Windows 2.0

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Windows 2.0

windwos 2 titleIm Dezember 1987 veröffentlichte Microsoft mit Windows 2.0 ein Betriebssystem, das auf den ersten Blick wie eine unspektakuläre Weiterentwicklung wirkte, tatsächlich aber ein entscheidender Meilenstein in der Geschichte grafischer Benutzeroberflächen auf dem PC war. Nach dem mäßigen Erfolg von Windows 1.01, das Ende 1985 erschienen war, erkannte man bei Microsoft schnell, dass man noch einen langen Weg vor sich hatte, um im GUI-Markt Fuß zu fassen. Bill Gates äußerte sich dazu bereits im Frühjahr 1986 in einem internen Memo: „Die grafische Benutzeroberfläche ist die Zukunft. Wir haben es beim ersten Mal nicht richtig gemacht, aber wir können es uns nicht leisten, es nicht noch einmal zu versuchen.“

Die Entwicklung von Windows 2.0 startete kurz nach der Veröffentlichung von Version 1.01. Die Leitung übernahm erneut Tandy Trower, der bereits beim Vorgänger an vorderster Front stand. Unterstützt wurde er u. a. von David Weise und Nathan Myhrvold. Weise schilderte seine Motivation rückblickend: „Windows 1.0 war nicht meine Vorstellung von einer Fensterumgebung. Ich wollte noch einmal von vorn anfangen und es diesmal richtig machen.

Windows 2.0 wurde rund anderthalb Jahre lang entwickelt und existierte intern in mehreren Zwischenversionen, die allerdings nie öffentlich zugänglich waren. OEM-Partner wie Compaq und Zenith erhielten Vorabfassungen, um die Kompatibilität zu testen und Feedback zu liefern. Besonders Compaq spielte eine zentrale Rolle, da sie Microsoft drängten, den neuen Intel 80386-Prozessor voll auszunutzen. So entstand neben der regulären Windows-2.0-Version auch Windows/386, eine technisch deutlich fortgeschrittenere Variante.

windows 2.0Diese Version nutzte erstmals den „Virtual 8086 Mode“ des 386ers, um mehrere gleichzeitige DOS-Sitzungen in voneinander isolierten Speicherbereichen auszuführen – ein Vorläufer heutiger Virtualisierung. Die Entwickler bei Microsoft bezeichneten das Feature intern scherzhaft als „multiboxing“. In einer späteren Pressemitteilung beschrieb Microsoft diese Fähigkeit als „den bedeutendsten Fortschritt im PC-Multitasking seit der Erfindung des Timesharing-Systems.“

Windows/386 unterstützte sowohl den sogenannten Extended Memory als auch den Expanded Memory (EMS nach LIM-Standard), der über spezielle Speicher-Hardware wie Intel Above Board realisiert wurde. Das berühmte 640-KB-Limit von DOS konnte so auf raffinierte Weise umgangen werden. David Weise erklärte das Konzept so: „Wir mussten DOS austricksen, damit es denkt, es wäre allein. Es war, als hätte man mehrere kleine DOS-Maschinen innerhalb einer großen.“

Das Betriebssystem erschien am 9. Dezember 1987 in zwei Hauptvarianten: Windows 2.03 (Standard) und Windows/386 2.01. Weitere Zwischenupdates folgten 1988 (u. a. Version 2.1x), vor allem zur Fehlerbehebung und um neue Hardware wie VGA-Grafikchips zu unterstützen. Microsoft veröffentlichte diese Versionen meist stillschweigend, da sie primär OEMs wie IBM und Compaq zugedacht waren.

Ausgeliefert wurde Windows 2.0 je nach Format auf fünf 5,25-Zoll-Disketten oder drei 3,5-Zoll-Disketten. Der Speicherbedarf auf der Festplatte betrug je nach Konfiguration zwischen 1,2 und 1,5 MB. Die Mindestanforderungen: ein IBM-kompatibler PC mit 8086/88- oder 286-Prozessor, 512 KB RAM, MS-DOS 3.0 oder höher, monochrome oder CGA-, EGA-, Hercules-Grafik, Diskettenlaufwerk – eine Festplatte und Maus wurden empfohlen, waren aber nicht zwingend.

Microsoft lieferte Windows 2.0 mit einer ganzen Reihe von Zusatzprogrammen aus, darunter:

  • Write (einfache Textverarbeitung)

  • Paint (ursprünglich „Paintbrush“ – simples Malprogramm)

  • Notepad

  • Kalender, Uhr, Rechner, Clipboard

  • Control Panel für Systemeinstellungen

  • sowie frühe Versionen von Dynamic Data Exchange (DDE), mit dem Programme erstmals miteinander kommunizieren konnten

windows 2.0So konnte zum Beispiel ein in Write eingefügter Wert aus einer Excel-Tabelle automatisch aktualisiert werden – eine Funktion, die später als OLE (Object Linking and Embedding) weiterentwickelt wurde.

Die Einführung von überlappenden Fenstern – vorher war nur ein Nebeneinander möglich – löste jedoch nicht nur technische Begeisterung, sondern auch rechtlichen Ärger aus. Im April 1988 reichte Apple eine Klage gegen Microsoft und Hewlett-Packard ein. Der Vorwurf: Windows 2.0 habe das Erscheinungsbild („Look & Feel“) des Macintosh unrechtmäßig kopiert, insbesondere Fenster mit Titelleisten, Icons, Menüleisten und überlappende Darstellungen. Microsoft verteidigte sich mit Verweis auf ein Abkommen von 1985, in dem Apple Microsoft die Nutzung bestimmter GUI-Elemente für Windows 1.0 gestattet hatte. Microsoft argumentierte, dass diese Vereinbarung auch für Windows 2.0 gelte – was Apple anders sah.

Ein Apple-Manager schrieb später in einer während des Verfahrens veröffentlichten E-Mail resigniert: „Wir haben ihnen den Stift gegeben – und sie haben den Rest des Bildes damit gezeichnet.“

Nach jahrelangem Rechtsstreit entschied ein US-Bundesgericht 1993 endgültig zugunsten von Microsoft. Die Begründung: Grafische Bedienkonzepte wie Fenster, Icons und Menüs seien funktionale Elemente und daher nicht urheberrechtlich schützbar. Dieses Urteil hatte weitreichende Folgen und prägte die GUI-Rechtslage für Jahrzehnte. Bill Gates kommentierte das Ergebnis später in einem Interview trocken: „Wir haben nichts gestohlen. Wir haben das gemacht, was Xerox schon vorher gemacht hatte, nur besser.

In Sachen Markterfolg war Windows 2.0 ein verhaltener Fortschritt. Microsoft konnte schätzungsweise etwa zwei Millionen Einheiten bis zur Einführung von Windows 3.0 im Jahr 1990 absetzen. Der Einführungspreis lag bei rund 99 US-Dollar, was inflationsbereinigt heute etwa 270 bis 280 Dollar entspräche. Microsoft selbst sah Windows 2.0 weniger als Endprodukt, sondern als strategische Brücke. Bill Gates äußerte damals: „Es geht nicht darum, den Markt sofort zu erobern. Wir legen nur die Puzzlestücke aus.“ Und David Weise ergänzte: „Wir haben nicht einfach ein Betriebssystem gebaut – wir haben eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft geschaffen.

Im Vergleich zur Konkurrenz war Windows 2.0 eine Art Chamäleon: Apples System 5.0 auf dem Macintosh war eleganter, schneller und konsistenter – aber nur auf Apple-Hardware nutzbar. Commodores GEOS bot sogar auf dem C64 eine grafische Oberfläche auf zwei Disketten mit 64 KB RAM. IBM OS/2, das mit Microsoft gemeinsam entwickelt wurde, war ambitionierter, aber schwerfälliger – und litt darunter, dass Microsoft mit Windows parallel ein konkurrierendes System aufbaute. Bei IBM nannte man Windows damals intern „eine unkontrollierte Nebenstraße“.

Heute ist Windows 2.0 vor allem ein Stück Technikgeschichte – ein Bindeglied zwischen dem wenig erfolgreichen Windows 1.x und dem großen Durchbruch mit Windows 3.0. Ohne seine Einführung hätte es weder die „3.x“-Reihe noch Windows 95 in dieser Form gegeben. Auch wenn es nie das Rampenlicht erhielt, das spätere Versionen genossen, war es doch ein entscheidender Mosaikstein in Microsofts Plan, den PC-Markt zu dominieren. Wie Gates selbst es einst sagte: „Das hier ist kein Sprint. Es ist ein Marathon. Und Windows 2.0 ist unser erster Schritt mit richtigen Laufschuhen.

Veröffentlicht in OS.

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