Sharp MZ-80K - Kein BASIC, kein Problem – Der Computer für Puristen

By Wolfgang Stief - https://www.flickr.com/photos/stiefkind/24494009598/
Als Sharp 1978 in Japan den MZ-80K vorstellte, war das mehr als nur eine weitere 8-Bit-Kiste – es war der Versuch, den Personal Computer in ein japanisches All-in-One-Gewand zu kleiden: Monitor, Kassettendeck und Tastatur in einem robusten Gehäuse, das sich wie eine Werkbank öffnen ließ. In Europa kam die fertige Version ab August 1979 in den Handel, mit einem Listenpreis von rund 1.800 DM in Deutschland und etwa £600 im Vereinigten Königreich; die Zeitgenossen sahen ihn damit als ernsthaften Gegenspieler zu Commodore PET und Tandy TRS-80, während Apples farbiger Spieltrieb in dieser Preisklasse ohnehin außer Reichweite lag. Dass Sharp den MZ-80K als „Clean Computer“ positionierte – ein Rechner ohne fest verdrahtete Sprache im ROM, der beim Einschalten erst ein BASIC oder ein anderes System von Kassette lädt – machte ihn zum Lieblingsobjekt für Puristen, die Kontrolle wollten statt Bevormundung: „…adopted a system to load an interpreter from a cassette tape to RAM (‘Clean Computer System’)…“, notierte das japanische Informatik-Museum rückblickend nüchtern, und traf damit den Kern des Konzepts.
Unter der Haube arbeitete Sharps eigener LH0080A – ein Z80A-kompatibler 8-Bit-Prozessor mit 2 MHz, der über einen 16-Bit-Adressbus 64 KB Raum erschließt und damit exakt jenes Ökosystem bedient, in dem sich Ende der Siebziger zahllose Tools, Sprachen und spätere CP/M-Welten tummelten. Je nach Ausführung brachte der MZ-80K 20 KB, 36 KB oder 48 KB RAM mit; in der Praxis standen – abhängig vom jeweils geladenen Interpreter – um die 32 KB für Nutzprogramme bereit. Die Platine war sorgfältig gesockelt, der Deckel samt 9–10-Zoll-Bildschirm über ein Scharnier hochklappbar, das eingebaute Kassettenlaufwerk lief mit ca. 1200 Bit/s zuverlässig und schneller als so mancher Konkurrenz-Recorder. Dass die Maschine kein ROM-BASIC hatte, war kein Fehler, sondern Absicht: BASIC, Pascal, FORTRAN oder ein Monitor konnten beliebig geladen werden – Hudson Soft und andere füllten diese Freiheit früh mit Leben.
Die Anzeige war monochrom und klar, im Standard 40 Spalten × 25 Zeilen. Einen echten Hi-Res-Bitmap-Modus bot das Erstmodell nicht; dafür ließen sich über vordefinierte Zeichensatz-Kacheln semigrafische Bilder im groben Raster um etwa 80 × 50 „Punkte“ zusammensetzen – genug für Diagramme, Spiele und Lehrgrafik, aber natürlich kein Vergleich zu den Farbaugen des Apple II. Gerade im Unterricht war die ruhige, flimmerarme Darstellung jedoch ein Vorteil. Wer mehr brauchte, rüstete später per Interface-Box Disketten-Controller oder Drucker nach; als Primärspeicher blieb in der Anfangszeit die Kassette.
Der Klang des MZ-80K ist ein hübsches Kuriosum. Ein dedizierter Soundchip fehlt, doch der Rechner treibt über den Prozessor einen internen Lautsprecher an; behelfsmäßig – möchte man meinen. Tatsächlich bescheinigten zeitgenössische Handbücher und Vereine dem System eine musikalische Spannweite von etwa drei Oktaven, und in BASIC fanden sich entsprechende Noten-Befehle. Für den Ernstfall blieb es Pieps- und Warntönen überlassen, aber im Hobby- und Bildungsbereich bewies der MZ-80K, dass man mit Timing-Loops und sauberer Routine mehr als nur „BEEP“ hervorbringen konnte.
Mechanisch wirkt der Erstling wie aus einem Guss: 270 × 410 × 470 mm, rund 14 kg – viel Stahlblech, kaum modische Flausen. Die 78-Tasten-Matrix mit quadratischen Keycaps ist der größte Stolperstein: funktional, aber eigenwillig, mit einer Lernkurve, die Tester damals als „nicht standard-konform“ kritisierten. Genau deshalb bekam die Folgegeneration bald eine „richtige“ Schreibmaschinentastatur; beim K-Modell bleibt die Raster-Optik ikonisch, aber objektiv ein Nachteil für Vielschreiber.
Die Entstehungsgeschichte lebt von einem Namen, der in der Unternehmenschronik mehrfach auftaucht: Kunio Nakanishi. Er führte in Sharps Bauteile-Sparte das Team, das vom 4-Bit-Bausatz MZ-40K (Frühjahr 1978) zum „assemble-it-yourself“-MZ-80K (Dezember 1978) marschierte – erst als Bausatz in Japan, ab 1979 dann als fertig montiertes Gerät für Europa. Dieses organisatorische „Von unten nach oben“ prägte die Serie; erst 1981 bündelte Sharp die verstreuten Aktivitäten in einer eigenen PC-Division. Nakanishi steht damit als Ingenieur-Figur für ein sehr japanisches Vorgehen: erst solide Technik in kleinen, beherrschbaren Schritten, dann größere Serien und Varianten.
Der Marktstart war selbstbewusst: Deutschland 1.800 DM (Computerwoche, 17. August 1979), UK £600 (Birmingham Business Show, Oktober 1979). Inflationsbereinigt ergeben sich – je nach Index – in heutiger Kaufkraft etwa 2.400 – 2.600 € für die deutsche Preisangabe (1.800 DM ≈ 920 € zur Euro-Einführung; mit einem groben Faktor ~2,7 bis 2025 ≈ 2.5 Tsd. €) und rund 3.800 – 4.200 € aus britischen £600 von 1979. Diese Spannweite ordnet den MZ-80K klar im oberen Segment seiner Zeit ein: teurer als ein TRS-80/16K, ungefähr auf PET-3032-Niveau – und doch für Schulen, Hochschulen und ambitionierte Haushalte attraktiv genug. Dass er sich in Europa „trotz hohen Preises gut verkaufte“, ist in mehreren zeitgenössischen Rückblicken notiert; absolute Stückzahlen nennt Sharp nicht, die Verbreitung zeigt sich aber an der frühen Zubehör- und Kassettensoftware-Dichte.
Im Alltag überzeugte der MZ-80K durch Zuverlässigkeit. Das eingebaute Bandlaufwerk war – anders als externe Heimtonband-Lösungen – sauber integriert, mit Zähler und Steuerung; die Klapphaube erleichterte Service, gesockelte Chips halfen im Defektfall. Dass man beim Einschalten erst BASIC laden musste, empfanden viele nicht als Bürde, sondern als Souveränität: Heute BASIC, morgen Pascal, übermorgen Assembler – der Rechner blieb „sauber“. In der Presse jener Jahre taucht genau dieses Argument immer wieder auf, flankiert von Lob für die solide Verarbeitung und Kritik an der Tastatur. Das britische Computing-Museumsprofil fasst die frühe Wahrnehmung hübsch zusammen: 10-Zoll-Monitor, 78-Tasten-ASCII-Keyboard, integriertes Tape – „all-in-one“, aber eigenwillig.
Im Vergleich zur Konkurrenz war der MZ-80K ein Mischwesen aus Tugenden und Schrullen. Gegen den PET punktete er mit dem zuverlässigeren internen Recorder und der Flexibilität des Clean-Konzepts; gegen den TRS-80 hielt er mit solider Mechanik und dem fein gearbeiteten All-in-One-Gehäuse dagegen; gegen den Apple II musste er die Waffen strecken, sobald Farbgrafik oder echte Hi-Res gefragt waren. Als Schul- und Laborrechner war er hingegen dank Zubehör-Boxen und späterer CP/M-Option erstaunlich anschlussfähig; die große Parallel- und Seriell-Schnittstellen-Box mit Centronics-Port und Disk-Controller war zwar kostspielig, schloss aber funktionale Lücken. Genau hier liegt die Essenz: Der MZ-80K war weniger ein Heim-Spielzeug als ein kleiner, ehrlicher Arbeitsplatz.
Anekdotenhaft bleibt die Tastatur das liebste Feindbild. Wer zu schnell tippte, provozierte Ghosting im schlichten Matrix-Scan; wer die schräge Return-Position suchte, fluchte kurz – und schrieb dann weiter, weil der Rest stimmte. Manche Clubs bauten in den frühen Achtzigern sogar Adapter, um handelsübliche ASCII-Keyboards anzuschließen; die Szene war lebendig, und Sharps Nutzervereine dokumentierten eifrig BASIC-Derivate, Compiler und kleine Hilfsmonitore. Dass Sharp seine Manuals Jahre später offiziell digitalisierte, ist ein schönes Fußnoten-Detail zur Pflege dieser Geschichte.
Strategisch führte der MZ-80K Sharp in eine neue Richtung. Aus der Bauteile-Ecke wuchs über MZ-80K/80C/80A eine komplette Computerschiene, bis hin zu den farbfähigen, stärker multimedialen MZ-700/800-Abkömmlingen – zugleich bereitete die TV-Sparte den X1 vor, der intern für Reibung sorgte und die Grafik-/Sound-Messlatte anhob. Im Rückblick sehen selbst unternehmensnahe Chroniken den MZ-80K als den echten „Ersten“, der Image schuf, Ingenieursstudenten anzog und Marktpräsenz gab – auch wenn später X- und schließlich X68000-Linien den Ton angaben. Für Sammler ist der K-Erstling heute das „Grundgestein“ der MZ-Familie: kein Spitzenreiter in jeder Disziplin, aber der Anfang von allem.