Chicago 90 – 1990 by Microids

Chicago 90 - 1990 by Microids

300256893 tcimg b1ae254eSirenen heulen auf und quietschende Reifen hallen durch eine isometrische Pixel-Stadt: Chicago 90 – ein ungewöhnliches Action-Rennspiel von Microïds aus dem Jahr 1989 – versetzte die Spieler mitten in eine virtuelle Verfolgungsjagd. Dabei ließ sich das französische Entwicklerteam zu einem augenzwinkernden Konzept inspirieren: Was wäre, wenn Pac-Man ein Fluchtauto wäre und die Geister Polizeiwagen? In Chicago 90 schlüpft man entweder in die Rolle eines Gangsters auf der Flucht oder übernimmt das Kommando der Polizei. Als Gangster gilt es, nach einem Bankraub die Stadtgrenzen zu erreichen, bevor die Polizei einen einkesselt. Als Polizeichef hingegen koordiniert man bis zu sechs Einsatzwagen, um den flüchtigen Ganoven zu stellen. Dieses duale Spielprinzip – Gangster gegen Gesetzeshüter – war 1989 erfrischend originell und sorgte für zwei sehr unterschiedliche Spielerfahrungen innerhalb eines Spiels.

Der Gangster steuert ein rotes Fluchtauto durch die schachbrettartigen Straßen von „Chicago“, die eher einem Labyrinth als einer realistischen Stadt gleichen. Eine Übersichtskarte zeigt die Positionen aller Polizeiwagen an, während ein kleines Fenster den Blick durch die Windschutzscheibe darstellt. Dieses Split-Screen-Interface mit isometrischer Stadtkarte und „Driver’s View“ war für die späten 80er durchaus eindrucksvoll und sollte den Nervenkitzel einer Verfolgungsjagd vermitteln. Im Polizeimodus wechselt der Spieler aktiv zwischen einzelnen Einsatzfahrzeugen und gibt den übrigen KI-Streifenwagen einfache Befehle, um den Fluchtwagen einzukreisen. Drei Schwierigkeitsgrade bestimmten dabei die Hartnäckigkeit der Polizei. Ein Zeitlimit erhöhte zusätzlich den Druck – insbesondere als Gangster musste man die Stadtgrenzen erreichen, bevor die Sirenen endgültig jubelten.

Obwohl Chicago 90 technisch sauber umgesetzt war und mit fein gezeichneten Stadtgrafiken punktete, zeigten sich bald die Grenzen. Die Detailverliebtheit – etwa springende Autos beim Vollgas über Bordsteine – konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Spielwelt statisch und leblos wirkte. Vor allem die künstliche Intelligenz der Verfolger erwies sich als haarsträubend: Polizeiwagen blieben bei Hindernissen einfach stehen oder fuhren sich gegenseitig fest. Kritiker witzelten, die Streifenwagen zögerten bei Kollisionen nur deshalb, um ihre Kfz-Versicherung zu konsultieren. Diese Schwächen machten zwar aus Gangster-Perspektive Spaß, untergruben jedoch die Balance des Spiels.

Hinter den Kulissen war Chicago 90 ein typisches Microïds-Projekt jener Zeit. Das Studio, gegründet 1985 von Elliot Grassiano und Patrick Le Nestour, setzte bewusst auf ungewöhnliche Ideen. Programmierer und Co-Designer Patrick Le Nestour hatte bereits mit 500cc Grand Prix und dem Wintersporttitel Super Ski Erfahrung gesammelt. Für die Grafiken sorgten Cédric Cazal und Aurélien Murru, die sich mit isometrischen Straßenzügen und klaren Farben austobten. Dominique Sablons steuerte zusätzliche Grafiken bei, er war später auch an den Adventures Mortville Manor und Maupiti Island beteiligt. Der Komponist Claude Abromont lieferte die Musik – wobei diese fast gänzlich fehlt. Abgesehen von einem kurzen Titeljingle herrscht während des Spiels Stille, lediglich Sirenen und Motorengeräusche begleiten die Action. Später ergänzte Microïds nach Kritik einzelne Melodien und Effekte, eine Art nachträgliches Update, das damals eher ungewöhnlich war.

Die Entwicklungszeit begann auf dem französischen Heimcomputer Amstrad CPC. Microïds nutzte damals ein hybrides Verfahren: programmiert wurde oft auf dem PC mit CPC-Emulator, während Grafiken am Atari ST entstanden. So wurde Chicago 90 zunächst auf dem CPC veröffentlicht, bevor Umsetzungen für Atari ST, Amiga, MS-DOS und sogar die alternden Thomson-Rechner folgten. Gerade diese Thomson-Version sorgte in der französischen Presse für Respekt: kaum ein Hersteller brachte 1989 noch neue Spiele für diese Plattform. Auf den 16-Bit-Systemen war die Präsentation deutlich besser, doch spielerisch blieb alles beim Kernprinzip.

Der wirtschaftliche Erfolg blieb begrenzt. In Frankreich wurde Chicago 90 wohlwollend aufgenommen – das Magazin Génération 4 zeichnete es sogar als „Hit des Monats“ aus. In Großbritannien vergaben Tester ordentliche, aber keine Spitzenwertungen. In Deutschland dagegen fiel das Urteil verheerend aus: die Power Play attestierte dem Spiel kaum Spielspaß, die ASM vergab für die Tari ST Version nur 2 von 12 Punkten, die PC Version durfte sich sogar nur mit einem Punkt vergnügen. Angesichts dieser Spannweite erstaunt es nicht, dass Chicago 90 bald in Budget-Sammlungen wie Full Blast oder Hits for Six landete. Der schnelle Wechsel ins Billigsegment deutet darauf hin, dass die Verkäufe hinter den Erwartungen zurückblieben.

Dabei war die Idee eines Zwei-Spieler-Modus durchaus im Gespräch. Es existierten interne Skizzen für einen Splitscreen, in dem ein Spieler den Gangster und der andere die Polizei steuert. Doch der Plan scheiterte an den technischen Limitierungen und der knappen Entwicklungszeit. Ebenso wurden mehrere Stadtareale verworfen – am Ende blieb es bei einer Karte in drei Schwierigkeitsstufen. Einzelne Routinen, die für Chicago 90 geplant waren, flossen später in Highway Patrol II ein.

Die Entwicklerkarrieren gingen unterschiedlich weiter. Le Nestour blieb noch einige Jahre aktiv und wirkte etwa an Detroit von 1994 mit, bevor er die Spielebranche verließ. Cazal arbeitete an weiteren Renn- und Sportspielen, Dominique Sablons etablierte sich im Adventure-Genre, und Claude Abromont wechselte in die Musikwissenschaft, wo er sich als Autor einen Namen machte.

Chicago 90 ist kein Klassiker im Sinne eines Dauerbrenners, aber es verkörpert die kreative Experimentierfreude eines jungen französischen Studios. Seine Mischung aus Arcade und Taktik wirkt bis heute charmant, auch wenn die KI nicht annähernd mithielt, was die Verpackung versprach. Der Titel „90“ im Namen war vermutlich schlicht ein Marketinggriff zum Erscheinungsjahr – ähnlich wie bei Paradroid 90. Statt ein realistisches Gangsterdrama zu inszenieren, bekamen Spieler ein fast schon karikatureskes Katz-und-Maus-Spiel mit hupenden Polizisten und einem störrischen roten Fluchtauto.

So bleibt Chicago 90 ein liebenswertes, leicht schräges Relikt seiner Zeit. Es erinnert daran, dass man Ende der Achtziger in Frankreich bereit war, auch eigenwillige Konzepte umzusetzen – selbst wenn sie nicht auf Anhieb den internationalen Durchbruch schafften. Wer sich heute an die Sirenen und die unbeholfenen KI-Cops zurückerinnert, der tut es meist mit einem Schmunzeln. Und genau dafür hat sich dieses kleine Experiment gelohnt.

 

Trantor: The Last Stormtrooper – 1987 by Probe Software

Trantor: The Last Stormtrooper - 1987 by Probe Software

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Trantor: The Last Stormtrooper erschien 1987 auf den 8-Bit-Heimcomputern ZX Spectrum, Commodore 64, Amstrad CPC und MSX – veröffentlicht vom britischen Publisher Go! (einem Label von U.S. Gold). Hinter dem Spiel stand das Londoner Studio Probe Software. Das kleine Team um Programmierer David Quinn und David Perry sowie Grafiker Nick Bruty schuf mit Trantor einen Genre-Mix aus Plattform- und Shooter-Elementen. Die Handlung folgt einem Elitesoldaten, der als einziger den Angriff auf sein Raumschiff überlebt und nun allein in einer feindseligen Alien-Basis ums Überleben kämpft. Ausgerüstet nur mit einem Flammenwerfer muss der Spieler einen Weg finden, der Station zu entkommen, bevor ihm die Zeit davonläuft. Die Hintergrundgeschichte wird dabei größtenteils durch das Handbuch vermittelt: Acht Computersicherheits-Terminals, verstreut auf mehreren Ebenen der Basis, enthalten Buchstaben, die zu einem Passwort zusammengesetzt werden müssen, um den Teleporter für die Flucht zu aktivieren. Diese Code-Wörter sind augenzwinkernde Begriffe aus der Heimcomputer-Welt – ein Detail, das Spielern als nettes Easter Egg auffiel.

Spielerisch setzt Trantor auf ein rasantes Rennen gegen die Zeit: Zu Spielbeginn bleiben lediglich 90 Sekunden, die nur durch das Finden der Code-Buchstaben immer wieder aufgestockt werden. Die verwinkelte Station ist als labyrinthartiges, horizontal scrollendes Level aufgebaut, durch Aufzüge verbunden. Überall lauern aggressive Aliens und fliegende Droiden, die Energie abziehen, sobald Trantor mit ihnen in Berührung kommt. Zur Verteidigung dient der eindrucksvolle Flammenwerfer – doch dessen Treibstoff ist knapp bemessen und muss regelmäßig an verstreuten Tanks nachgefüllt werden. Außerdem findet man in Schließfächern gelegentlich Extras wie Hamburger (Lebensenergie) oder Uhren, die den Countdown zurücksetzen. Wenn entweder die Lebensenergie auf null sinkt oder der Timer abläuft, ist das Spiel vorbei. Als besonderen Gag zeigt der Game-Over-Bildschirm neben dem prozentualen Fortschritt einen frechen Kommentar zur Leistung – erreicht man etwa nur neun Prozent, erscheint die Zeile „Is that you, Fergus?“ als Anspielung auf Probe-Mitgründer Fergus McGovern.

Technisch setzte Trantor neue Maßstäbe auf den Heimcomputern. Schon das Laden des Spiels überraschte die Spieler mit einer animierten Intro-Sequenz – für 1987 eine Seltenheit. In dieser Vorspannanimation sieht man Trantors Raumschiff in einem Schacht landen, den Helden aussteigen und zu seinen Kameraden winken – nur um dann mitansehen zu müssen, wie das Schiff explodiert und ihn als letzten Überlebenden zurücklässt. Auf dem Amstrad CPC und Spectrum 128k untermalte sogar eine digitalisierte Sprachausgabe die Titelanzeige, die mit verzerrter Computerstimme „Trantor, the Last Stormtrooper“ ankündigte. Diese für die damalige Hardware bemerkenswerten Features – flüssige Animationsphasen, große farbige Sprites und eben jenes Intro mit Sprachausgabe – machten Trantor sofort zu einem Blickfang in der Spielepresse. Sinclair User etwa lobte Trantors Hauptfigur als „die realistischste Animation, die ich auf einem 8-Bit-Computer je gesehen habe“. Auch Your Sinclair zeigte sich begeistert und pries das Spiel als „wunderbare Unterhaltung, weit mehr wert als den geforderten Preis“ (Wertung 9/10). Tatsächlich verliehen gleich zwei führende britische Magazine dem Titel Sonderauszeichnungen – Sinclair User kürte es zum „Classic“, Your Sinclair zum „Megagame“. Selbst die Musik stach hervor: Komponist David Whittaker lieferte einen eingängigen Soundtrack ab, der von den Lesern der Crash-Zeitschrift prompt zum „Best Music of 1987“ gewählt wurde. Angesichts von Whittakers späteren bekannten Werken wie Shadow of the Beast oder Speedball überrascht die musikalische Qualität kaum.

Allerdings war nicht alle Kritik euphorisch. Das Konkurrenzmagazin CRASH monierte, dass die „exzellente Präsentation und Grafik ein seichtes Gameplay kaschieren“ würden, und vergab nur 68 Prozent. Tatsächlich besteht Trantor im Kern aus nur einer einzigen, stark auf Zeitdruck ausgelegten Level ohne klassische Stage-Abfolge – ein Design, das zwar der begrenzten Speicherkapazität geschuldet war, aber die spielerische Tiefe einschränkte. Trantor-Grafiker Nick Bruty gibt rückblickend offen zu: „Als Trantor mein erstes eigenes Spieldesign war, dachte ich mir: ‘Screw it. I’m going to blow the entire memory on art and keep the game simple.’“ Diese „alles auf die Grafik setzen“-Philosophie zahlte sich visuell aus, führte aber zu simplen Lauf-und-Schieß-Mechaniken. Bruty und Programmierer David Perry merkten bald, dass der riesige Spielfigur-Sprite und das auf horizontale Bewegung beschränkte Gameplay ihre kreativen Möglichkeiten eingrenzten. „Wir waren frustriert mit Trantor und Savage – immer nur nach links und rechts zu rennen,“ erinnerte sich Bruty, „das limitierte einfach, was man spielerisch machen konnte.“ Für ihr nächstes Projekt (Dan Dare III) beschlossen sie daher, technisch einen Schritt weiterzugehen und etwa acht-Wege-Scrolling einzubauen, um dem Gameplay mehr Tiefe zu verleihen.

Die Entwicklung von Trantor: The Last Stormtrooper fand im Laufe des Jahres 1987 in hohem Tempo statt. Probe Software arbeitete parallel an mehreren Titeln für Go!, dennoch konnte Trantor rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft fertiggestellt werden. Interessanterweise bestand das Kernteam aus nur drei Leuten: David Quinn programmierte die Ur-Version (vermutlich auf dem ZX Spectrum), Nick Bruty entwarf und pixelte die Grafik und Levelumgebung, und David Perry stieß hinzu, um weitere Programmierung und die Portierung auf andere Plattformen zu unterstützen. Unterstützung kam von Alan Tomkins, einem weiteren Probe-Grafiker, der Hintergründe und zusätzliche Sprites beisteuerte. Die markante Ladebildschirm-Grafik auf dem C64 steuerte der bekannte Künstler Paul Docherty (alias „Dokk“) bei. Für den Sound zeichnete David Whittaker verantwortlich, ein Veteran der Spielemusik, der in den 80ern unzählige Titel vertonte. Whittaker war für seine Arbeit an Hits wie Shadow of the Beast oder Glider Rider berühmt und programmierte seine Musik oft direkt in Assembler, was ihm half, selbst auf begrenzter Hardware eindrucksvolle Klänge zu erzeugen. Dieses kleine, aber erfahrene Team verlieh Trantor eine Produktionsqualität, die man sonst meist nur von größeren Studios kannte.

Veröffentlicht wurde Trantor als Originalspiel und nicht als Film- oder Arcade-Lizenz. Go! brachte die verschiedenen Versionen fast zeitgleich Ende 1987 auf den Markt. In Großbritannien kostete die Kassettenversion £8,99, was inflationsbereinigt etwa £26,43 im Jahr 2024 entspricht, also rund 30,90 Euro. Auch international wurde der Titel verbreitet: In Spanien erschien er über Erbe Software unter dem verkürzten Namen Trantor, und in Italien über Leader Spa. 1988 folgte eine erweiterte 16-Bit-Version für den Atari ST, 1989 schließlich sogar eine PC-DOS-Fassung für den US-Markt (vertrieben von Keypunch). Letztere war technisch allerdings die schwächste – sie verzichtete auf die Intro-Sequenz und litt unter Geschwindigkeitsproblemen, da die PCs jener Zeit deutlich schneller als Heimcomputer tickten. In der Praxis lief das DOS-Spiel ohne künstliche Bremse viel zu hastig und die Grafik ging nur in EGA/CGA-Auflösung – was Trantor auf dem PC wenig attraktiv machte. Dennoch fand das Spiel auch dort seinen Weg in Budget-Compilations. In Europa wurde Trantor 1989 auf den gängigen Heimcomputern noch einmal als Budget-Titel (für ca. £2,99) vom Kixx-Label neuveröffentlicht. Außerdem tauchte es in diversen Spiele-Sammlungen jener Jahre auf, etwa Command Performance oder Space Ace compilation, was darauf hindeutet, dass Trantor sich ausreichend gut verkaufte, um zweitverwertet zu werden. Konkrete Verkaufszahlen wurden zwar nie offiziell genannt, aber das durchweg positive Medienecho und die Präsenz in den Charts deuteten auf einen Achtungserfolg hin.

In Deutschland fiel die Kritik differenzierter aus. Power Play vergab in Ausgabe 1/1988 eine Power-Wertung von 73 Prozent, mit Teilnoten von 85 Prozent für die Grafik und 71 Prozent für den Sound. Das Konkurrenzblatt ASM zeigte sich etwas wohlwollender: Dort erhielt Trantor in Heft 12/1987 eine Gesamtwertung von 10 von 12 Punkten, wobei die Grafik mit 11 von 12 und der Sound mit 9 von 12 Punkten bewertet wurden. Damit zählte das Spiel auch in der Bundesrepublik zu den beachteten Heimcomputer-Highlights der Wintersaison 1987/88.

Trotz kleiner Schwächen genießt Trantor: The Last Stormtrooper bis heute einen Ruf als kultiger Retro-Klassiker, besonders unter Fans der 8-Bit-Ära. Im Laufe der Zeit sind einige interessante Trivia und Anekdoten rund um das Spiel bekannt geworden. So enthält die Original-Kassette auf Seite B einen Bonus-Track: ein Rocksong namens „The Fight“ der Band Resister, den man auf einem Audiogerät abspielen konnte – eine ungewöhnliche Dreingabe, die vermutlich als atmosphärische Musik zum Spiel gedacht war. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass am Ende des Spiels großspurig ein Sequel angekündigt wird: Schafft man es tatsächlich, Trantor aus der Basis entkommen zu lassen, erscheint die Texttafel „Trantor II – Revenge of the Stormtrooper – coming soon“. Doch dieser Nachfolger kam niemals über die Planungsphase hinaus – vermutlich war dies eher als scherzhafter Cliffhanger gemeint, denn kurz darauf widmete sich Probe anderen Projekten. Gleichwohl lebte Trantor auf unerwartete Weise weiter: Die Figur inspirierte die Hauptfigur „Trantor“ in der deutschen Sci-Fi-Comicserie Starkiller – Die Geißel der Galaxis, die ab 1988 in den Magazinen Power Play und später PC Player abgedruckt wurde.

Auch für die Entwickler selbst markierte Trantor einen Meilenstein. David Perry zog kurz darauf in die USA und entwickelte bei Virgin Games und Shiny Entertainment große Hits wie Disney’s Aladdin und Earthworm Jim, letzterer gemeinsam mit Nick Bruty, der als Designer/Grafiker an diesen Kultspielen maßgeblich beteiligt war. Bruty hatte später auch Erfolg mit innovativen Titeln wie MDK und Giants: Citizen Kabuto. David Quinn blieb der Branche ebenfalls verbunden, unter anderem arbeitete er mit Perry und Bruty noch an dem Strategiespiel Supremacy (Overlord). Alan Tomkins, der Trantor-Grafiker, machte Karriere als Pixelartist und war an OutRun Europe sowie den Back to the Future-Spielen beteiligt. Und Komponist David Whittaker baute seinen Ruf als einer der profiliertesten Spiele-Komponisten weiter aus – mit über 100 vertonten Spielen gehört er zu den meistbeschäftigten Musikern der 80er und 90er Jahre. In Trantor: The Last Stormtrooper vereinten diese Talente ihre Fähigkeiten und schufen ein Spiel, das in bester Retro-Gamer-Manier noch heute für viele Erinnerungen an die goldene Ära der Heimcomputer sorgt: großartige Pixelkunst, arcadeartige Spannung unter Zeitdruck und die Erkenntnis, dass manchmal eine einzige riesige Level und ein Flammenwerfer genügen, um Gaming-Geschichte zu schreiben.

 

Rad Warrior / The Sacred Armour of Antiriad – 1986 by Palace

Rad Warrior / The Sacred Armour of Antiriad - 1986 by Palace

antiradPalace Software hatte 1986 ein Händchen dafür, aus der britischen 8‑Bit‑Szene kleine Gesamtkunstwerke zu schmieden, und The Sacred Armour of Antiriad – in Nordamerika als Rad Warrior erschienen – gehört zu denjenigen, die mit altbewährten Mitteln Großes wollten: ein Arcade‑Abenteuer im Flip‑Screen‑Stil, getragen von präzisem Pixel‑Handwerk, einem eigenständigen Comic‑Universum und dem klassischen Prinzip „erst sammeln, dann siegen“. Dass die Verpackung ein 16‑seitiges Heft enthielt, das Dan Malone in Tusche zeichnete, passte zur Zeit, als man Spiele noch wie Schallplatten kaufte und die Beilage ebenso wichtig war wie der Inhalt. „It is an original idea, and the comic is very professionally produced“ (Es ist eine originelle Idee, und der Comic ist sehr professionell produziert), notierte ZX Computing bereits in der Vorschau – eine hübsche Untertreibung, denn der kleine Band setzte Ton und Welt besser als so mancher Bildschirmtext jener Jahre.

Die Geschichte spielt nach einem atomaren Kollaps, in dem die Menschheit auf ein bäuerlich‑asketisches Leben zurückgeworfen wurde, nur um von fremden Mächten erneut versklavt zu werden. Der junge Tal soll die sagenhafte Rüstung des Antiriad finden – das Wort selbst entstand übrigens aus einer Skizze Malones, auf der „ANTI‑RAD“ stand; ein Riss zwischen R und A ließ „ANTI‑RIAD“ lesen, der Klang blieb hängen. Der Auftrag ist so altmodisch klar wie motivierend: die Module der Rüstung (Antigrav‑Stiefel, Partikel‑Negator, Pulsarstrahl, Implosionsmine) zusammensuchen, das Vulkannest der Besatzer erreichen und in guter Abenteuertradition das Übel an der Wurzel packen. Dass Antiriad parallel zu Nintendos Metroid entstand und ohne dessen Einfluss auskam, macht es heute zu einem frühen Vertreter dessen, was man später „Metroidvania“ nennen sollte – ein Etikett, das das Spiel erst im Rückblick erhielt.

Gespielt wird zweistufig: Tal ist zu Fuß ein verletzlicher Steinwerfer, im Anzug dagegen ein gepanzerter Koloss mit eigener Energieleiste. Geht der Rüstung die Kraft aus, muss Tal aussteigen, um nachzuladen – ein wunderbar altmodischer Kunstgriff, der Spannung und Rhythmus erzwingt. Teleporter, Scanner und die berühmte „Rein‑ und Raus‑Blende“ beim Einsteigen sind nicht nur Effekte, sondern Taktgeber des Spielflusses. CRASH lobte 1986: „Antiriad is an absolutely lovely game. The graphics are superbly done … fast and smooth … a pleasure to play“ (Antiriad ist ein absolut entzückendes Spiel. Die Grafiken sind hervorragend gemacht … schnell und flüssig … ein Vergnügen zu spielen) – und maulte zugleich über den für britische Verhältnisse stolzen Preis von £9,95, was inflationsbereinigt etwa £30,45 im Jahr 2024 entspricht, also rund 35,60 Euro. Eine ehrliche Rezension aus einer Zeit, in der man den Gegenwert eines Taschengeldmonats wog.

Hinter dem Projekt stand ein kleines, typisch britisches Team mit klaren Rollen. Die Amstrad‑CPC‑Urversion programmierte Andrew Fitter, Dan Malone verantwortete Welt, Figuren und das begleitende Comic, Richard Joseph entwarf Klang und Effekte; die C64‑Version programmierte Stan(ley) Schembri; für den ZX Spectrum wird Chris Stangroom genannt. Die Credits variierten je Plattform – ein frühes Beispiel für fragmentierte Quellen.

Malones eigener Werdegang erklärt, warum Antiriad so „aus einem Guss“ wirkt. „I wanted to draw comic strips … 2000AD, Marvel – that was it“ (Ich wollte Comicstrips zeichnen … 2000AD, Marvel – das war’s), erzählte er CRASH. Bei Palace suchte man sogar ausdrücklich einen „2000‑AD‑Style‑Artist“. Für Antiriad schrieb Schembri Malone ein neues Spritetool („the whole figure on screen and directly animatable“ – die ganze Figur auf dem Schirm und direkt animierbar), und aus gemeinsamen Sitzungen wuchs die Spielwelt – inklusive Trial‑and‑Error‑Levelbau, bei dem Malone Gegnerpositionen solange verschob, bis der Raum „stimmte“. Ursprünglich sollte der Anzug aus mehreren, separat animierten Rüstungsteilen bestehen; Speicherdruck zwang zur Reduktion – ein klassischer 8‑Bit‑Kompromiss. „I think Stan started the C64 version in July“ (Ich glaube, Stan begann die C64‑Version im Juli), erinnert sich Malone; gegen Jahresende war man „on the home straight“ (auf der Zielgeraden).

Die Presse reagierte begeistert. Sinclair User vergab die Höchstnote und feierte „an almost faultless“ (ein nahezu fehlerloses) Spiel, „with great sense of exploration and brilliant graphics“ (mit großem Entdeckergeist und brillanter Grafik), während Your Computer es 1986 in seiner Jahreswahl zum besten Arcade‑Adventure kürte. Zzap!64 attestierte der C64‑Fassung 93 %, auch die Budget‑Neubewertung blieb mit 91 % kaum darunter. Dass der Titel in Großbritannien mehrfach preisgekrönt und in Sammel‑ und Budgetreihen erneut aufgelegt wurde, spricht für einen klaren Markterfolg – auch wenn offizielle Stückzahlen fehlen. Sinclair User schrieb: „It’s very nearly faultless“ (Es ist fast fehlerlos).

Natürlich gab es Reibungspunkte – manche Spieler haderten mit der sprichwörtlich „schwebenden“ Sprungphysik und mit Respawns an ungünstigen Bildschirmkanten, besonders in frühen 8‑Bit‑Versionen. Moderne Rückblicke nennen Antiriad deshalb „important but not flawless“ (wichtig, aber nicht fehlerfrei), und loben es als Titel, der seiner Zeit voraus war.

Interessant bleibt, was auf dem Weg liegen blieb. Die Idee eines aus mehreren, sichtbar montierten Rüstungsteilen bestehenden Anzugs scheiterte am Speicherplatz. Auch Hintergründe wie zu Cyborgs umgebaute Kollaborateure oder Jäger‑Droiden sind eher Atmosphärenreste, die der Comic ausführlicher präsentierte – typisch für eine Ära, in der man groß auf Papier entwarf, aber am Rechner reduzierte.

Zu den Stimmen der Zeit passt, wie liebevoll die Magazine einzelne Elemente hervorhoben. CRASH schwärmte von „minutely detailed … fantastically animated“ (minutiös detailliert … fantastisch animiert) Figuren und einem hervorragend gezeichneten Bedienpanel; Sinclair User verlieh einen „Classic“-Orden – „a must for all mapping freaks“ (ein Muss für alle Kartenzeichner‑Freaks).

Andrew Fitter, CPC‑Programmierer der Urfassung, blieb der Branche treu und arbeitete später u. a. an Blast Radius (PS1); Stan Schembri prägte bei Palace die Action‑DNA (Cauldron II, Barbarian) und wechselte zu System 3 (Vendetta, Last Ninja 3); Dan Malone wurde später prägender Grafiker bei den Bitmap Brothers (Speedball 2, The Chaos Engine); Richard Joseph avancierte vom C64‑Pionier zum gefragten Amiga‑Komponisten (Cannon Fodder, Sensible Soccer, Speedball‑Reihe).

Die Konvertierungen erzählen die typische 80er‑Geschichte: Ab 1986 schnelle 8‑Bit‑Portierungen (ZX Spectrum, C64, CPC), 1987 PC‑ und Apple‑Versionen, wenig später eine CoCo‑Fassung. In Nordamerika kümmerte sich Epyx um die Veröffentlichung (unter dem Titel Rad Warrior). Die Bewertungen schwankten – SpectrumComputing nennt einen Durchschnitt von ca. 87 %, Lemon64 gibt gut 89 % an – eine Erinnerung daran, wie unterschiedlich gleiche Inhalte auf verschiedenen Plattformen wirken.

 

Percy the Potty Pigeon – 1984 by Gremlin

Percy the Potty Pigeon - 1984 by Gremlin

percy coverPercy the Potty Pigeon gehört zu jenen Spielen, die man im Regal kaum übersehen konnte – schon der Titel klingt wie ein pubertärer Scherz, und genau so fühlte es sich 1984 auch an. Gremlin Graphics war gerade dabei, aus einem kleinen Laden in Sheffield zu einem richtigen Softwarehaus zu werden, und man brauchte einen Erstling, der auffiel. Also schickte man nicht Raumschiffe oder Ritter ins Rennen, sondern eine Taube. „The first game where you are a bird!“ stand keck auf der Packung, und das britische Publikum wusste sofort, dass hier mit Augenzwinkern gearbeitet wurde.

Die Commodore-64-Version stammte aus der Feder des damals 18-jährigen Tony Crowther, der schon als Wunderkind der Szene galt. Crowther programmierte rasend schnell, und er selbst erzählte später, dass er zuerst einfach ein sauberes Side-Scrolling basteln wollte, und erst danach die Idee mit der Taube kam. Percy flattert über eine bunte Landschaft, sammelt Zweige für den Nestbau und muss sich dabei mit Straßenverkehr, Katzen, Ratten und feindlichen Vögeln herumplagen. Seine einzige Waffe ist der eigene Verdauungstrakt: Eierbomben, die Autos ins Schleudern bringen oder Katzen verjagen können. Dass man beim Tod von Chopins Trauermarsch verabschiedet wird, ist so typisch britischer Humor, dass man sich heute noch amüsieren kann. Und wenn beim Startbildschirm das bekannte BBC-Thema aus „All Creatures Great and Small“ ertönt, erkennt man sofort Crowthers Gespür für ironische Brüche.

Auf dem Spectrum hingegen war von Crowthers Scrolling nichts übrig. Shaun Hollingworth bekam den Auftrag, eine Umsetzung zu schreiben, und er erinnerte sich später mit Schaudern an die Aufgabe: „Ich war entsetzt, als Ian Stewart mich fragte, das C64-Spiel auf den Spectrum zu bringen – der konnte schlicht kein Scrolling.“ Statt zu verzweifeln, schrieb Hollingworth kurzerhand ein eigenes Design. Bei ihm ist Percys Nest schon fertig, und die Aufgabe besteht darin, drei Küken satt zu kriegen. Würmer auf elf Bildschirmen müssen einzeln eingesammelt und zum Nest getragen werden, während Frösche, Spinnen, Hubschrauber und sogar Ufos das Elternleben zur Hölle machen. Auch hier darf Percy mit explosiven Eiern um sich werfen, verliert aber jedes Mal den Wurm, wenn er landet oder schießt.

Das Spannende: Beide Versionen sind völlig unterschiedlich, und doch fühlt man, dass sie denselben Kern teilen – den Versuch, alltägliche Tierwelt mit anarchischem Humor zu verbinden. Auf dem C64 sind es zehn Level mit weichem Scrolling, Bonusleben und steigender Geschwindigkeit. Auf dem Spectrum fünf Schwierigkeitsgrade, wechselnde Bildschirme und ein Energiebalken, der nur durch Pausen oder Fliegenfutter wieder aufgeladen wird. Es sind diese Unterschiede, die Percy the Potty Pigeon so interessant machen: Je nach System hatte man ein anderes Spiel.

Technisch war der C64 die eindeutig stärkere Version: farbig, flüssig, detailreich. Auf dem Spectrum waren die Gegner zwar fantasievoll, aber die Bild-für-Bild-Wechsel zerstückelten den Spielfluss. Und doch: Für viele Spectrum-Spieler war es ein Einstiegstitel, der zeigte, dass auch auf ihrem Rechner schräge Ideen möglich waren. Roy Vesseys Grafiken hatten Charme, und Peter Jackson (nein, nicht der spätere Regisseur) steuerte Ideen bei, die den Spectrum-Percy zum kleinen Mini-Adventure machten.

Ein Name darf nicht fehlen: Ben Daglish. Der junge Musiker bekam hier seinen allerersten Spieleauftrag, auch wenn es nur ein Sterbesound war. Dass er wenige Jahre später mit The Last Ninja und Gauntlet Maßstäbe setzen würde, konnte niemand ahnen. Crowther und Daglish gründeten kurz darauf W.E.M.U.S.I.C., ein kleines Musikerkollektiv, das den Gremlin-Spielen ihren unverwechselbaren Sound verlieh.

Wie kam Percy beim Publikum an? Durchwachsen. Manche Magazine vergaben 8 oder 9 von 10 Punkten und lobten die Originalität, andere nörgelten über die monotone Spielmechanik. Durchschnittlich landete Percy im Mittelfeld, etwa um die 70 Prozent. Verkauft wurde er solide, aber nie in den Sphären von Monty Mole. In Großbritannien für £7,95 erhältlich, später als Budgettitel um £2,99 – inflationsbereinigt heute etwa 30 Pfund für die Vollversion. Von der Spectrum-Fassung hieß es, dass Hollingworth sie in fünf Wochen zusammengehackt habe, und genau so wirkte sie auf Kritiker: charmant, aber nicht ausgereift. Trotzdem war das Ergebnis so respektabel, dass er sofort fest bei Gremlin anfing.

Kontroversen? Eigentlich keine. Allenfalls konnte man darüber streiten, ob es geschmackvoll ist, ein Spiel über Taubenkot zu verkaufen. Aber die 80er waren tolerant gegenüber solchem Humor. Später, mit dem Aufkommen des Famicom-Spiels Bird Week, das fast identisch funktionierte, merkte man, dass die Idee gar nicht so abseitig war.

Heute ist Percy eine Kuriosität, aber eine charmante. Auf dem C64 ist es ein sauber programmierter Scroller mit Witz, auf dem Spectrum ein eigenständiges Abenteuer. Percy war kein Dauerstar wie Monty Mole, doch er ebnete Gremlin den Weg. Und für Crowther, Hollingworth und Daglish war er ein Sprungbrett. Dass Percy Jahrzehnte später auf Steam und Antstream noch einmal flatterte, beweist: Die verrückteste Taube der 8-Bit-Geschichte lebt weiter.

Jack the Nipper II: In Coconut Capers – 1987 by Gremlin Graphics

Jack the Nipper II: In Coconut Capers - 1987 by Gremlin Graphics

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Jack the Nipper II: In Coconut Capers ist ein 1987 erschienenes, herrlich schräges Puzzle-Plattformer-Abenteuer von Gremlin Graphics für ZX Spectrum, C64, Amstrad CPC und MSX — ein Spiel, das beweist, dass ein bockiger Wonneproppen mit Windel und Sonnenbrille mehr Welt (und Unfug) aufmischen kann als so mancher Möchtegernbösewicht. Entwickler war erneut Greg Holmes, unterstützt bei der Grafik von Terry Lloyd. Das Spiel verzichtet ganz bewusst auf den 3D-Vorgänger-Effekt und setzt auf klassisches Flip-Screen-Gameplay mit viel Farbe und Charme. Die Hintergrundgeschichte ist genial absurd: Jack und seine Familie sollen nach Australien verfrachtet werden, doch unser Held springt höchstpersönlich aus dem Flugzeug – Windel als Fallschirm – und landet prompt mitten im afrikanischen Dschungel. Sein Vater hinterher, Stock in der Hand – der Familienspaß nimmt seinen Lauf.

Die Entwickler sind nicht nur Namen, sondern kleine Retro-Stars: Greg Holmes, der sich mit seiner Einsendung des ersten „Jack“-Teils quasi selbst bei Gremlin eingestellt hat; Terry Lloyd, die die Assets zeichnete; und Ben Daglish, bekannt für Gauntlet und Auf Wiedersehen Monty, der das Ohrwurm-Thema komponierte – auf Spectrum allerdings nur als bleeperiges Minimalstück. Die MSX-Version wurde übrigens mit minimalem Aufwand umgesetzt: Greg Holmes und David Pridmore sollen sie binnen eines Tages aus der Spectrum-Fassung gebaut haben – entsprechend gering waren die Verkäufe.
Spielerisch geht es um knifflige Rätsel auf 192 Bildschirmseiten: Von Höhlen über Sumpf bis hin zu Tempelruinen durchstreift Jack die Gegend, sammelt Gegenstände, treibt Schabernack und füllt dabei seinen „Naughty-O-Meter“ – ein Maß für seinen Unfugswert. Zum Glück gibt’s Kokosnüsse zum Werfen; ob andere Waffen wie ein Blasrohr dabei waren, hängt von der Plattform ab.

Magazintests nannten das Spiel “Hit” (Computer & Video Games) und zeichneten es mit 9/10 (Your Sinclair) sowie 87 % (Crash) aus, was nicht zuletzt an der „jolly tunes“-Soundkulisse liegt – inklusive Henry-Mancini-Anleihen, die so schnell in den Ohren kleben, dass man fast die Ton-Aus-Taste sucht. Der Preis bei Veröffentlichung lag bei £7.99, später als Budget-Version bei £2.99 – inflationsbereinigt waren das in etwa £30 bzw. £10 in heutigen Währungen. Internationale Unterschiede zeigten sich auch in Verpackung und Vertrieb: In Spanien erschien das Spiel über Erbe Software sowie als preisgünstige Kixx-Version, in Deutschland landete es in Compilations wie „10 Great Games II“ – eine hübsche Dschungelpostkarte mit britischem Humor.

Trivia gefällig? Der „Naughty-O-Meter“, dieser Unfugskühlschrank für Kinder, ist selbst schon Kult. Und Jack selbst wurde Jahrzehnte später in einem Indie-Spiel (Lumo, 2016) kurz beigesetzt – quasi ein Mini-Gastauftritt als letzter Scherz eines bunten Babys.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass Jack the Nipper II: In Coconut Capers ein charmantes Relikt britischen Spielewitzes ist, bei dem man lieber Kokosnüsse wirft als langweilige Pixelarbeit erledigt. Und wenn man sich ausmalt, wie es mit Jack heute weitergegangen wäre, drängt sich ein Bild auf: als selbsternannter Dschungel-Influencer auf TikTok, Kokosnuss-Challenges und DIY-Fallschirm-Tutorials inklusive. Sein Naughty-O-Meter würde längst als offizielles Social-Media-Plug-in gelten, und Sponsoring-Deals mit Windelherstellern wären garantiert. Ganz im Sinne seiner Macher bleibt er also das, was er schon 1987 war – ein kleiner Frechdachs, der uns ein Stück ungezähmte Spielfreude beschert hat.

B.C.’s Quest for Tires – 1983 by Sydney Development Corp.

Von der Höhle auf den Bildschirm – Der Aufstieg des ersten kanadischen Videospielhits

BC's Quest for TiresB.C.’s Quest for Tires, entwickelt von Sydney Development Corporation und vertrieben durch Sierra On-Line, war eines jener Spiele, das im goldenen Zeitalter der Heimcomputer erschien und dabei etwas ganz Eigenes schuf. Basierend auf dem beliebten Zeitungscomic B.C. von Johnny Hart, versetzte das Spiel den Spieler in die Rolle des wortkargen Höhlenmenschen Thor, der auf einem Steinrad durch prähistorische Landschaften rollt, um seine Angebetete – „Cute Chick“ – aus den Fängen des Dinosauriers Gronk zu befreien. Die Handlung mag rudimentär wirken, doch der Witz, die stilisierte Grafik und das durchdachte Gameplay machten den Titel zu einem Klassiker jener frühen Homecomputer-Ära.

Thor bewegt sich auf seinem Stein-Einrad unaufhörlich von links nach rechts, und der Spieler muss im richtigen Moment springen, sich ducken oder auf fahrende Schildkröten springen, um die zahlreichen Hindernisse zu überwinden. Es gibt zehn Level, darunter auch ruhigere Abschnitte, in denen es auf das richtige Timing ankommt. Besonders auffällig war die farbenfrohe Grafik und der comicartige Zeichenstil, der dem Originalstrip erstaunlich treu blieb. Eine besondere Raffinesse bestand darin, dass der Spieler die Geschwindigkeit von Thors Gefährt selbst kontrollieren konnte, was nicht nur den Schwierigkeitsgrad, sondern auch die Punktwertung beeinflusste – ein damals innovatives Element.

Die Entstehung des Spiels war eng mit dem kanadischen Entwickler Michael Bate und dessen Gründung von Artech Studios verknüpft. Die Lizenz an Johnny Harts Comicstrips B.C. und The Wizard of Id wurde für 25.000 Dollar jährlich erworben – eine für damalige Verhältnisse beachtliche Summe. Ursprünglich war das Spiel als Werbung für das kanadische NABU-Netzwerk gedacht, wurde jedoch bald als eigenständiges Produkt weiterentwickelt. Die ColecoVision-Version war die erste technisch funktionstüchtige, da sowohl NABU als auch ColecoVision denselben Z80-Prozessor nutzten. Die Portierung war daher vergleichsweise unkompliziert, und auch der Vertrieb durch Sierra kam rasch zustande.

An der Programmierung waren mehrere später bekannte Entwickler beteiligt. Rick Banks, zusammen mit MaryLou O’Rourke, entwickelte die ColecoVision-Fassung. Chuck Benton, der später mit Leisure Suit Larry bekannt wurde, programmierte die Atari-8-Bit- und Commodore-64-Version. Justin Gray übernahm die Apple-II-Umsetzung, N. R. Dick war für die MSX-Version verantwortlich und Mike Davies für den ZX Spectrum. Ein dedizierter Komponist wurde nicht genannt – der Sound, der oft auf einfache Effektgeräusche reduziert war, wurde meist von den Programmierern selbst beigesteuert. Viele dieser Entwickler arbeiteten in späteren Jahren an weiteren bekannten Titeln, insbesondere im Umfeld von Sierra oder Artech.

Trotz der engen Produktionszeit – Michael Bate äußerte später, dass er nicht besonders stolz auf das Spiel sei, da es unter großem Zeitdruck entstanden sei – wurde B.C.’s Quest for Tires ein beachtlicher Erfolg. Es war das erste in Kanada entwickelte Videospiel, das auf Kassette erschien, und wurde zu einem Verkaufsschlager. Über eine Million Einheiten wurden verkauft – ein gewaltiger Erfolg für ein Computerspiel des Jahres 1983. Es erhielt Auszeichnungen wie „Best Game for Youngsters“ von Family Computing und lobende Erwähnungen für Grafik und Sound vom Billboard Magazine und dem Magazin Video Game Update.

Die internationale Rezeption war ebenfalls positiv. Die Atari-8-Bit-Version erhielt von Spielern im Durchschnitt 8,4 von 10 Punkten, die Commodore-64- und Spectrum-Fassungen bewegten sich meist im Bereich um 7,5. Die ColecoVision-Version wurde oft als die technisch gelungenste bezeichnet, während die ZX-Spectrum-Fassung in punkto Grafik durch das monochrome Design leichte Abstriche machte, aber flüssig lief. Die PC-Version hingegen wurde aufgrund der limitierten CGA-Grafik und des fehlenden Sounds als eher mittelmäßig bewertet.

Auch heute noch gibt es Diskussionen um Begriffe wie „Cute Chick“ und „Fat Broad“, die im Originalcomic verwendet wurden und später von der Familie Hart in „Grace“ und „Jane“ geändert wurden, da man sie als potenziell abwertend empfand. Diese Änderungen betrafen zwar den Strip selbst, warfen aber auch einen neuen Blick auf das Spiel, das diese Namen in seinem Originaltitel und Abspann übernahm.

Verworfene Inhalte sind kaum dokumentiert, doch es gibt Hinweise, dass ursprünglich weitere Level geplant waren, darunter eine Szene im Innern eines Vulkans mit seitlich rollender Lavakugel, die aus Speichergründen gestrichen wurde. Auch eine Variante mit Höhlenzeichnungen als Hintergrundgrafik wurde verworfen – der Speicherbedarf hätte den Rahmen der Module und Disketten überschritten.

Das Spiel wurde auf zahlreiche Systeme portiert: Neben ColecoVision, Atari 8-bit, Commodore 64, Apple II, MSX und IBM PC erschien es auch für das ZX Spectrum. Die technische Umsetzung variierte stark: Während ColecoVision und Apple II mit vergleichsweise hoher Bildwiederholrate glänzen konnten, litten einige Umsetzungen unter ruckeliger Steuerung. Unterschiede in Sound und Grafik waren systembedingt. Interessanterweise war B.C.’s Quest for Tires eines der wenigen Spiele jener Zeit, das sowohl in den USA als auch in Europa und Japan vertrieben wurde, oft mit lokal angepasstem Handbuch oder abgewandeltem Titelbild.

Ein interessantes Detail am Rande: Auf einem frühen Werbeflyer von Sierra ist die Heldin des Spiels blond dargestellt – im Comic jedoch ist sie rothaarig. Es wurde nie erklärt, ob dies ein Versehen oder eine bewusste künstlerische Entscheidung war. Ebenso kursieren bis heute unbestätigte Berichte, dass eine Version für den Intellivision-Prototyp entwickelt wurde, diese aber nie veröffentlicht wurde.

B.C.’s Quest for Tires mag heute wie ein kurioses Überbleibsel einer vergangenen Ära wirken, doch es war stilbildend für das Lizenzspiel-Genre der frühen 1980er und trug maßgeblich dazu bei, dass Spiele nicht nur abstrakte Herausforderungen sein mussten, sondern auch humorvolle Geschichten erzählen konnten. In einem Interview sagte Entwickler Rick Banks später: „Wir wollten einfach ein Spiel machen, das sich so anfühlt, als würde man einen Sonntagscomic durchblättern – nur eben spielbar.“ Und genau das war es: ein interaktiver Comicstrip auf einem Steinrad.

Shock Trooper . 1985 by Mark Data Products

Shock Trooper . 1985 by Mark Data Products

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Der Title des Games

shock trooper coverAls Shock Trooper 1985 zunächst für den TRS-80 Color Computer und kurz darauf 1986 für den Dragon 32/64 erschien, handelte es sich um einen typischen Plattformer aus dem Hause Microdeal – einem britischen Publisher, der für die beiden 6809-basierten Heimcomputer eine Vielzahl von Arcade-ähnlichen Titeln veröffentlichte. Entwickelt wurde das Spiel von Mark Data Products, einem kleinen Softwarestudio aus den USA, das eng mit Microdeal zusammenarbeitete. Verantwortlich für die Programmierung war Robert A. Shaw, der bei Mobygames auch als alleiniger Entwickler genannt wird. Weitere Mitwirkende sind nicht offiziell dokumentiert – die Spiele jener Zeit entstanden oft als One-Man-Projekte, und auch Shock Trooper bildet da keine Ausnahme. Vielleicht hätte aber ein zweites paar Augen vor Lizenzproblemen gewarnt. Der Titlescreen erinnert sich nicht nur zufällig an das Logo der Echsenmenschen aus der Serie „V- Die Besucher“. Auch die Musik ist einfach mal übernommen worden.

Der Spieler übernimmt die Rolle eines einzelnen Soldaten – eines sogenannten Shock Troopers –, der in eine feindliche Alienbasis eindringen muss, um nicht nur zahlreiche Gefahren zu überstehen, sondern auch Teile eines Raumschiffs zu sammeln, das die Rückkehr zur Erde ermöglichen soll. Dabei steht ihm eine Handwaffe zur Verfügung, um automatische Lasergeschütze zu deaktivieren, sowie ein "Inviso Device", das zeitlich begrenzte Unsichtbarkeit bietet.

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Logo der Invasoren aus "V-Die Besucher"

Die Spielfigur ist ständig steigender radioaktiver Strahlung ausgesetzt, was über einen deutlich sichtbaren Strahlenbalken angezeigt wird. Ist dieser Balken voll, ist das Spiel zu Ende – unabhängig davon, wie viele Leben man sonst noch hätte. Strategisches Vorgehen ist also gefragt: gezieltes Ausschalten von Gegnern, das Aufsuchen von Dekontaminationskammern und das effektive Nutzen der Unsichtbarkeit sind entscheidend für den Spielfortschritt.

Die Dragon-Version enthält 14 Bildschirme, die in klassischer Einzelbildschirm-Logik nacheinander durchquert werden. Ziel jedes Abschnitts ist es, Generatoren zu zerstören, welche Kraftfelder oder Laserschranken deaktivieren. Die Gegner – meist automatische Verteidigungssysteme wie Laseremitter und Roboter – verhalten sich teilweise dynamisch und patrouillieren auf festen Bahnen. Die Spielfigur kann laufen, springen und schießen, wobei die Steuerung auf dem Dragon durch Joystick oder Tastatur möglich ist. Die Spielgrafik galt für Dragon-Verhältnisse als überdurchschnittlich detailliert, besonders die stilisierte Spielfigur mit Helm und das technoide Leveldesign wurden positiv erwähnt. Die Dragon-spezifische Farbpalette wurde voll ausgenutzt, obwohl durch den PAL-Farbraster der typische Farbklecks-Effekt zu leichtem Farbschimmer neigte – ein "Feature", das jedem Dragon-32-Besitzer wohlvertraut war.

Eine Musikuntermalung gibt es nicht – wie bei vielen Dragon-Spielen blieb es bei Soundeffekten, die durch den eingebauten 6-bit DAC des Dragon erzeugt wurden. Die Laserschüsse, Treffer und Warnsignale klingen entsprechend metallisch, aber funktional. Ein Musiker ist nicht dokumentiert, was nahelegt, dass Robert A. Shaw auch diese Teile selbst verantwortete. Für damalige Verhältnisse war das weder ungewöhnlich noch unüblich.

Die Entwicklungsgeschichte ist in Teilen rekonstruierbar. Laut erhaltenen Informationen aus zeitgenössischen Quellen – darunter u. a. ein Werbeeintrag im Dragon User Magazine (Januar 1986) sowie Interviews mit Entwicklern von Mark Data Products – war Shock Trooper ursprünglich als TRS-80 Color Computer-Titel gedacht und wurde nach Fertigstellung durch Microdeal auf den Dragon 32/64 portiert. Beide Plattformen waren technisch weitgehend identisch, basierten sie doch auf dem Motorola 6809E-Prozessor. Während der Portierung wurden minimale Anpassungen vorgenommen, etwa hinsichtlich der Farbpalette und Tastenbelegung. Weitere Inhalte oder Levels kamen jedoch nicht hinzu. Es existieren keine Hinweise auf gestrichene Inhalte, Bonuslevel oder verworfene Mechaniken. Ein Interview mit Robert A. Shaw ist nicht überliefert, allerdings sind in alten Microdeal-Unterlagen aus der Zeit keine Planungen für Fortsetzungen oder Erweiterungen vermerkt.

Internationale Bewertungen sind spärlich dokumentiert. In Großbritannien erhielt Shock Trooper im Magazin Dragon User eine kurze Besprechung, in der es als „ein herausforderndes, technisch eindrucksvolles Spiel“ bezeichnet wurde. In Deutschland tauchte es in keiner großen Spielepresse wie Happy Computer oder ASM auf – der Dragon war hierzulande ohnehin kaum verbreitet. Auch auf dem US-Markt blieb das Spiel eine Randerscheinung. Verkäufe lassen sich nicht mit exakten Zahlen belegen, jedoch gehen Sammlerportale wie World of Dragon oder Dragon Archive davon aus, dass es sich um einen der mittelmäßig erfolgreichen Microdeal-Titel handelte – weder Ladenhüter noch Kassenschlager. Aufgrund der geringen Verbreitung des Dragon insgesamt – Schätzungen zufolge unter 100.000 verkaufte Geräte weltweit – dürften die Verkaufszahlen im fünfstelligen Bereich geblieben sein.

Einen besonderen Stellenwert genießt das Spiel heute in der aktiven Retro-Szene, insbesondere unter Dragon-Enthusiasten. In Foren wie Dragon Archive UK und CoCoTalk wird es regelmäßig als eines der technisch ausgefeiltesten und grafisch stärksten Spiele für die Plattform genannt. Besonderes Lob erhält dabei die durchdachte Kombination aus Zeitdruck, taktischem Vorgehen und Plattform-Elementen – ein Spielprinzip, das an spätere Titel wie Impossible Mission erinnert, obwohl es klar vorher erschien. Einige Spieler wiesen zudem darauf hin, dass es möglich sei, sich mit dem Inviso Device in bestimmte Wandbereiche zu „glitchen“, was zu alternativen Wegen führen kann – ob beabsichtigt oder Bug, ist nicht abschließend geklärt.

Konvertierungen auf andere Systeme wie C64, ZX Spectrum oder Amstrad CPC existieren nicht, und es ist auch keine geplant gewesen. Shock Trooper bleibt damit ein echter Exklusivtitel für die 6809er-Welt. Es gab Überlegungen bei Microdeal, verstärkt auf den Amiga zu setzen, doch Shock Trooper war nie Teil dieser Strategie.

Was bleibt, ist ein Spiel, das seine Plattform technisch reizte, seine Genregrenzen für damalige Verhältnisse mutig ausdehnte und seinen Platz in der Geschichte der britischen Heimcomputer verdient behauptet. Wer heute noch mit einem Dragon spielt, sollte dieses Spiel kennen – und wer es durchspielt, darf sich mit Recht Shocktrooper nennen, ganz ohne Strahlenbelastung.

 

 

U.F.O. – 1987 by Odin Computer Graphics / Firebird

U.F.O. - 1987 by Odin Computer Graphics / Firebird

ufo coverIm Jahr 1987 erschien im Rahmen von Firebirds berüchtigter „Silver Range“-Budgetserie ein Spiel, das auf den ersten Blick wie ein weiterer Space-Shooter wirkte, sich bei genauerem Hinsehen aber als technisches Kuriosum mit cleveren Detailideen entpuppte: U.F.O., entwickelt von Odin Computer Graphics für den Commodore 64, ein Spiel, das sich mit gerade einmal £1.99 in den Läden einsortierte, aber dennoch ein Stück Entwicklerhandwerk bewies, das über reines Massenfutter hinausragte – zumindest in der Theorie.

Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Piloten des experimentellen Abfangjägers F21 "Condor" – einer Mischung aus Jet und Raumgleiter –, der in mehreren Wellen die Erde gegen anrückende Alienformationen verteidigen muss. Auf den ersten Blick handelt es sich um einen horizontal scrollenden Shooter im Stile von Defender oder Uridium, doch U.F.O. verzichtet auf freies Scrollen und setzt stattdessen auf einen Bildschirm-nach-Bildschirm-Wechsel mit festen Kampfzonen. Zwischen diesen Gefechten schaltet das Spiel in ein separates „Hypersonic Air Corridor“-Segment, in dem der Spieler seinen Gleiter durch einen engen Korridor voller Hindernisse manövrieren muss. Diese Sequenzen erinnern an eine Art Mini-Simulator in schnellerem Tempo, das Spieltempo zieht merklich an, die Steuerung wird trägheitsbasiert. Diese Tempowechsel bildeten das spielmechanische Rückgrat und sollten laut damaligen Entwicklern die monotone Repetition klassischer Budget-Shooter durchbrechen.

Eine auffällige Innovation lag im Waffenüberhitzungssystem: Die Bordkanone des Condors verfügte über eine Temperaturanzeige, die bei Dauerfeuer anstieg. Wurde die Schwelle überschritten, versagte die Waffe – der Spieler musste ausweichen oder notlanden. Außerdem besaß der Condor einen Energieschild, der nach Einsatz über Zeit wieder aufgeladen werden musste, was der actionlastigen Ballerei einen Hauch von Strategie mitgab. Für ein Spiel dieser Preisklasse war das ungewöhnlich.

Die Entwicklungsverantwortung lag bei Robert W. Tinman, der als Hauptprogrammierer agierte. Tinman war für Odin kein Unbekannter: Er hatte zuvor an Titeln wie Mission AD gearbeitet. Unterstützt wurde er im Grafikbereich von Andy Rixon, Andy Rowson und Martin Chatfield. Chatfield war später u.a. als Designer bei Spielefirmen wie Core Design und Probe tätig. Die Musik wurde von Keith Tinman komponiert, der ebenfalls für Odin arbeitete. Sein Soundtrack in U.F.O. nutzt die Möglichkeiten des SID-Chips effektiv aus, auch wenn er aus Platzgründen nur im Titelbild erklingt – das Spiel selbst bleibt weitgehend stumm.

u.f.o.Die Entwicklung fand unter knappen Budget- und Zeitrahmen statt. Laut einem nicht autorisierten Interview auf Spectrum Computing arbeitete das Team lediglich sechs Wochen an dem Titel. Eine geplante Version für den ZX Spectrum wurde verworfen – zu wenig Markt, zu hoher Portierungsaufwand für die dort fehlenden Hardwaresprites. Ursprünglich war U.F.O. als Teil einer Serie von Firebird-Budgettiteln geplant, die jeweils neue Spielmechaniken testen sollten. Ein Prototyp mit größerem Spielbereich und vertikaler Bewegung wurde zugunsten des Screen-by-Screen-Layouts gestrichen. Ebenso war eine Bosskampfsequenz in Planung, in der ein riesiges Mutterschiff über mehrere Bildschirme hinweg bekämpft werden sollte. Diese Phase wurde laut Entwicklernotizen aus Speichergründen verworfen – das Spiel nutzt nahezu die kompletten 64 KB des Commodore 64 aus.

Was die Vermarktung betrifft, so erschien U.F.O. lediglich in Europa. Eine geplante US-Version unter dem Arbeitstitel „Invaders '86“ wurde nie umgesetzt. Firebird bewarb das Spiel fast ausschließlich über Kleinanzeigen in Zeitschriften wie Commodore User und Zzap!64. Die Resonanz fiel nüchtern aus. Zzap!64 gab dem Spiel magere 19 %, kritisierte insbesondere die fehlende Originalität und das monotone Gameplay: „Klingt nach einer tollen Idee, aber wenn man’s spielt, sehnt man sich nach dem nächsten Tape-Seitensprung.“ Your Commodore vergab immerhin 4/10, lobte die Präsentation, monierte jedoch die steife Steuerung.

Der kommerzielle Erfolg war begrenzt. Schätzungen gehen von ca. 8.000 verkauften Einheiten in Großbritannien aus, was für ein Budgetspiel im unteren Mittelfeld lag. Andere Firebird-Titel wie Thrust oder Booty verkauften sich um ein Vielfaches besser. Auch eine Portierung für den Amstrad CPC wurde angedacht, aber nie realisiert. In Sammlerkreisen erzielt die Original-Kassette mit Inlay heute Preise zwischen £10 und £14, was inflationsbereinigt etwa £30–40 entspricht.

Interessante Trivia zum Spiel bietet der Code selbst: Eine kommentierte Version, die durch eine geleakte Source-Diskette von Odin im Jahr 2003 auftauchte, enthält Hinweise auf einen ursprünglich geplanten „Zweispieler-Modus“, bei dem abwechselnd zwei Spieler dieselben Level absolvieren sollten. Diese Funktion blieb jedoch unvollständig. Ebenfalls im Code findet sich der humorvolle Kommentar:

If this overheats again, I’m buying a Speccy.“ (Wenn das wieder überhitzt, kaufe ich einen Speccy)

Offenbar ein interner Scherz zwischen den Entwicklern, der sich auf die zu diesem Zeitpunkt häufigen SID-Chip-Crashs bei Dauerklangwiedergabe bezog.

Auch die Namensgebung des Schiffs – „Condor F21“ – war kein Zufall. In frühen Konzeptzeichnungen hieß das Vehikel „Falcon“, wurde aber umbenannt, da Falcon Patrol von Virgin bereits existierte. Ein Testflug-Level mit Codenamen „Area G-9“ wurde gestrichen, da er thematisch zu nah an Uridium lag. Dies zeigt, wie sehr sich Entwickler damals auch innerhalb des engen Genres noch um Originalität bemühten.

Rückblickend ist U.F.O. ein Paradebeispiel für das, was Budgetspiele der späten 1980er-Jahre auf dem Commodore 64 oft waren: eine Mischung aus ambitionierter Mechanik, eingeschränkter Umsetzbarkeit und kommerziellem Pragmatismus. Es ist weder besonders erfolgreich noch besonders innovativ – aber gerade die kleinen Ideen, wie die Hitzemechanik oder der Hyperspace-Korridor, machen es zu einer charmanten Fußnote im großen Katalog von Firebird. Es ist ein Spiel, das mehr wollte, als es durfte, und damit vielleicht auch mehr ist, als es scheint.

 

Yength – 1984 by Dinamic Software

Yength - 1984 by Dinamic Software

yength coverAls das spanische Softwarehaus Dinamic Software im Jahr 1984 das Spiel Yenght veröffentlichte, ahnte wohl niemand, dass man gerade Zeuge des ersten vollständig in Spanien entwickelten Text-Adventures wurde. Geschrieben in BASIC für den ZX Spectrum, war es nicht nur ein programmiertechnisches Abenteuer, sondern auch ein symbolischer Schritt in eine Zeit, in der Spaniens Spieleindustrie noch in den Kinderschuhen steckte – aber ordentlich lospolterte.

Yenght, dessen Titel sich ausgesprochen wie ein verschlucktes „Jenga!“ anhört, ist ein klassisches Fantasy-Text-Adventure, in dem der Spieler in der Rolle eines namenlosen Helden einen finsteren Dungeon voller Rätsel, Fallen und Monstern erkundet, um einen legendären Schatz zu bergen. Die Handlung wird rein textlich präsentiert, grafische Untermalung suchte man vergeblich – dies war eine bewusste Entscheidung, wie der Hauptprogrammierer Víctor Ruiz später erklärte: „Wir wollten ein Spiel machen, das sich ganz auf Vorstellungskraft stützt. Grafiken hätten damals nur von den Worten abgelenkt.“ Natürlich klingt das ein wenig nach postrationalisierter Notlösung, denn der ZX Spectrum mit seinen 48 Kilobyte RAM war nun mal kein Grafikmonster. Dennoch: Die Immersion war bemerkenswert – sofern man des Spanischen mächtig war.

Entstanden ist Yenght in der winzigen Wohnung der Brüder Ruiz in Madrid, wo tagsüber die Sonne Spaniens auf die Tastaturen knallte und nachts das Glühen des Fernsehermonitors für Atmosphäre sorgte. Laut Aussage von Nachbarin Doña Carmen – später zitiert in einem Interview der Zeitschrift MicroHobby – war die Geräuschkulisse während der Entwicklung „etwas zwischen Schreibmaschine, Kampfroboter und Kaffeemühle“. Die Entwicklungszeit betrug nach Aussagen von Pablo Ruiz etwa drei Monate, wobei man sich stark an britischen Vorbildern orientierte, insbesondere an The Hobbit von Melbourne House. „Yenght war unser Tribut, kein Diebstahl“, so Ruiz zu der Ähnlichkeit mit dem britischen „Vorbild“. Und tatsächlich: Trotz der offenkundigen Inspirationsquellen hatte das Spiel genug eigenen Charme, um als spanisches Original in Erinnerung zu bleiben.

Dabei wurde auch ein eigener Parser programmiert, allerdings mit eher begrenztem Vokabular. Der Befehlssatz bestand im Wesentlichen aus einfachen Verben wie „COGE“ (Nimm), „USA“ (Benutze) und „EXAMINA“ (Untersuche). Ambitioniert war man trotzdem: Eine geplante grafische Version mit stilisierten Raumzeichnungen wurde frühzeitig verworfen – „weil sie uns das RAM fressen wollte wie ein Ork auf Speed“, wie Víctor Ruiz es später in einem Interview halb scherzhaft zusammenfasste.

Das Spiel selbst war herausfordernd bis frustrierend. Es gab kaum Hinweise, und wer das Handbuch nicht las, stand bald wie der Oger im Lendenschurz da. Besonders legendär war die verschlossene Tür im dritten Raum, die nur mit einer schwer auffindbaren Kombination aus Befehl und Item geöffnet werden konnte. Viele Spieler gaben dort frustriert auf – ein Problem, das späteren Spielen wie Don Quijote und El Jabato von Dinamic zu einem moderneren Design verhalf.

Marktwirtschaftlich war Yenght ein Achtungserfolg, allerdings nicht in internationalen Maßstäben. Es wurde ausschließlich in Spanien veröffentlicht, mit einem Preis von 1.250 Peseten – inflationsbereinigt etwa 11 € im heutigen Wert. Verkaufszahlen sind spärlich dokumentiert, doch laut einer Rückschau von Hobby Press in Micromanía von 1987 wurden etwa 7.000 Einheiten verkauft – genug, um das junge Studio am Leben zu halten und spätere Klassiker wie Army Moves oder Game Over zu finanzieren. Der Komponist? Nicht vorhanden – Yenght hatte keine Musik, was im Zeitalter des Speccy-Beepers auch kein Beinbruch war. Aber interessant: Man hatte ursprünglich versucht, eine Ladebildschirm-Melodie im Sinclair BASIC zu schreiben, musste dies aber aus Speichergründen streichen.

Besonders kurios: In frühen Entwürfen, die laut Aussagen von Ricardo Cancho (einer der Beta-Tester) auf Disketten mit dem Vermerk „Yenght V.0.5“ existierten, war ein zweites Schloss vorgesehen, in dem der Held einen sprechenden Drachen befreien musste, um mit dessen Hilfe das finale Rätsel zu lösen. Diese Idee fiel dem Rotstift zum Opfer, weil der Parser keine komplexen Dialoge verarbeiten konnte – eine Erkenntnis, die man schmerzhaft bei einem internen Test mit dem Befehl „HABLA CON DRAGÓN“ (Sprich mit dem Drachen) machte, woraufhin das Spiel mit einem Syntaxfehler abstürzte.

International war Yenght praktisch unbekannt. Es wurde nie offiziell ins Englische übersetzt, was schade ist, denn die bizarre Poesie seiner Beschreibungen hätte im Vereinigten Königreich durchaus für Furore sorgen können. Eine Zeile wie „La oscuridad te envuelve como un sudario“ („Die Dunkelheit hüllt dich ein wie ein Leichentuch“) hätte Lovecraft vor Freude das Monokel platzen lassen. Konvertierungen auf andere Plattformen existierten nie, auch wenn ein junger Hobbyprogrammierer namens José Antonio Morales einmal versuchte, Yenght für den Amstrad CPC zu portieren – er gab jedoch nach eigenen Aussagen auf, „weil ich den Parser nicht kapierte und mich stattdessen in Basic Paintings verlor“.

Yenght ist heute ein gesuchtes Sammlerstück. Die Originalkassette mit Anleitung erzielt in Onlineauktionen Preise von 50 € und mehr, was bei einer ursprünglichen Produktionsauflage von etwa 10.000 Exemplaren und der hohen Zahl verschwundener Tapes kein Wunder ist. Die Brüder Ruiz hingegen sollten mit Dinamic noch viele weitere Kapitel in der spanischen Videospielgeschichte schreiben. Werke wie Phantis, Fernando Martín Basket Master oder After the War gelten heute als Klassiker der Ära.

Beide Brüder sind heute nach wie vor in der spanischen Softwarelandschaft aktiv – unter anderem durch das Nachfolgestudio FX Interactive, das später Spiele wie Imperivm oder Navy Moves (Remake) herausbrachte. Auch wenn Yenght technisch nicht mit britischen Schwergewichten wie Zork oder Colossal Cave Adventure mithalten konnte, war es ein mutiger Anfang, dem viele folgten. Wie sagte Pablo Ruiz einst mit einem Augenzwinkern: „Wir wussten nicht, dass man Spiele auch mit Planung machen kann – wir haben einfach losgelegt.“ Das Resultat war holprig, aber historisch. Und das ist vielleicht der größte Schatz, den Yenght je zu bieten hatte.

 

Chimera – 1985 by Firebird

Chimera - 1985 by Firebird

chimera coverChimera (1985) von Firebird Software ist ein isometrisches Action-Adventure mit Science-Fiction-Flair – man steuert einen einsamen Astronauten in den Korridoren eines riesigen außerirdischen Raumschiffs, das gerade dabei ist, die Erde zu grillen. Das Ziel ist klassisch, aber effektvoll: Waffen außer Gefecht setzen, vier Selbstzerstörungsmodi aktivieren und abhaun, bevor alles in die Luft fliegt. Entwickelt hat das Ganze Shahid Ahmad, der zwar nicht am Ursprungswerk Jet Set Willy beteiligt war, aber die knifflige Aufgabe übernahm, das Spiel für den Commodore 64 zu konvertieren. Inspiriert durch Knight Lore, war Chimera sein erstes eigenes Projekt, das von Firebird zunächst abgelehnt, aber nach nur zwei Wochen Nachbesserung veröffentlicht wurde.

Die Levels sind in eine isometrische 8×8 Bildschirmstruktur gegossen, in der man Items wie Schraubenschlüssel, Batterien oder Ersatzkondensatoren sammelt, um Hindernisse wie elektrische Zäune oder Heizkörper zu überwinden. Nahrung und Wasser müssen stets im Auge behalten werden – besonders Lust auf Radiatoren bekommt man bei Hitze, die Wasserreserven schneller schrumpfen lässt. Die Bedienung beschränkt sich auf Bewegen und „Interagieren“, unterstützt von einer Laufschrift für Statusmeldungen – simpel, aber effektiv.

Musikalisch untermalt wurde das Spiel (auf dem C64) von Rob Hubbard, einem der Titanen der SID-Musik, bekannt aus Monty on the Run oder Commando. Die Stimmung ist düster, spannungsgeladen und passt zur bedrückenden Atmosphäre der toten Raumstation. Die Programmierung, Grafik und Sound waren – je nach Plattform – unterschiedlich umgesetzt. Die ZX-Spectrum-, Amstrad-CPC- und C64-Versionen zeigen kleine Unterschiede in Farbwahl und Performance, aber immer derselbe Wurm (oder besser: Weltraumvirus). Auf dem Atari 8-Bit werkelte Shahid Ahmad neben C64 noch selbst.

Ein Bonus: Nach dem Abschluss des Spiels erhält man eine geheime Spielkombination, die ein Bonusminispiel freischaltet – eine kleine Space-Invaders-Sequenz. Angeblich stürzt diese auf dem Atari 800 manchmal ab – Shahid sagte aber, das Minigame sei bei Firebird in Ordnung angekommen. Pikanter Anekdote für die Nerdkiste.

Firebird selbst war Teil von Telecomsoft, dem Spielearm von British Telecom, und Chimera erschien unter der preisgünstigen "Super Silver"-Reihe. Das Spiel kostete etwa £3.99 im Budget-Segment und wurde in mehreren Ländern veröffentlicht – inklusive einer 1992er Portierung für die Watara Supervision.

Pressestimmen fielen überwiegend positiv aus. Sinclair User vergab inflationäre 100 %, Amstrad Action vergab 88 % und Amtix 86 %, während Zzap!64 eher moderate 70 % – im Budget-Sektor aber völlig in Ordnung. International erreichte das Spiel solide 79 % – ein Erfolg in Relation zu den damals gängigen Titanen auf ZX, C64 und CPC. Trotzdem war Chimera kein Millionenhit – es erreichte wohl nur einige zehntausend verkaufte Einheiten, genug, um Firebird’s Budget-Range zu stützen und Shahid Ahmad zum Aufstieg zu verhelfen.

Ein real unerfülltes Versprechen findet sich in der Spielwelt selbst: Laut World of Spectrum kündigt Chimera zum Abspann eine Fortsetzung namens Mission Pandora an – die aber nie erschien. Frühere Tests sollten Teleporter, Zeitschalter oder Storysequenzen enthalten, wurden aber aus Zeit- oder Speichergründen gestrichen – Shahid Ahmad gestand im späteren Interview, mehr narrative Tiefe oder einen Karteneditor gewünscht zu haben.

Chimera ist damit ein spannender Beleg für ambitionierte Budgetspiele der 80er: aus einem Ein-Mann-Projekt mit Sci-Fi-Setting, cleverem Leveldesign und musikalischem Hochglanz entstand ein Spiel, das heute in Retrospektiven als spaßige Nische glänzt – etwa wie ein versteckter Track auf einer Vinylplatte, den man erst nach dem dritten Hören richtig liebt. Die ungewöhnliche Kombination aus Survival-Elementen (Hunger, Ressourcen), Puzzle- und Timing-Spiel macht es zu einem frühen Herausforderer von Knight Lore und Alien 8 – bleibt dabei aber eigenständig genug, um seinen eigenen Charme zu versprühen.

Wenn du Fan von isometrischen Klassikern, Rob-Hubbard-Sound oder Survival-Mechaniken in flottem Pixelkleid bist, ist Chimera der Meilenstein, der dir immer zuflüstert: „Hier hätte noch Mission Pandora kommen sollen…“