AY-3-8910
Der AY-3-8910 war ein programmierbarer Soundchip, der 1978 von General Instrument (GI) entwickelt wurde. Ursprünglich für Arcade-Automaten und Heimcomputer konzipiert, wurde er schnell zu einem der ikonischsten Audio-Bausteine der 1980er-Jahre. Entwickelt unter der Leitung von Steve Lary, einem ehemaligen RCA-Entwickler, war der AY-3-8910 Teil einer größeren Chipfamilie namens „Programmable Sound Generators“ (PSG), zu denen auch Varianten wie AY-3-8912 und AY-3-8913 gehörten. Das Designteam hatte das Ziel, einen günstigen, aber flexiblen Dreikanal-Soundchip zu schaffen, der einfach über I/O-Ports programmiert werden konnte und mit TTL-Logiksystemen kompatibel war.
Der AY-3-8910 verfügte über drei unabhängige Tongeneratoren mit je 12 Bit Frequenzauflösung, ein Rauschgeneratormodul sowie eine kombinierbare Hüllkurvengenerierung. Die Tonhöhe wird durch Frequenzteiler in sechs Registern eingestellt – je zwei für jeden der drei Tonkanäle. Damit lassen sich 4095 verschiedene Tonhöhen erzeugen. Der Rauschgenerator sorgt für Schlagzeug-ähnliche Effekte, und seine Mischung mit den Tonkanälen wird über ein weiteres Register gesteuert. Die Lautstärke jedes Kanals kann separat eingestellt werden, entweder direkt oder über eine Hüllkurve. Diese Hüllkurve erzeugt automatische Lautstärkeverläufe (z. B. ansteigend oder abfallend) und kann auf bis zu 65.535 verschiedene Weisen konfiguriert werden – allerdings wirkt sie immer auf alle drei Kanäle gleichzeitig. Deshalb programmierten viele Entwickler eigene Lautstärkeverläufe in Software, um mehr Kontrolle zu haben. Der AY-3-8910 kann Töne von etwa 30 Hz bis weit über 100 kHz erzeugen – das umfasst alle hörbaren Töne und geht bis in den Ultraschall. Besonders die Genauigkeit im hörbaren Bereich war ein großer Vorteil gegenüber dem Konkurrenzchip SN76489, der weniger Tonhöhen darstellen konnte. Deshalb war der AY-3-8910 vor allem bei Musik- und Spielesystemen so beliebt. Rechenintensiv war der Chip nicht: Er besaß keine eigene CPU oder DSP, sondern reagierte auf Steuerbefehle vom Hauptprozessor – meist über 8bit Register.
Ursprünglich lag der Preis bei etwa 8 bis 12 US-Dollar pro Einheit. Inflationsbereinigt entspricht das heute rund 30 bis 40 Euro, je nach Jahr und Großabnahmemenge. Da er in riesigen Stückzahlen produziert wurde – unter anderem von GI selbst, später von Microchip und Yamaha (als lizenzierte Version YM2149F) – erreichte der AY-3-8910 eine extreme Verbreitung und war entsprechend preisgünstig für OEMs. Er kam in unzähligen Heimcomputern und Konsolen zum Einsatz, darunter Amstrad CPC, MSX, Oric Atmos, Vectrex, ZX Spectrum 128, Atari ST (über die YM2149-Version) und sogar in Spielautomaten wie „Scramble“ oder „Time Pilot“ von Konami.
Ein bekannter Entwickler, Rob Hubbard, sagte einmal über den Chip: „It’s not a synth, but it sings if you know how to make it.” Tatsächlich war es weniger die Hardware, sondern der kreative Umgang mit der Limitierung, der die Musik legendär machte. Klassiker wie Rambo: First Blood Part II auf dem ZX Spectrum oder Monty on the Run machten exzessiven Gebrauch von Rauschkanälen als perkussives Element und von Hüllkurven für rhythmische Phrasierung.
Der marktwirtschaftliche Erfolg des AY-3-8910 lag in seiner perfekten Mischung aus Preis, Verfügbarkeit und einfacher Integration. Da er keine zusätzlichen DACs oder komplexe Interfaces benötigte und direkt mit Z80- oder 6502-Systemen kommunizierte, konnte er einfach in bestehende Designs eingebunden werden. Für kleinere Firmen wie Amstrad oder Oric bedeutete das geringere Entwicklungskosten – für große Player wie Atari war die Lizenzierung als YM2149 durch Yamaha attraktiv, da dieser Chip auch MIDI-nah eingesetzt werden konnte.
In einem Interview mit dem französischen Elektronikmagazin Électronique Pratique erinnerte sich ein Entwickler von Oric daran, wie man auf einer Hausmesse in Lyon mit einem einzigen AY-Chip über drei Stunden lang Musik auf einem Prototyp spielte – das Publikum dachte, man hätte ein Kassettendeck versteckt.
Heute erlebt der AY-3-8910 eine neue Blüte im Bereich der Chiptune-Musik. Künstler wie Dubmood, Yerzmyey oder Ultrasyd nutzen entweder Emulatoren oder direkt verdrahtete Originalchips, um Musik zu produzieren, die mit authentischer 80er-Textur glänzt. Es gibt sogar spezialisierte Synthesizer wie den AYplay oder DIY-Kits wie das AY-Module von Arcade-Audio, die den Chip als zentrales Klangelement nutzen. In der Demoszene wird der AY weiterhin als Prüfstein für Sample-sparende, algorithmische Musikgeneration gesehen – insbesondere auf dem ZX Spectrum und dem Atari ST.
Der AY-3-8910 bleibt damit nicht nur ein technisches Relikt, sondern ein lebendiges Werkzeug, das bis heute für seine einfache, aber kraftvolle Architektur geschätzt wird – ein Klang, der gleichzeitig reduziert und ikonisch klingt.