Amiga 600

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Amiga 600

olympus digital cameraDer Commodore Amiga 600, intern zunächst als Amiga 300 entwickelt, war 1992 Commodores Versuch, einen modernen, kompakteren Heimcomputer für Einsteiger auf den Markt zu bringen. Ursprünglich geplant als günstiger, abgespeckter Amiga 500 für die untere Preisklasse, wurde das Gerät unter dem Projektnamen „June Bug“ (eine Anspielung auf den B-52’s Song, wie auch „Rock Lobster“ beim A500) entwickelt – mit dem Ziel, das Lebensende des Amiga 500 einzuläuten und einen kleinen, kosteneffizienten Amiga für Spiele, Multimedia und Einsteiger zu etablieren. Doch Commodores Management entschied sich in letzter Minute für eine Namensänderung: Statt Amiga 300 sollte das Gerät als Amiga 600 erscheinen, was vielen Kunden suggerierte, es handle sich um einen größeren technischen Sprung. Das Gegenteil war der Fall. David Pleasance, späterer Chef von Commodore UK, beschrieb die Entscheidung rückblickend trocken: „Der Amiga 600 war ein kompletter und absoluter Unsinn – ein Produkt, das niemand wirklich haben wollte.“ In einem Interview mit Retro Gamer ergänzte er: „Das war keine Marktentscheidung, das war ein politisches Manöver. Niemand bei Commodore UK hatte den A600 verlangt – wir wurden damit überrumpelt.

Der Entwickler George Robbins, ein Veteran, der zuvor schon maßgeblich an der A500-Hardware gearbeitet hatte, hatte ursprünglich ein ganz anderes Gerät im Sinn: „Mein Plan war es, ein kostengünstiges A500 zu bauen – etwas einfaches, günstigeres, aber kompatibles. Herausgekommen ist ein aufgeblasenes Durcheinander mit sinnlosen Funktionen..“ Seine Kritik zielte insbesondere auf das Eingreifen des neuen Technikchefs Bill Sydnes, der von IBM gekommen war. Sydnes hatte beim IBM PCjr bereits einen umstrittenen Heimcomputer verantwortet und versuchte nun, dem Amiga 600 Features aus der PC-Welt einzuverleiben – unter anderem den 44-poligen IDE-Port und den PCMCIA-Steckplatz. Robbins kommentierte trocken: „Die Hinzufügung dieser Funktionen führte zu höheren Kosten, größerer Komplexität und verletzte die Kompatibilität – all die Dinge, die ich vermeiden wollte.“

Commodores Hardware-Ikone Dave Haynie brachte es gewohnt direkt auf den Punkt: „Die A600 war eine völlig unnötige Maschine. Sie kostete mehr in der Herstellung als eine A500, leistete weniger und hatte keinen Upgrade-Weg. Es war im Grunde ein Beispiel interner Politik.“ In einer Usenet-Diskussion einige Jahre später führte Haynie weiter aus: „Wir hätten ein echtes, kostengünstiges Amiga machen können, wenn sie zugehört hätten. Der A600 war nichts anderes als die gleichen alten Teile in einem kleineren Gehäuse und kostete mehr. Es gab keine Möglichkeit, einen schnelleren CPU oder ein echtes Grafik-Upgrade einzubauen.“ Damit meinte er unter anderem die Tatsache, dass fast alle Chips nun als SMD-Variante direkt verlötet waren – eine Premiere bei Amigas, die Erweiterungen nahezu unmöglich machte. Geplant war laut internen Quellen sogar kurzzeitig eine Variante mit integriertem Netzteil, ähnlich dem Konzept eines C64C. Haynie sagte dazu in einem privaten Interview: „Das Gehäuse war bereits zu eng. Ein integriertes Netzteil hätte es in einen Toaster verwandelt.“ Er deutete damit die thermischen Probleme an, die das kompakte Gehäuse bei Hitzeentwicklung verursacht hätte. Stattdessen blieb Commodore beim klassischen externen Netzteil – zwar nicht elegant, aber bewährt.

Technisch basierte der A600 auf dem Motorola 68000 mit 7,14 MHz (PAL), wie schon beim A500. Der ECS-Chipsatz erlaubte 1 MB Chip-RAM (max. 2 MB mit Erweiterung), Bildschirmauflösungen von 320 × 256 bis 1280 × 512 (interlaced), 32 Farben standardmäßig, 64 mit Extra Half-Brite oder theoretisch 4096 mit HAM-Modus. In der Praxis nutzten Spiele weiterhin 320 × 200 mit 16 bis 32 Farben – die höhere Auflösung war meist dem Workbench-Betrieb vorbehalten. Der Soundchip „Paula“ blieb gegenüber dem A500 unverändert: vier 8-Bit-Kanäle in Stereo, DMA-gesteuert. Ein Highlight war der PCMCIA-Port, der jedoch in der Praxis kaum genutzt wurde – es gab 1992 nur sehr teure und inkompatible Karten. Auch der interne IDE-Anschluss für 2,5″-Festplatten wurde wegen Kompatibilitätsproblemen der ersten ROM-Versionen kritisch gesehen. Haynie fasste es so zusammen: „Sie haben neue Hardwarefunktionen hinzugefügt, aber vergessen, sie im ROM zu unterstützen. Das ist einfach dumm.

Der A600 wurde mit Kickstart 2.05 und Workbench 2.0 ausgeliefert, später auch mit 2.1. Erst spätere ROM-Versionen erlaubten Booten von Festplatte, Locale-Unterstützung und CrossDOS. Für den Amiga 600 bedeutete CrossDOS insbesondere im beruflichen Umfeld eine wichtige Erweiterung: Der kleine Rechner konnte damit erstmals ohne Zusatzsoftware Daten mit PCs austauschen – eine essenzielle Funktion im Übergang zur MS-DOS-dominierten Arbeitswelt der frühen 90er.Das System war moderner als das 1.3er des A500, aber weniger kompatibel zu älteren Spielen. Viele Magazine legten ein Tool wie Relokick bei, um Kickstart 1.3 in den RAM zu laden. Trotz modernerem OS blieb das System für viele Retrospiele-Fans ein Rückschritt.

Der Listenpreis lag bei ca. 800 DM, inflationsbereinigt rund 830 Euro (2025). Die Variante A600HD mit 20 MB-Festplatte kostete rund 1.200 DM, heute etwa 1.250 Euro. Verkaufszahlen weltweit werden auf etwa 190.000–250.000 Einheiten geschätzt, wobei Deutschland zu den stärkeren Märkten gehörte. Ein Bruchteil der über 4 Millionen verkauften Amiga 500 – und damit ein deutliches Zeichen: Dieses Modell konnte nicht an die Erfolge anknüpfen. Das Urteil der Fachpresse fiel durchwachsen aus: CU Amiga lobte 1992 das kompakte Design und die Festplattenoption, kritisierte aber die fehlende Zifferntastatur. Amiga Format nannte den A600 „eine merkwürdige Zwischen-Generation, nach der niemand gefragt hat“. In Deutschland schrieb 64’er trocken: „Wer vom A500 auf den A600 umsteigt, zahlt drauf – an Preis wie an Leistung.“ Im Rückblick wurde der A600 etwa von Ars Technica als „worst Amiga ever“ bezeichnet. Ein wirtschaftlicher Wendepunkt war der A600 nicht. Er markierte eher den Anfang vom Ende. Commodore verlor 1992 zunehmend Marktanteile an PC und Konsolen, der A600 verwirrte die Kundschaft, kostete zu viel und konnte nichts besser als sein Vorgänger. Der einzige nennenswerte Fortschritt: Die Nutzung von Laptop-Technologien wie PCMCIA und 2,5″-Festplatten wurde für spätere Modelle wie den A1200 übernommen.

Trotz all seiner Schwächen hat der A600 heute Kultstatus. Wegen seines platzsparenden Designs und moderner Erweiterungsmöglichkeiten via FPGA oder CF-Karten ist er heute bei Bastlern beliebt. Als Produkt seiner Zeit bleibt er dennoch: ein Kompromiss, geboren aus Unsicherheit, Fehlentscheidungen und zu viel Manager-Einfluss. Oder, wie Haynie es abschließend formulierte:
Wenn Commodore sich auf echte Innovationen anstatt auf interne Ego-Kriege konzentriert hätte, hätte der A600 etwas sein können. Aber was wir bekamen, war die Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat.

 

Veröffentlicht in Systeme.

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