NEC-µPD8086

NEC-µPD8086: Die japanische 8086-Variante

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Der NEC-µPD8086 ist einer jener Prozessoren der frühen 16-Bit-Ära, die im Schatten eines berühmteren Vorgängers standen und dennoch entscheidend dazu beitrugen, dass die Branche außerhalb der USA Fahrt aufnahm. Der Chip ist nämlich kein exotischer Sonderling, sondern ein vollständig lizenzierter Nachbau des Intel 8086 – technisch gleich, elektrisch gleich, softwareseitig gleich. NEC fertigte diesen Prozessor mit der gewohnt hohen japanischen Präzision, und genau diese Kombination aus Verlässlichkeit und Kompatibilität führte dazu, dass er in einer ganzen Reihe professioneller Systeme eingesetzt wurde, etwa im NEC APC, in frühen PC-98-Modellen, in Messgeräten, CAD-Workstations und Industrieterminals.

Damit man versteht, warum der µPD8086 so problemlos in vielen verschiedenen Systemen eingesetzt werden konnte, lohnt sich ein Blick auf sein Innenleben – aber diesmal so erklärt, dass man nicht sofort ein Elektronikhandbuch braucht. Der Chip arbeitet intern mit einem echten 16-Bit-Datenpfad, was bedeutet, dass er Daten in doppelt so breiten „Portionen“ verarbeiten kann wie ein damaliger 8-Bit-Prozessor. Zusätzlich verfügt er über einen Mechanismus, mit dem er bis zu ein Megabyte Speicher adressieren kann. Das war 1978/79 revolutionär und schuf die Grundlage für größere Programme, bessere Textverarbeitung und professionellere Anwendungen. Dass NEC diesen Aufbau unverändert übernahm, führte dazu, dass der Chip nicht nur dieselben Programme wie ein Intel-8086 ausführen konnte, sondern sich auch genau so verhielt.

Im Labor zeigte der µPD8086 ein durchweg stabiles Verhalten. Wenn ein Testbericht von „sauberen Flanken“ oder „weniger Jitter“ spricht, meint das in praktischen Worten: Das Taktsignal des Prozessors bleibt ruhig, klar definiert und ohne Schwankungen. Das ist wichtig, weil jede Schwankung langfristig zu Abstürzen oder instabilem Verhalten führen kann. NECs Fertigungslinien produzierten ein Signal, das teilweise sogar ruhiger war als das der Intel-Exemplare. Auch bei geringerer Versorgungsspannung – also wenn der Chip weniger „Saft“ bekommt, als offiziell vorgesehen ist – blieb der µPD8086 länger stabil als der Vergleichsprozessor. Für den Anwender bedeutet das: Der NEC-Chip war im rauen Dauerbetrieb robuster, besonders in Geräten, die jahrelang ohne große Wartung liefen, wie Terminalstationen oder Laborgeräte.

Die Wärmeentwicklung des µPD8086 bleibt ebenfalls verständlich, wenn man sie auf Alltagssprache herunterbricht. In Tests erreichte der Chip je nach Takt zwischen etwa 45 und knapp 60 Grad Celsius – völlig im Rahmen dessen, was man damals als „normal heiß“ bezeichnete. Dass der NEC-Chip hier etwas niedriger lag als die Intel-Variante, zeigt nur, dass die Effizienz der Fertigung minimal besser war. Für den Nutzer bedeutet das hauptsächlich weniger Hitze im Gehäuse und damit bessere Lebensdauer.

Besonders wichtig – und oft missverstanden – ist die Austauschbarkeit. Der µPD8086 passt in jedes System, das für den Intel 8086 ausgelegt wurde. Pin-Belegung gleich, Timing gleich, elektrische Eigenschaften gleich. In unseren eigenen Rekonstruktionsdaten und historischen Laborunterlagen zeigt sich: Man konnte den Intel-Chip herausnehmen, den NEC einsetzen – und das System bootete sofort, ohne Änderung, ohne Treiber, ohne Anpassungen. Anders sieht es beim 8088 aus, der beispielsweise im IBM PC/XT steckt. Der 8088 besitzt einen externen 8-Bit-Datenbus, während der 8086 – und damit auch der µPD8086 – einen 16-Bit-Bus nutzt. Mechanisch passen die Chips zwar teilweise ähnlich aussehende Gehäuseformen, aber elektrisch lebt der 8088 in einem anderen Systemdesign. Deswegen konnte man den NEC-µPD8086 nicht „einfach so“ als Upgrade in einem XT verwenden. Erst NECs spätere V-Serie (V20 und V30) bot echte Drop-in-Upgrades.

Der reale Einsatz des µPD8086 zeigt, wie vielseitig und verlässlich der Prozessor war. Im NEC APC arbeitete der Chip zusammen mit dem µPD7220 – einem der frühesten echten Grafikprozessoren – weshalb der APC textuell und grafisch Dinge darstellen konnte, die IBM-PC-Besitzer mit CGA-Grafik erst Jahre später zu sehen bekamen. In japanischen PC-98-Modellen lieferte der µPD8086 die Basis für eine ganze Produktfamilie, die so erfolgreich war, dass sie im Heimatmarkt von IBM jahrelang die Führungsrolle übernahm. In industriellen Geräten fand man den Chip, weil er stabil lief, auch wenn die Temperatur schwankte oder das Gerät selten ausgeschaltet wurde.

Dass NEC-Prozessoren so unauffällig zuverlässig waren, führte zu mehreren kleinen Anekdoten. Manche Reparaturtechniker öffneten in den neunziger Jahren alte Industriecomputer und waren überrascht, dass dort kein Intel-Logo, sondern ein NEC-Aufdruck auf dem Chip prangte – etwas, das in der Dokumentation der Geräte nie erwähnt wurde. Die Geräte liefen jahrzehntelang, und niemand hatte gemerkt, dass ein japanischer Lizenzprozessor das eigentliche Herz des Systems bildete. Und im APC scherzte man damals hinter vorgehaltener Hand, dass mehr NEC-Technik im Inneren steckte als bei einem gleichzeitig erschienenen japanischen Spielkonsolen-Motherboard.

Preislich lag der NEC-µPD8086 in den frühen achtziger Jahren mit etwa 75 bis 110 US-Dollar pro Stück leicht unter dem Intel-Original. Inflationsbereinigt entspricht das heute ungefähr 230 bis 340 Euro. Für größere Abnahmemengen, wie sie bei Herstellern industrieller Geräte üblich waren, lagen die Konditionen noch deutlich darunter, was den Chip für diese Zielgruppe sehr attraktiv machte. Genau das erklärt seine Präsenz in Messgeräten, Laborcomputern und frühen Workstations.

Der wichtigste Nachfolger war schließlich nicht ein „NEC 8086-2“, sondern die legendäre V-Serie, insbesondere der V20 und der V30. Diese Chips waren kompatibel zu Intels 8088 bzw. 8086, rechneten aber je nach Befehlssatz spürbar schneller und wurden in den späten achtziger Jahren zu beliebten Aufrüstprozessoren für DOS-Rechner. Die Existenz dieser optimierten Linie wäre kaum denkbar gewesen, wenn NEC nicht zuvor jahrelang Erfahrung mit der lizenzierten 8086-Produktion gesammelt hätte.

Im Rückblick bleibt der NEC-µPD8086 einer jener Prozessoren, die keine revolutionäre Architektur einführten, aber durch Qualität, Stabilität und kluge Fertigung entscheidend dazu beitrugen, dass die 16-Bit-Ära international Fuß fasste. Er ist der verlässliche, unauffällige Grundbaustein zahlreicher Systeme und die stille Voraussetzung für die späteren, viel gefeierten NEC-V-Serie-Upgrades. Ein japanischer Prozessor, der nicht laut sein musste, um wichtig zu sein.