Dubna 48k

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Dubna 48k

samsung digital cameraDer Dubna 48K war ein sowjetischer Heimcomputer und ein direkter Klon des Sinclair ZX Spectrum 48K, ausgestattet mit 48 Kilobyte Arbeitsspeicher. Entwickelt und produziert wurde er im Instrumentenwerk „Tensor“ in der Stadt Dubna nahe Moskau, das eigentlich auf Messtechnik und Komponenten für Kernkraftwerke spezialisiert war. Ende der 1980er Jahre, als sich der staatliche Bedarf an solchen Geräten verringerte, suchte das Werk nach neuen Produkten und wandte sich dem aufkommenden Markt für Personalcomputer zu. Der britische ZX Spectrum diente als technisches Vorbild, da er sich durch einfache Bauweise und eine große Softwarebibliothek auszeichnete. Bereits 1987 liefen erste Exemplare des Dubna 48K vom Band, offiziell in größerer Stückzahl jedoch erst ab den frühen 1990er Jahren. Damit gehörte er zu den ersten in Russland hergestellten Heimcomputern und fand vor allem im Bildungswesen weite Verbreitung.

Federführend bei der Entwicklung war Sergej Wlassow, Ingenieur bei Tensor, der in lokalen Publikationen oft als „Vater des Dubna 48K“ bezeichnet wird. Wlassow erinnerte sich später daran, dass der Verkaufspreis bei etwa 700 bis 800 Rubel lag, was dem Wert eines Farbfernsehers entsprach. Für sowjetische Privathaushalte war dies eine erhebliche Investition, die inflationsbereinigt rund 1.500 Euro in heutiger Kaufkraft ausmacht. Im Lieferumfang befanden sich neben dem Rechner ein externes Netzteil, ein HF-Modulator für den Fernseher sowie umfangreiche Handbücher, darunter ein BASIC-Handbuch und sogar vollständige Schaltpläne – etwas, das den Bildungscharakter dieses Geräts unterstrich.

Technisch basierte der Dubna 48K auf einem Z80-kompatiblen Prozessor, konkret dem in der DDR gefertigten MME 80A. Dieser lief allerdings nur mit 1,875 Megahertz – etwa halb so schnell wie der originale ZX Spectrum mit 3,5 Megahertz. Um den langsameren Takt zu berücksichtigen, mussten die Routinen im ROM entsprechend angepasst werden. Trotz dieser Modifikationen blieb ein Geschwindigkeitsnachteil, der sich vor allem in Spielen bemerkbar machte: Actiontitel liefen spürbar langsamer, und schätzungsweise 10 bis 15 Prozent der Spectrum-Spiele konnten gar nicht geladen werden, da ihre Schnelllader nicht kompatibel waren. Besonders betroffen waren Spiele mit eigenen Kassettenladeverfahren, während textbasierte Adventures meist problemlos funktionierten.

Der Rechner besaß 48 Kilobyte RAM, verteilt auf 16 einzelne Speicherchips, sowie 16 Kilobyte ROM mit dem Sinclair BASIC-Interpreter. Als Grafikmodus diente die Spectrum-typische Auflösung von 256 mal 192 Bildpunkten mit 15 darstellbaren Farben – acht Grundfarben, jeweils in normal oder hell, was praktisch 15 verschiedene Farbwerte erlaubte. Die Ausgabe erfolgte auf einem handelsüblichen Fernseher, über einen mitgelieferten Modulator für das sowjetische SECAM-Fernsehsystem. Ein Textmodus mit 32 mal 24 Zeichen stand ebenso zur Verfügung. Gespeichert wurde auf Kompaktkassetten, und ein passender Rekorder musste separat angeschlossen werden. Ein Diskettenlaufwerk war nicht vorgesehen, konnte aber theoretisch nachgerüstet werden. Besonderheiten waren ein serienmäßiger RS-232-Anschluss, der für serielle Datenübertragung nutzbar war, sowie ein Joystickport, kompatibel zum Kempston-Interface. Der Sound beschränkte sich auf einen einfachen 1-Bit-Lautsprecher für Pieptöne, womit der Dubna weit hinter westlichen Rechnern wie dem Commodore 64 zurückblieb.

Das Gehäuse existierte in mehreren Ausführungen: zunächst aus Metall, später auch aus Kunststoff, und in unterschiedlichen Farben wie Grau, Schwarz oder sogar Gelb. Mit rund 32 mal 25 Zentimetern Grundfläche war er kompakt, aber deutlich schwerer als westliche Pendants, da viele Schaltungen diskret mit über 60 Standardchips aufgebaut waren. Der Dubna startete nach dem Einschalten direkt in den Sinclair BASIC-Interpreter, ein eigenständiges Betriebssystem gab es nicht. Software musste geladen oder selbst programmiert werden, wozu er in sowjetischen Schulen rege genutzt wurde. Hier erfüllte der Dubna seine Rolle als Lerncomputer, mit dem Schüler erste Schritte in Programmierung und Informatik unternahmen. Spiele, vor allem portierte Spectrum- und teils sogar umgesetzte NES-Titel, machten ihn gleichzeitig für Jugendliche attraktiv.

Verglichen mit Konkurrenzmodellen zeigte der Dubna klare Vor- und Nachteile. Gegenüber Bastlerlösungen wie dem „Leningrad“-Klon war er ein voll montiertes, robustes Produkt, das ohne Eigenbau nutzbar war. Gegenüber leistungsfähigeren Clones wie dem Pentagon 48K oder westlichen Heimcomputern hinkte er jedoch spürbar hinterher: geringere Geschwindigkeit, kein Soundchip, keine Massenspeichererweiterung. Dennoch war sein größter Vorteil die Verfügbarkeit – in der UdSSR konnte man den Dubna offiziell kaufen, während westliche Rechner schwer zugänglich und teuer waren.

vlv8rfts0t051Über die Verkaufszahlen gibt es keine offiziellen Angaben, doch Berichte sprechen von einer reißenden Nachfrage. Tausende Exemplare gelangten an Schulen, Institute und Privatkunden in der ganzen Sowjetunion. In der Presse wurde er vereinzelt als Beispiel für den technischen Aufholversuch der UdSSR gewürdigt. Später erlangte der Dubna 48K einen kuriosen Nachruhm, als er im Hollywood-Film „Jason Bourne“ als Hacker-Werkzeug gezeigt wurde – eine ironische Verzerrung, da der echte Dubna kaum mehr konnte als einfache Spiele und BASIC-Programme.

Für das Werk Tensor bedeutete der Dubna 48K einen kurzzeitigen Ausflug in die Welt der Heimcomputer. Die Leitung um Juri Nikitski und Viktor Pigarew hatte das Projekt aus ökonomischen Gründen angestoßen, um ein neues Standbein aufzubauen. Nach dem Ende der Sowjetunion und dem Nachlassen der Nachfrage stellte Tensor die Computerproduktion jedoch wieder ein und konzentrierte sich erneut auf Spezialtechnik. Damit blieb der Dubna 48K ein Einzelstück, das dennoch eine ganze Schülergeneration prägte.

Sergej Wlassow, sein Hauptentwickler, ging als Name untrennbar mit dem Projekt in die russische Computerhistorie ein, auch wenn seine Karriere ansonsten kaum dokumentiert ist. Weitere beteiligte Ingenieure wie Viktor Pigarew leiteten später andere Unternehmenszweige. So bleibt der Dubna 48K ein nostalgisches Symbol für den Einzug der Heimcomputer in sowjetische Haushalte und Klassenzimmer, technisch schon bei Erscheinen veraltet, aber kulturell ein bedeutendes Bindeglied zwischen den westlichen Heimcomputern der 80er Jahre und der jungen Informatikgeneration der 90er in Russland.

Veröffentlicht in Systeme.

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