landschaften, die er später zugunsten gezeichneter Hintergründe verwarf, weil ihre Erstellung zu aufwendig war. Die Vektoranimationen hingegen blieben und prägten die gesamte Ästhetik.

Für die Musik und Soundeffekte zeichnete Jean-François Freitas verantwortlich, dessen sphärische Kompositionen die surreale Stimmung perfekt untermalten. Der Einstieg war gnadenlos: kein Tutorial, keine Hinweise, nur der nackte Überlebensinstinkt. Erst viel später fand Lester eine Laserwaffe, die nicht nur schießen, sondern auch Schilde und aufgeladene Energiestrahlen abfeuern konnte – ein spielmechanischer Geniestreich, da auch die Gegner über dieselben Fähigkeiten verfügten, was taktische Feuergefechte in minimalistischer Perfektion ermöglichte.

Another World war ein Spiel, das man nicht einfach spielte, sondern erlebte. Es hatte etwas zutiefst Menschliches in seiner Darstellung von Einsamkeit, Angst und Freundschaft. Der wortlose Kontakt zu dem fremden Alien, der bald zum treuen Gefährten wird, war subtil, aber emotional intensiv – eine Beziehung, die allein durch Gesten und gemeinsame Flucht vor der Gefahr erzählt wurde. Viele Spieler erinnern sich an den Moment, in dem man, gefangen in einer Zelle, sitzt und der Alien durch ein kleines Fenster hindurch den Fluchtweg vorbereitet: Es war einer dieser stillen Augenblicke, die mehr erzählten als tausend Dialogzeilen. Auch das Design vieler Level entstand spontan: Chahi entwarf die Spielabschnitte in linearer Reihenfolge, ohne fertiges Drehbuch.

Die Entwicklung verlief nicht ohne Hindernisse. Virgin Interactive, einer der internationalen Vertriebspartner, wollte aus dem Spiel ein Point-and-Click-Adventure machen, doch Chahi weigerte sich. Interplay, das für die amerikanische Veröffentlichung verantwortlich war, verlangte hingegen eine längere Spielzeit. So fügte Chahi kurz vor der Deadline einen komplett neuen Abschnitt ein, der die Beziehung zwischen Lester und dem Alien noch vertiefte. Dabei arbeitete er in den letzten Wochen bis zu sechzehn Stunden am Tag, was er später lakonisch mit den Worten kommentierte: „Ich fühlte mich am Ende so erschöpft wie Lester selbst in der letzten Szene.“ Dieses Ende – das offene, fast melancholische Bild, in dem Lester und sein Gefährte verletzt, aber frei in die Weite davonreiten – ist bis heute eines der eindrucksvollsten Finalbilder der Spielegeschichte.

Veröffentlicht wurde Another World 1991 für Amiga und Atari ST, später folgten Umsetzungen für MS-DOS, Super Nintendo, Mega Drive, 3DO und viele weitere Systeme. Besonders erwähnenswert ist die technische Brillanz der Super-Nintendo-Portierung von Rebecca Heineman, die das Spiel ohne Zusatzchips und mit minimalem Speicherverbrauch flüssig zum Laufen brachte – eine Meisterleistung, die im Rückblick oft übersehen wird. Die 3DO-Version von 1994 hingegen ersetzte die minimalistischen Hintergründe durch handgezeichnete Artworks und bot eine erweiterte Tonspur. Chahi selbst überwachte später die 15th Anniversary Edition und das HD-Remake von 2013, das den Originalstil mit moderner Technik verband, aber die Essenz bewahrte – eine Seltenheit in der Welt der Remasters.

Die Reaktionen damals waren gespalten: Während die ASM für die Amiga-Version 10 von 12 Punkten vergab und die Animationen in den höchsten Tönen lobte, nannte die Power Play das Spiel „zu kurz und zu schwer“ und vergab enttäuschende 48 % (Amiga). In Frankreich hingegen feierte die Presse das Werk – das Magazin Joystick vergab sensationelle 97 %, und Tilt ehrte es mit dem „d’or“-Preis für Animation. Trotz der unterschiedlichen Wertungen verbreitete sich Another World schnell in Diskettentauschkreisen, was seinen Kultstatus nur verstärkte. Man könnte sagen: Fast jeder kannte es, aber kaum jemand hatte es tatsächlich gekauft. Dennoch verkaufte es sich weltweit über eine Million Mal – bemerkenswert für ein derart unkonventionelles Spiel.

Chahi wurde nach dem Erfolg als Visionär gefeiert und blieb dem Medium treu. 1998 erschien sein nächstes großes Werk, Heart of Darkness, das die Themen und Emotionen von Another World in aufwendigerer Form fortführte. In Interviews betonte er immer wieder, dass Another World nie als Spiel im klassischen Sinn gedacht war, sondern als filmische Erfahrung. Vielleicht erklärt das, warum es heute in Museen, auf Ausstellungen und in akademischen Analysen auftaucht, während andere Titel jener Ära längst vergessen sind. Sogar Hideo Kojima und Fumito Ueda nannten Another World als Einfluss – nicht wegen seiner Technik, sondern wegen seiner emotionalen Wirkung.

Kommerziell mag es kein Riesenhit gewesen sein, doch es prägte eine Generation. Es war ein Spiel, das man in der Stille spielte – oft allein im Kinderzimmer, mit gedämpftem Licht und, wie ich, einem Amiga-Lüfter im Hintergrund. Und wenn Lester am Ende erschöpft auf seinem Alienfreund in die Freiheit gleitet, spürt man vielleicht ein Stück jener seltsamen Sehnsucht, die dieses Werk hinterlässt: die Sehnsucht nach einer anderen Welt, in der Spiele mehr erzählen als Punkte und Highscores. Éric Chahi hat sie erschaffen – mit nichts als einem Amiga, einer filmischen Animationsvorlage seiner selbst als Laufvorlage und einem unerschütterlichen Glauben daran, dass Spiele Kunst sein können.

Another World 20th Anniversary Edition Intro

Alcatraz – 1992 by Infogrames

Vom Taktik-Thriller zum Baller-Spektakel: Alcatraz im Schatten von Hostages

imagesAlcatraz erschien 1992 unter dem Banner von Infogrames und wurde vom britischen Team 221B Software Development entwickelt. Im Zentrum stand eine Prämisse, die direkt aus einem 80er-Jahre-Actionfilm hätte stammen können: Die berüchtigte Gefängnisinsel Alcatraz war in den Händen des Drogenlords Miguel Tardiez, und zwei US-Navy-SEALs mit den martialischen Codenamen „Bird“ und „Fist“ sollten die Insel stürmen, Beweise sichern und den Oberbösewicht endgültig ausschalten. Dass das Szenario dem Spieler zwei Stunden Echtzeit für diese Mission gab, unterstrich den Anspruch von Infogrames, Spannung mit taktischem Druck zu verbinden.

Das Besondere an Alcatraz war sein Wechsel zwischen verschiedenen Perspektiven. Im Außenbereich lief der Spieler – oder gleich zwei, denn ein Splitscreen-Koop-Modus war die große Innovation – in klassischer Run-and-Gun-Manier über den Bildschirm, duckte sich in Schatten und feuerte mit MGs, Flammenwerfern oder Bomben. Betritt man ein Gebäude, wechselte die Ansicht in eine frühe Ego-Perspektive, in der es Beweise und Waffen zu finden galt. So wirkte Alcatraz wie eine wilde Mischung aus Green Beret, Ninja Warriors und einer Prise Operation Wolf. Die Entwickler setzten vor allem auf diesen Koop-Faktor. Kevin Cook, einer der Programmierer, sagte später einmal: „Wir wollten ein Spiel machen, das man wie einen Actionfilm mit einem Kumpel erleben kann – Schulter an Schulter, gegen die Zeit.“

Die Entwicklung verlief allerdings nicht ohne Umwege. Ursprünglich sollte es deutlich mehr Gebäude auf der Insel geben, darunter auch ein geplantes Hospital-Level, das man aber verwarf, weil es technisch zu aufwendig gewesen wäre, zwei Perspektivwechsel pro Schauplatz darzustellen. Auch ein Unterwasser-Abschnitt, in dem die SEALs mit Taucherausrüstung aus der Bucht in Alcatraz eindringen sollten, blieb in der Schublade. Solche Ideen schafften es nie ins finale Spiel, fanden aber teilweise als Skizzen den Weg in die Design-Dokumente von Infogrames.

Die Programmierung übernahmen Kevin Cook, Mark Stamps, Neil Beresford, Martin Cook, Christian Pennycate und Mick Garlick, während Josiane Girard für die grafische Gestaltung sorgte. Ray Norrish lieferte die Musik – seine Erfahrung mit atmosphärischen Amiga-Soundtracks wie Blood Money und The Killing Game Show prägte auch Alcatraz, das mit düsteren Klängen und martialischen Samples (darunter die vielzitierten „Krach! Ahh! Gurgel!“-Sounds) arbeitete.

Veröffentlicht wurde Alcatraz gleichzeitig für MS-DOS, Amiga und Atari ST. Während die DOS-Version flüssiger lief, hatten die Amiga- und ST-Versionen den Bonus einer saubereren Grafik. Konsolenportierungen waren nicht geplant, auch wenn Gerüchte über eine Mega-Drive-Version durch die Fachpresse geisterten. In Europa war Infogrames selbst für die Distribution verantwortlich, in den USA erschien das Spiel unter Interplay. Preislich bewegte sich Alcatraz im Rahmen der damaligen Vollpreisspiele mit etwa 80–100 DM (entspricht inflationsbereinigt rund 80–95 €). Später tauchte es in Europa auch als Budget-Titel auf Labels wie Kixx auf, zu Preisen um die 30 DM (heute etwa 28–30 €).

Die Rezeption fiel gemischt bis kritisch aus. In Großbritannien konnte man noch Begeisterung spüren: Amiga Computing vergab 81 % und fand die „scrolly shooty bits absolutely brilliant“, während Amiga Format bei 76 % landete. Doch in Deutschland war man weniger gnädig. Die ASM urteilte in Ausgabe 7/1992 mit einem „zufriedenstellend“, vergab eine Gesamtwertung von 6/12 und lobte zwar die Animationen als „höchst amüsant“, kritisierte aber, dass sich das Spiel sehr schnell abnutze. Immerhin hob die Redaktion den Zwei-Spieler-Splitscreen-Modus positiv hervor. Die Power Play hingegen zeigte keine Gnade: Mit nur 47 % wurde Alcatraz in Ausgabe 8/1992 regelrecht zerrissen. Die Redaktion sah „simples Abballern der schödesten Art“ und fand, der Vorgänger Hostages habe weitaus mehr Abwechslung geboten. Besonders betonte man die übertriebene Gewaltdarstellung: „Allenormalen“ Gemüter sollten Abstand nehmen: Alcatraz ist gewaltiggewalthaltig“. Das Fazit war ein klares „na ja“ – begleitet von einer unmissverständlichen Wertung für ein Spiel, das im Schatten seines Vorgängers verblieb.

Eine zusätzliche Kontroverse kam in Deutschland durch die BPjS (heute BPjM): Alcatraz wurde indiziert, da es in den Augen der Prüfstelle zu brutal sei. Damit war der kommerzielle Erfolg hierzulande praktisch besiegelt, denn der Titel verschwand nach kurzer Zeit aus den Regalen.

Alcatraz wurde vielerorts als Hostages 2 bezeichnet, weil es inhaltlich und spielmechanisch stark an Infogrames’ erfolgreichen Vorgänger Hostages (1988) anknüpfte. Beide Spiele kombinierten Action mit taktischen Elementen und setzten auf Perspektivwechsel zwischen Außen- und Innenansichten, wobei die Entwickler erneut das Gefühl einer filmischen Spezialeinheit vermitteln wollten. Auch in der Vermarktung spielte Infogrames bewusst mit dieser Nähe: Verpackungstexte und Pressematerialien stellten Alcatraz als „inoffiziellen Nachfolger“ dar, um den Bekanntheitsgrad von Hostages zu nutzen. Während die Handlung von einer Gefängnisinsel statt einer Geiselnahme erzählte, sah die Presse sofort die Parallelen, weshalb sich der Spitzname „Hostages 2“ schnell durchsetzte – auch wenn es offiziell nie so hieß.

Und vielleicht bleibt genau das hängen: Alcatraz war kein Meilenstein, sondern ein Kind seiner Zeit. Ein Actionfilm zum Mitspielen, mit Kanten, mit Gewalt, mit einem Koop-Modus, der zumindest für ein paar Abende Spaß brachte – bis man dann doch wieder Hostages einlegte. Heute ist es ein Stück Computerspielgeschichte, das in seiner Mischung aus Ambition, Splitscreen-Innovation und Marketing als „Hostages II“ wohl mehr über die frühen 90er erzählt, als es damals den Spielern bewusst war.

 

1942 – 1984 by Capcom

1942 – Der Münzschlucker, der Geschichte schrieb

0bfbc964 8b79 4627 a70d 02c2fabc599dAls Capcom 1984 das Spiel 1942 in die Spielhallen brachte, traf man den Nerv einer ganzen Generation, die an Arcade-Automaten ihre Reflexe schärfte und Münzen im Sekundentakt in die Slots warf. Das Setting war für westliche Märkte ungewöhnlich und mutig zugleich: ein Zweiter-Weltkriegs-Shooter aus der Vogelperspektive, in dem der Spieler als Pilot eines amerikanischen Jagdflugzeugs über dem Pazifik gegen die kaiserlich-japanische Flotte kämpfte. Hinter dem Projekt stand Yoshiki Okamoto, der bereits zuvor bei Konami Erfahrungen mit Actiontiteln gesammelt hatte, bevor er zu Capcom wechselte. Er selbst erklärte später, er habe einen Titel erschaffen wollen, der nicht einfach futuristische Raumschiffe zeigte, sondern „eine historische Kulisse, die jeder sofort versteht“. Zusammen mit Programmierern wie Noritaka Funamizu und Akira Nishitani wurde 1942 auf Capcoms hauseigenem Arcade-Board entwickelt, dessen Hardware mit einem Zilog Z80 Prozessor auf rund 4 MHz und einem Soundchip von Yamaha auskam – technisch kein Meilenstein, aber die Spielmechanik und das Tempo machten den Unterschied.

Das Spielprinzip war so simpel wie süchtig machend: Der Spieler steuerte ein Lockheed P-38 Lightning, im Spiel „Super Ace“ genannt, und musste sich durch Wellen feindlicher Flugzeuge, Bomber und Bossformationen kämpfen. Markant war die Möglichkeit, mit einer Fassrolle kurzzeitig gegnerischem Feuer zu entgehen – ein Kniff, der sich tief ins Gedächtnis der Spieler eingebrannt hat.

Die Entstehungsgeschichte ist geprägt von pragmatischen Entscheidungen. Erste Skizzen zeigten noch ein reines Science-Fiction-Szenario mit Raumschiffen, da das Team nach dem Erfolg von Xevious zunächst in dieselbe Kerbe schlagen wollte. Doch Okamoto verwarf die Idee und bestand auf einer „bodenständigeren“ Umsetzung. Ein verworfenes Level spielte auf einem Flugzeugträgerdeck, das in Echtzeit durch Bombentreffer zerlegt werden sollte – eine Idee, die aufgrund von Speicher- und Prozessorgrenzen wieder gestrichen wurde. Auch ein Koop-Modus für zwei Spieler gleichzeitig war in frühen Tests enthalten, kam aber nie ins finale Programm, weil die Performance auf dem Arcade-Board stark einbrach.

Wirtschaftlich war 1942 ein voller Erfolg. Die Arcade-Platinen verkauften sich über 25.000 Mal weltweit – eine beeindruckende Zahl für ein japanisches Studio, das damals noch nicht die Größe von Namco oder Sega hatte. In Großbritannien kostete ein Automat in den Spielhallenbetreiber-Katalogen rund 1.200 Pfund Sterling (heute inflationsbereinigt etwa 4.300 Euro), während Heimversionen für Heimcomputer je nach Medium zwischen 7,95 Pfund (Kassette, ca. 30 Euro) und 12,95 Pfund (Diskette, ca. 48 Euro) kosteten. Später wurden Budget-Versionen bei Labels wie Kixx und Encore für 2,99 Pfund (heute etwa 9 Euro) neu aufgelegt, was den Titel noch Jahre nach der Erstveröffentlichung in den Charts hielt.

Die Portierungen sorgten für Diskussionen, da die technischen Unterschiede unübersehbar waren. Auf dem Commodore 64 glänzte 1942 durch flüssige Scrolling-Routinen, doch die Grafik wirkte grob und die Musik blieb hinter den Arcade-Klängen zurück. In der ASM 11/86 hieß es nüchtern: „Die Grafik ist zu eintönig, der Sound wenig abwechslungsreich“ – Ergebnis waren 7 von 12 Punkten. Die Spectrum-Version hingegen war grafisch stark reduziert, bot aber eine erstaunlich schnelle Darstellung der Sprites, die das Fehlen von Farben beinahe vergessen ließ. Die Amstrad-CPC-Fassung punktete mit bunteren Hintergründen, allerdings auf Kosten der Geschwindigkeit. Auf dem NES, das Capcom selbst in den USA veröffentlichte, bekam das Spiel eine ganz eigene Handschrift: die Steuerung war präzise, der Sound knackiger und die Gegnerformationen leicht abgewandelt, sodass viele Spieler die NES-Version bis heute als eigenständige Interpretation sehen.

In der Happy Computer Power-Play-Sonderausgabe 1/87 erhielt die C64-Version 63 %. Dort hieß es: „1942 hat durchaus einen gewissen Spielreiz. Obwohl das Programm auf den ersten Blick einfach aussieht, kann es eine Weile am Joystick fesseln. Die Abwechslung hält sich jedoch in Grenzen … Ein nettes Liedchen und die übliche Taka-Takka-Pang-Sprotzl-Geräuschkulisse während des Spiels.“ Die Grafik wurde mit 40 %, Sound & Musik mit 61 % bewertet – insgesamt ein solides, aber keineswegs herausragendes Urteil.

Kritik gab es auch in Japan, wo die Darstellung des Zweiten Weltkriegs aus westlicher Sicht nicht unumstritten war. In manchen Kommentaren wurde gar von „Geschichtsverfälschung“ gesprochen. Capcom verteidigte sich mit dem Hinweis, man wolle keine politischen Botschaften transportieren, sondern schlicht ein spannendes Actionspiel bieten. Trotzdem blieb der Beigeschmack, dass ein japanisches Studio einen Titel entwickelte, in dem die eigenen Landsleute die Gegner waren.

Die Entwickler trugen 1942 weit über den Titel hinaus. Yoshiki Okamoto zeichnete später verantwortlich für Klassiker wie Final Fight und Street Fighter II. Noritaka Funamizu wirkte an Forgotten Worlds und Final Fight One mit, während Akira Nishitani mit Street Fighter II Turbo und Street Fighter Alpha in die Spielegeschichte einging. Der Komponist Tamayo Kawamoto, damals eine der wenigen Frauen im japanischen Sounddesign, lieferte einen minimalistischen, aber eingängigen Soundtrack, der in späteren Jahren als frühes Beispiel für Capcoms musikalische Handschrift gilt.

Trivia gibt es reichlich: Die Bezeichnung 1942 wurde bewusst gewählt, weil 1941 in Japan als Unglückszahl gilt – daher entschied man sich für das Folgejahr. Die P-38 Lightning war nicht nur ikonisch, sondern auch ein persönlicher Favorit Okamotos, der als Kind Modellbausätze dieser Maschine baute. Und nicht zuletzt war 1942 eines der ersten Capcom-Spiele, das in Europa stärker lief als im Heimatmarkt Japan – eine Seltenheit, die Capcoms Strategie, sich global auszurichten, nachhaltig beeinflusste.

Die Nachfolger ließen nicht lange auf sich warten: 1943: The Battle of Midway bot Koop-Modus und mächtigere Grafik, 1941: Counter Attack brachte das Franchise auf Capcoms CPS-Board mit satten Farben und Stereo-Sound, während 19XX: The War Against Destiny Mitte der 1990er Jahre die Serie in die moderne Arcade-Ära katapultierte. Auch Konsolen wie das Super Nintendo und die PlayStation erhielten Umsetzungen oder Sammlungen, sodass die Reihe bis heute in Retro-Compilations lebt.

Unterm Strich ist 1942 ein Paradebeispiel für Capcoms frühe Philosophie: klare Mechanik, einprägsame Ästhetik und ein Gameplay, das bis heute funktioniert. Oder wie die Power Play 1/87 es auf den Punkt brachte: „1942 hat durchaus einen gewissen Spielreiz“, auch wenn die technischen Abstriche der Heimcomputerfassungen unübersehbar waren.

 

Osborne Vixen

Osborne Vixen

hd item 764378 6c765daaddDie Osborne Vixen (auch Osborne 4) war ein tragbarer „Luggable“-Computer, der – nach dem riesigen Erfolg des Osborne 1 (1981) und des Executive (1983) – Ende 1984 auf den Markt kam. Sie entstand, als die Osborne Computer Corp. gerade nach ihrer Pleite von 1983 („Bankruptcy“ im September 1983) wieder reorganisiert wurde. Adam Osborne, der Firmengründer, hatte zwischenzeitlich das Unternehmen verlassen. Die nun rekonstruierte Firma brachte 1984 die Vixen heraus – anfangs in Schwarz geplant, letztlich als beige/grau-beiger Koffer mit auffälligem, innen olivgrünem Innenleben. Die Anzeigen warben damit, „das Unternehmen, das den ersten tragbaren Business-Computer vorgestellt hat, ist zurück“ – und priesen: „One year later, it’s still ahead of its time“. Tatsächlich war die Vixen – trotz überarbeiteter Hardware – schon beim Erscheinen 1984 technisch überholt, da inzwischen IBM-PC-kompatible Tragbare dominierten. Ein früheres Vixen-Modell (mit 5″ grünem Bildschirm) war bereits 1983 nicht veröffentlicht worden, als die Firma insolvent ging. Nach der Überarbeitung zeichnete sich die 1984 freigegebene Vixen durch einen 7-Zoll-CRT-Monitor mit bernsteinfarbenem Bildschirmlinien aus (80×24 Text, rein monochrom). Außerdem besaß sie zwei 5¼″-Diskettenlaufwerke (400 KB, doppelt bespielbar), die diesmal vertikal eingebaut waren. Sie wog nur rund 8,2 kg (18 lbs) und hatte die kompakten Abmessungen 32,1×41,3×15,9 cm, so dass – ganz im Osborne-Geist – beworben wurde, man könne sie ohne Platzprobleme unter einem Flugzeugsitz verstauen.

Als Herzstück diente der Zilog Z80A-Prozessor mit 4 MHz Taktfrequenz, eine weit verbreitete 8-Bit-CPU, die als Software-Weiterentwicklung des Intel 8080 gilt. Der Z80 war bekannt für umfangreiche Befehlsregister und speicherfreundliche Blockoperationen; er trieb die CP/M-2.2-Plattform an, die auf 64 KB Arbeitsspeicher begrenzt ist (genau die Speicherausstattung der Vixen). Das Betriebssystem war wie bei den Vorgängern Digital Researchs CP/M 2.2. Osborne lieferte die Vixen mit einem kompletten Anwendungs-Bundle: das bekannte Textprogramm WordStar, die Tabellenkalkulation SuperCalc, Microsoft BASIC (MBASIC), sowie Utility- und Grafikprogramme wie Osboard, TurnKey und MediaMaster und sogar ein kleines Spiel namens „Desolation“.

Die Anbindung an Peripherie erfolgte über standardisierte Ports: ein Centronics-Parallelausgang für Drucker, ein RS-232-Serienport für Modems oder Terminals und ein IEEE-488/SASI-Anschluss für das optionale Festplatten-Subsystem. Über Composite-Video ließ sich ein externer Monitor anschließen. Geplante Erweiterungen umfassten vor allem das 10-MB-„Osborne Hard Disk Subsystem“ (für knapp 1.500 US$), das über eine interne SASI/SCSI-Karte betrieben wurde. Wie schon beim Osborne 1 war auch hier ein eingebauter Piezo-Summer das einzige Klangmittel – es gab keinen Soundchip im modernen Sinne.

Der Einführungspreis betrug 1.298 US-Dollar. Inflationsbereinigt entspricht das etwa 3.900 US-Dollar, also rund 3.500–3.700 € (Stand 2024). Gegenüber Konkurrenzmodellen war die Vixen günstig und sehr kompakt. Sie war deutlich leichter und kleiner als ihre Vorgänger Osborne 1/Executive (die oft um die 20–30 kg wogen) und rivalisierte im US-Markt vor allem mit anderen CP/M-Maschinen wie dem Kaypro II oder dem Compaq Portable. Im Gegensatz zur teuren Executive (mit 9″-Display) war der Vixen mit ihrem 7″-Monitor günstiger und mobiler – allerdings auf Kosten der Grafikauflösung. Gegenüber dem IBM-kompatiblen Compaq (1983) oder neueren PC-Laptops hatte die Vixen aber entscheidende Nachteile: Sie lief nur unter CP/M, war im Jahr 1984 schon veraltet und bot kein Farbbild. So konnte sie letztlich nicht mit den Standards der IBM-Welt mithalten und hatte gegen die rasch wachsende Konkurrenz (Compaq, Atari Portfolio, Epson-Projekte etc.) wenig Chancen.

Anekdotisch ist, dass Adam Osborne in einer TV-Show 1984 bereits resigniert bemerkte, „die PC-Branche setzt massiv auf große, standardisierte Hersteller“ – eine Erkenntnis, die das Schicksal des Vixen vorwegzunehmen schien. Firmengründer Adam Osborne (1939–2003) war zu dieser Zeit bereits nicht mehr bei der Firma. Der Brite amerikanischer Herkunft, einst erfolgreicher Verlagsunternehmer und Technikpublizist, hatte in den späten 70er-Jahren den Einstieg ins Hardware-Business gesucht. Zu Beginn seiner Computer-Karriere rekrutierte Osborne den erfahrenen Entwickler Lee Felsenstein (Jg. 1945), der bereits frühere Heimcomputer entworfen hatte; gemeinsam entwickelten sie den legendären Osborne 1. Diese frühen Entwickler (Osborne und Felsenstein) sorgten für die technischen Grundlagen und die Software-Bündelung, die Osborne-Produkte berühmt machten. Nach Osbornes Weggang setzten Manager und neue Partner das Vixen-Projekt um – unter anderem der Berater Fred Coury, der laut Museumseintrag die Vixen baute und über eine Firma namens Worswick vertrieb.

Der Osborne Vixen war kommerziell allerdings kaum erfolgreich. Schon kurz nach der Vorstellung stellten Beobachter fest, dass weder dieses Modell noch das parallel eingeführte IBM-kompatible Schwestermodell („Encore“ oder „Pivot II“) nennenswerte Verkäufe erzielten. Genaue Verkaufszahlen gibt es nicht, doch Fachleute schätzen, dass nur wenige Hundert bis wenige Tausend Exemplare hergestellt wurden – ein Winzling im Vergleich zu den zigtausend verkauften Osborne 1-Geräten in den frühen 80ern. Schlussendlich führte auch die Vixen den Hersteller nicht in eine neue, prosperierende Richtung: 1986 musste Osborne Computer endgültig schließen.

Insgesamt war der Vixen ein typisches „Begräbnismodell“ einer einst erfolgreichen Linie: technisch antiquiert, aber sympathisch vollständig mit Software gebündelt und eigenwillig gestaltet (etwa mit dem Klapp-Tastatur-Design). Für Retro-Enthusiasten bleibt er eine Kuriosität: ein technisch konsequenter, sehr kompakter Nachfolger des Osborne 1 für den US-Markt – allerdings am Ende eine Sackgasse.

NEC PC-8801

NEC PC-8801

pc8801

By phreakindee - https://www.flickr.com/photos/phreakindee/28416963104/

Als NEC im Dezember 1981 den PC-8801 vorstellte, war das Unternehmen längst kein Neuling mehr auf dem Heimcomputermarkt. Mit dem PC-8001 hatte man bereits 1979 einen Überraschungserfolg gelandet und sich in Japan zur führenden Marke entwickelt. Der neue PC-8801 jedoch zielte eine Stufe höher: Er sollte nicht mehr bloß Bastlern und Hobbyisten dienen, sondern als vollwertiger Alleskönner sowohl im Wohnzimmer als auch im Büro überzeugen. Der Preis von 228.000 Yen, inflationsbereinigt rund 1.900 Euro, war nichts für die Hosentasche, aber NEC versprach eine Maschine, die Arbeit und Freizeit in einem Gehäuse vereinte.

Im Herzen des Rechners schlug ein NEC µPD780C-1, ein Zilog-Z80A-kompatibler 8-Bit-Prozessor mit 4 MHz Takt. Wer bis dahin mit einem PC-6001 oder Sharp MZ hantiert hatte, staunte nicht schlecht, wie flott der PC-8801 Programme abarbeitete. 64 KB RAM und satte 48 KB Video-RAM standen zur Verfügung. Die Grafikausgabe konnte sich sehen lassen: 640 × 200 Pixel in acht Farben oder 640 × 400 in zwei Farben, dazu Textmodi für Tabellenkalkulation und Programmierspaß. Gegenüber der Konkurrenz war das ein deutlicher Vorsprung – man konnte nun Buchstaben in gestochen scharfer Qualität auf den Bildschirm bringen, ohne dass sie aussahen, als seien sie von einer klapprigen Schreibmaschine abgetippt.

Beim Ton blieb NEC allerdings knausrig. Statt eines richtigen Soundchips gab es im Urmodell nur einen simplen Pieper, der bestenfalls kurze Töne von sich gab. Während der Fujitsu FM-7 und der Sharp X1 schon mit PSG- oder FM-Sound prahlten, musste sich der PC-8801 mit einem „Piep, Piep“ begnügen. Später sollten Nachfolger mit Yamaha-Chips auftrumpfen und damit ein ganzes Genre an Videospielmusik inspirieren, doch 1981 klang der PC-8801 so bescheiden wie ein Wecker.

Als Betriebssystem diente N88-BASIC, fest im ROM verankert. Man schaltete die Maschine ein und konnte sofort loslegen. Wer geschäftliche Ambitionen hatte, konnte den Rechner auch mit CP/M nutzen und so auf die wachsende Softwarebibliothek im Bürobereich zugreifen. Massenspeicher war anfangs vor allem die gute alte Kassette, aber NEC bot schnell externe 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerke an, die sich über Erweiterungscontroller anschließen ließen. Überhaupt war die Anschlussvielfalt ein Trumpf: Centronics-Port für Drucker, RS-232C für Modems und Terminals, Monitoranschluss und Steckplätze für Erweiterungen. So konnte man den PC-8801 zum Plotter-Künstler, Spielesystem oder ernsthaften Businessrechner ausbauen.

Die Entwickler Tomio Goto und Akira Kato, die schon am PC-8001 mitgewirkt hatten, galten als die Architekten dieser neuen Maschine. Goto, ein Ingenieur mit Leidenschaft für saubere Architektur, wollte die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft schlagen: volle Kompatibilität zum PC-8001, aber auch genug Power für die kommenden Jahre. Kato war pragmatischer und erinnerte sich später: „Wir wollten eine Maschine, die in Japan mehr war als ein Spielzeug, eine Brücke zwischen Arbeit und Unterhaltung.“ Zusammen prägten sie nicht nur den PC-8801, sondern ebneten auch den Weg für spätere NEC-Erfolge wie die PC-98-Serie und sogar die PC Engine.

Der Erfolg gab ihnen recht. Bereits bis Ende 1983 waren 170.000 Geräte verkauft, bis 1989 summierte sich die PC-8800-Serie auf fast 940.000 Einheiten – bemerkenswert, weil sie damit sogar besser lief als NECs eigene 16-Bit-Linie PC-9800 im selben Zeitraum. Zeitgenössische Magazine schrieben ehrfürchtig, NEC sei in Japan inzwischen so etwas wie „das IBM für den Heimgebrauch“.

Natürlich hatte das Gerät seine Schwächen. Der hohe Preis schreckte viele Käufer ab, und Spieler murrten über den mageren Sound. Doch die brillante Grafik, die Abwärtskompatibilität zum PC-8001 und die flexible Erweiterbarkeit machten den PC-8801 zur Lieblingsmaschine von Studenten, Entwicklern und frühen Spielefirmen. Yuzo Koshiro, später berühmt für seine Musik zu Streets of Rage, machte seine ersten Schritte auf einem PC-8801 – und komponierte dort mit denselben piepsigen Tönen, die viele Nutzer damals verfluchten.

Langfristig führte der PC-8801 NEC in eine neue Richtung. Ab 1983 trennte man bei NEC die Produktlinien: Die Home-Electronics-Sparte kümmerte sich um die 8-Bit-Geräte wie PC-6000 und PC-8800, während die Business-Sparte mit der PC-98-Serie die 16-Bit-Zukunft vorbereitete. Der PC-8801 war dabei das Bindeglied – ein Heimcomputer, der sich nicht scheute, auch in Büros zu stehen, und ein Bürocomputer, der eine ganze Generation von Videospielentwicklern prägte.

Seine Nachfolger – vom PC-8801mkII bis zu den SR-, FH- und MH-Modellen – brachten mehr Speicher, bessere Grafik und vor allem Soundchips, die das Gerät endgültig zur Spieleplattform machten. Doch das Original von 1981 bleibt der Beginn einer Legende: ein kantiger, teurer, aber zukunftsweisender Computer, der mit einem simplen „Piep“ Japans Heimcomputerära prägte.

Und vielleicht war es genau dieser nervige Piepton, der so manchen Studenten damals dazu brachte, selbst Musik oder Spiele zu programmieren. Manchmal beginnen Revolutionen eben nicht mit einem Orchester, sondern mit einem einzelnen, unvergesslichen Ton.

Thexder – 1985 by Game Arts

Thexder – 1985 by Game Arts

5fb87571 a15f 496a 9127 9c2ed896eb98Als Thexder 1985 erstmals das Licht der Welt erblickte, war es ein sehr japanisches Spiel – entwickelt von Game Arts, die damals noch am Anfang standen und mit frischen Ideen experimentierten. Die Grundidee klingt bis heute wie ein pubertärer Traum: ein Kampfroboter, der sich jederzeit in einen Düsenjet verwandeln konnte, ausgestattet mit einer selbstzielenden Waffe, die automatisch Feinde anvisierte. Die SierraGamers-Community beschrieb das später so: „Thexder offers many levels and diverse enemies… Your weapon auto-aims… Your mech also contains a shield…“ (Thexder bietet viele Levels und vielfältige Gegner… deine Waffe zielt automatisch… dein Mech verfügt außerdem über ein Schutzschild…).

Die Handlung spielte kaum eine Rolle. Der Spieler wurde schlicht in Level 1 abgesetzt, ohne Einführung oder Zwischensequenzen. Wie TVTropes süffisant bemerkte: „Thexder never explains who you are or what you’re doing unless you look in the manual“ (Thexder erklärt nie, wer du bist oder was du tust, es sei denn, du schaust ins Handbuch). Erst der Nachfolger Fire Hawk lieferte später ein bisschen Kontext. Doch das störte damals niemanden: die Action stand im Mittelpunkt, und die Verwandlungsanimation vom Mech zum Jet wirkte spektakulär – selbst wenn man danach sofort von einer unscheinbaren Mine in die Luft gesprengt wurde.

Die Entwicklung war für damalige Verhältnisse extrem knapp bemessen. Chefdesigner Hibiki Godai und Grafiker Satoshi Uesaka brauchten insgesamt nur zwei Monate, davon allein einen Monat für die Konzeptausarbeitung. Uesaka erinnert sich, dass Thexder selbst 48 Animationsmuster hatte und die 72 Gegnertypen ebenfalls jeweils animiert werden mussten. Um die Transformation glaubwürdig darzustellen, baute Uesaka sogar ein Modell aus Balsaholz. Godai selbst berichtet, dass er manchmal drei Tage am Stück programmierte, dann zwanzig Stunden am Stück schlief. Die Levelkarten waren gigantisch: 480 Bildschirmseiten an Daten mussten untergebracht werden – fast schon ein kleines Wunder, wenn man bedenkt, dass das Spiel ursprünglich auf dem NEC PC-8801 laufen sollte.

Auch die Musik stammt aus Entwicklerhand. Hibiki Godai komponierte das markante Thexder-Titelthema selbst. Besonders kurios: Im Abspann ertönte Beethovens Mondscheinsonate – was in einem Action-Shooter für viele Spieler mehr als nur überraschend war. Dazu kamen digitale Sprachsamples wie „Intruder is coming!“ (Eindringling kommt!), die in der japanischen PC-88-Fassung klar zu verstehen waren, in den westlichen DOS-Versionen allerdings so verrauscht, dass viele Spieler dachten, ihre Soundkarte sei defekt.

Kommerziell war Thexder ein Riesenerfolg. In Japan wurden über eine halbe Million Einheiten verkauft, weltweit über eine Million. Für ein Heimcomputerspiel Mitte der 80er war das sensationell. Ken Williams von Sierra erinnerte sich später, dass man das Spiel kurz vor Weihnachten 1986 in den USA veröffentlichte – und es 1987 der meistverkaufte Sierra-Titel überhaupt war. Damit war Thexder auch für die Amerikaner ein Meilenstein: ein japanisches Spiel, das von einem US-Publisher groß gemacht wurde.

Erschienen ist Thexder auf nahezu allem, was damals Strom bekam: NEC PC-8801, FM-7, Sharp X1, PC-98, MSX, Famicom (Nintendo), später MS-DOS, Apple II/IIgs, Macintosh, TRS-80 Color Computer, Amiga und sogar erst 2023 in einer Switch-Version. Auffällig ist die hohe Zahl an Publishern weltweit: In Japan veröffentlichten Game Arts, Denyusha und Square, in den USA übernahm Sierra, in Europa Activision, später kamen weitere wie D4 Enterprise hinzu.

Und hier kommt Square ins Spiel. Mitte der 80er war Square noch lange nicht der Riese, den wir später mit Final Fantasy verbanden. Ganz im Gegenteil: Square stand 1986 kurz davor, in der Versenkung zu verschwinden. Das Unternehmen hatte mehrere riskante Projekte parallel finanziert, darunter auch die Famicom-Version von Thexder. Die Entwicklung verschlang weit mehr Geld, als es jemals wieder einspielen sollte – denn das Spiel war zwar technisch eindrucksvoll, aber für viele Konsolenspieler schlicht zu hart. Während Game Arts in Japan schon die Sektkorken knallen ließ, kämpfte Square mit leeren Kassen. Hironobu Sakaguchi erzählte später, dass es ein „letzter Wurf“ sei, als er Final Fantasy begann – daher auch der Titel. Ohne den halbgescheiterten Ausflug mit Thexder hätte es dieses Projekt vielleicht nie gegeben. Man kann also sagen: Thexder brachte Square fast um, und gleichzeitig ebnete es den Weg für das Spiel, das die Firma rettete. Ironischerweise verdanken wir den ewigen Streit „Cloud gegen Sephiroth“ also indirekt einem Roboter, der sich in einen Jet verwandeln konnte.

Kritisch gesehen war Thexder aber nicht unumstritten. Die Schwierigkeit ist gnadenlos: Schon das erste Level kann Anfänger zur Weißglut treiben. Ein zeitgenössischer Rezensent meinte: „If you like painfully hard PC platform games, by all means this game is for you… For the casual gamer… there are better ones out there“ (Wenn du schmerzlich schwere PC-Platformer magst, ist dieses Spiel genau das Richtige für dich… für den Gelegenheitsspieler… gibt es bessere Spiele da draußen). Viele Tester bemängelten auch die etwas hakelige Steuerung und die labyrinthischen Level, die Spieler in Sackgassen schickten. Sierra bewarb Thexder zudem etwas unglücklich als „Arcade-Spiel“ – in Wahrheit gab es nie eine Automatenfassung, was manche Käufer irritierte.

Und dennoch: Thexder ist heute ein Kultspiel. Vielleicht weniger wegen seiner spielerischen Eleganz, sondern vielmehr, weil es ein Zeitdokument ist. Es zeigt, wie ein japanisches Studio in kürzester Zeit ein Spiel erschuf, das sowohl in Japan als auch im Westen ein Millionenseller wurde, wie Publisher weltweit zusammenarbeiteten, und wie sogar Square seine ersten Schritte auf Nintendo wagte. Für Sierra war es ein Goldgriff – Thexder machte das Unternehmen 1987 reicher, als es mit Adventure-Spielen je gerechnet hätte.

In den Archiven bleibt es bis heute ein faszinierendes Beispiel dafür, wie Ost und West in den 80ern einander Spiele hin- und herreichten. Und seien wir ehrlich: Wer einmal im Jet-Modus durch eine Wand von Pixel-Gegnern gebrettert ist, vergisst das nicht so schnell – auch wenn man beim zwanzigsten Bildschirmtod vielleicht den Joystick am liebsten durchs Zimmer geworfen hätte.

Rorke’s Drift – 1990 by Impressions

Rorke's Drift - 1990 by Impressions

rorkes driftAls Rorke’s Drift 1990 erschien, wirkte es wie ein ungewöhnlicher Versuch, historische Kriegsführung in ein Echtzeit-Strategiespiel zu pressen. Entwickelt wurde es von Plato, einer Unterabteilung von Impressions Software, und veröffentlicht für Amiga, Atari ST und MS-DOS. Im Kern geht es um die Verteidigung einer Missionsstation im südafrikanischen Zululand des Jahres 1879: 137 britische Soldaten müssen eine Übermacht von über 4.000 Zulu-Kriegern abwehren. Das Spiel bietet zwei Szenarien, eines historisch akkurat und eines mit zufällig generierten Angriffen. Grafisch präsentierte sich das Ganze in einer isometrischen Ansicht, mit winzigen Sprite-Soldaten, die sich über den Bildschirm bewegten. Jeder einzelne Brite war als Figur steuerbar, mit eigenen Werten und Eigenheiten – was das Spiel schon damals zu einem Mikromanagement-Monster machte. Per Pausenmodus konnte man Befehle geben und die Schlacht anschließend fortsetzen. Das wirkte innovativ, aber auch ermüdend, wenn man jeden einzelnen Rotrock zum Nachladen oder zum Umpositionieren anstubsen musste.

Hauptverantwortlich war Edward „Ed“ Grabowski, der als Programmierer und Designer fungierte. Er entwickelte später zahlreiche weitere Strategiespiele wie Merchant Colony (1991), Air Bucks (1992) und The Blue & The Gray (1993). Grabowski bezeichnete Rorke’s Drift rückblickend stolz als „the first in [his] series of innovative real-time wargames“ (das erste in meiner Reihe innovativer Echtzeit-Kriegsspiele) und fügte hinzu, es sei „a Top-Ten hit in the UK“ (ein Top-Ten-Hit im Vereinigten Königreich) gewesen. Unterstützt wurde er von Jeffrey Van Brankinton beim Spieldesign, und für die Musik zeichnete Christopher Denman verantwortlich, der später auch an Caesar (1992) mitwirkte.

Kommerziell gesehen war das Spiel zumindest auf der Insel kein Reinfall: Auf dem britischen Atari-ST-Markt erreichte es Platz 8 und hielt sich mehrere Monate in den Charts. Doch während sich die Verkaufszahlen solide entwickelten, gingen die Kritikerurteile weit auseinander – und zwar so drastisch, dass man fast von einem Kulturkampf sprechen könnte. In Großbritannien lobte etwa CU Amiga: „The animations are charming, the soldiers feel alive, and there’s a genuine sense of commanding a desperate battle“ (Die Animationen sind charmant, die Soldaten wirken lebendig, und es gibt ein echtes Gefühl, eine verzweifelte Schlacht zu kommandieren). Über 80 % Wertung zeigten, dass man das Spiel dort fast schon als Geheimtipp sah. Auch Amiga Format befand: „The atmosphere of the defence is convincingly recreated“ (Die Atmosphäre der Verteidigung wird überzeugend nachgebildet). Man fühlte sich an den Film Zulu erinnert, der im Vereinigten Königreich Kultstatus hatte.

Und in Deutschland? Nun ja – da sah die Sache ganz anders aus. Michael Hengst schrieb in der Power Play (März 1991): „Himmel hilf! Man sollte einigen Nachfahren der stolzen Zulus mal diese Diskette zuspielen – bei dem anschließenden Massaker unter den Programmierern wäre ich gern dabei. […] ‚Rorke’s Drift‘ ist ein Programm übelster Sorte. Das einzig Positive an diesem schwachsinnigen Programm sind die putzigen Sprites.“ Ganze 4 % vergab die Redaktion – ein Spotturteil, das bis heute in Retro-Foren zitiert wird. Während britische Tester den Grafikstil noch als „quaint“ (putzig) bezeichneten, empfanden deutsche Kritiker ihn schlicht als absurd.

Dieser krasse Gegensatz zwischen britischer Begeisterung und deutscher Häme erklärt sich nicht allein durch die Spielmechanik, sondern auch durch unterschiedliche kulturelle Erwartungshaltungen. In Großbritannien galt die Schlacht von Rorke’s Drift als heroisches Kapitel der Militärgeschichte, das man nun interaktiv nachspielen konnte. In Deutschland hingegen wirkte die Kolonialthematik fremd, das Tempo träge, die Präsentation unfreiwillig komisch. So wurde ein und dasselbe Spiel im einen Land als spannendes Taktikexperiment wahrgenommen, im anderen als Totalausfall.

Kontrovers diskutiert wurde auch die moralische Dimension: Einige Kritiker sahen in Rorke’s Drift eine einseitige Verherrlichung der britischen Perspektive. Der britische Rezensent Laurence Scotford formulierte treffend, es sei ein Titel, den man „either love or hate“ (entweder liebt oder hasst). Diese Polarisierung spiegelte sich in Wertungen von knapp über 80 % bis hinunter zu 4 % wider – eine Spanne, wie man sie selten in der Spielegeschichte findet.

Interessant ist, dass während der Entwicklung wohl auch Überlegungen bestanden, mehr Szenarien des Anglo-Zulu-Krieges zu integrieren. Skizzen zeigten alternative Schauplätze, die es aber nie ins Spiel schafften – vermutlich aus Zeit- und Kostengründen. Stattdessen konzentrierte man sich ganz auf das Missionslager von Rorke’s Drift. Auch die Steuerung war ursprünglich komplexer geplant, mit verschiedenen Formationsbefehlen, doch im fertigen Spiel reduzierte man dies auf simples Klicken und Positionieren.

Heute gilt Rorke’s Drift als Kuriosum der Spielegeschichte. Auf MobyGames liegt die Durchschnittswertung bei rund 43 % – irgendwo zwischen britischem Schulterklopfen und deutschem Kopfschütteln. Für Fans von Retro-Strategie bleibt es ein Titel, den man entweder nostalgisch schätzt oder schmunzelnd in die Kategorie „gute Idee, schlechte Umsetzung“ einsortiert. Vielleicht passt Grabowskis eigener Stolz rückblickend am besten: innovativ war Rorke’s Drift in der Tat – nur ob es auch wirklich Spaß machte, darüber streiten sich die Geister bis heute.