Cromemco C-10

Cromemco C-10

Wenn man in der frühen PC-Geschichte nach jenen Maschinen sucht, die nicht wegen bunter Grafik oder Arcade-Ambitionen glänzten, sondern wegen ihrer Zuverlässigkeit, dann taucht der Cromemco C-10 schnell als ein Vertreter dieser stillen Klasse auf. Ein Rechner, der 1982 den persönlichen Computer als professionelles Werkzeug definierte – in einer Zeit, als viele andere Systeme noch zwischen Heimcomputer-Spaß und ernsthaften Anwendungen schwankten.

Die Geschichte beginnt an der Stanford University: In Crothers Memorial Hall lernten sich zwei junge Forscher kennen – Dr. Harry Garland und Dr. Roger Melen. Sie gründeten eine Partnerschaft, die sie schlicht nach ihrem Wohnheim benannten: Cromemco. Anders als viele Konkurrenten setzten sie nicht auf Investorengelder oder spekulatives Wachstum. Garland und Melen blieben über die gesamte Firmenlaufzeit alleinige Anteilseigner und finanzierten jede Weiterentwicklung aus eigenen Mitteln. Das Ergebnis war eine Firma, die lieber solide baute, als großspurig zu versprechen.

Bevor Cromemco Personalcomputer entwickelte, machte sich das Unternehmen mit zwei heute fast legendären Erweiterungen für frühe Mikrocomputer einen Namen: der Cyclops-Digitalkamera und der Dazzler-Grafikkarte. Damit richtete sich Cromemco zuerst an wissenschaftliche und industrielle Anwender – anspruchsvoll, zahlungskräftig, und weit entfernt von Heimcomputerspielen. Diese DNA blieb erhalten, als man 1982 einen neuen Weg einschlug und den C-10 vorstellte.

Im Inneren arbeitete ein Zilog Z-80A mit 4 MHz, ein echter Leistungsstandard des professionellen CP/M-Sektors. Dazu kamen 64 KB RAM und 24 KB ROM, letzteres mit Systemroutinen und Selbsttests gefüllt. Der 12-Zoll-Monochrom-Monitor war direkt ins Gehäuse integriert und bot ein klares 80×25-Textbild – perfekt für Tabellen, Texte und geschäftliche Software. Ein einfaches akustisches Signalgerät („Beeper“) übernahm die Tonwiedergabe, denn Klangspielereien waren hier überflüssig. Das Dateisystem wurde über ein externes 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerk mit 390 KB Kapazität gespeist, ein zweites ließ sich optional anschließen. Die 61-Tasten-Tastatur war auf stundenlange Nutzung ausgelegt: Vollhub statt Gummimembran, Produktivität statt Spielerei.

Als Betriebssystem stand CDOS bereit – eine CP/M-kompatible Umgebung, die zahlreiche etablierte Anwendungen unterstützte. Textverarbeitung, Datenbanken, Kalkulationsprogramme: Wer 1982 in einem Büro ernsthaft arbeiten wollte, bekam hier alles Nötige. Dass der C-10 keinen Grafikmodus bot, war kein Versehen. Es war ein Statement. Dieses System sollte rechnen, verwalten, steuern – und das mit höchster Verlässlichkeit.

Eine zeitgenössische Produktunterlage versprach: „The C-10’s high-quality construction, continual self-testing and proven design assure that it will perform faithfully year after year.“ („Die hochwertige Konstruktion, fortlaufende Selbsttests und bewährte Architektur stellen sicher, dass er Jahr für Jahr zuverlässig arbeiten wird.“)

Diese Worte waren keine Übertreibung. Cromemco-Systeme wurden als erste kommerzielle Mikrocomputer von der US-Navy für Schiffe und für U-Boote der Ohio-Klasse zertifiziert. Wo Bedingungen extrem, Überwachungssituationen kritisch und Platz begrenzt waren, vertraute man Cromemco. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet ein vermeintlich unscheinbarer PC-Hersteller den Sprung in solche Sicherheitsbereiche schaffte.

Auch amerikanische TV-Studios wurden zum wichtigen Nutzungsfeld – allerdings nicht wegen bunter Computerbilder. Der C-10 agierte dort als zentrale Steuer- und Datenverarbeitungseinheit für spezialisierte Grafiksysteme. Cromemco konnte auf seine Dazzler-Historie bauen, und in einem Verbund aus Software und Zusatzhardware entstanden Wetter- und Nachrichtengrafiken, die täglich auf Sendung gingen. Nicht der C-10 selbst zeichnete die Symbole, aber ohne ihn wäre die Grafik nicht dort erschienen, wo sie hinsollte.

Der Preis des Systems lag bei 1.785 US-Dollar. Inflationsbereinigt entspricht das rund 6.000 US-Dollar – ein klares Signal: Der C-10 war kein Heimcomputer, sondern ein professionelles Arbeitsgerät für anspruchsvolle Kunden. Wer ihn kaufte, wusste, dass Stabilität wichtiger war als Spielspaß.

Cromemco wuchs in dieser Phase rasant, ohne die Firmenphilosophie zu verraten. 1986 nutzten bereits über 80 % der großen US-Fernsehstationen Cromemco-Technik im Produktionsalltag. Ein stiller Erfolg über viele Jahre – mit dem Höhepunkt 1987, als das Unternehmen an Dynatech verkauft wurde. Die Marke verschwand später vom Massenmarkt, doch ihr technologisches Erbe findet sich noch lange in spezialisierten Systemen wieder.

Heute ist der C-10 ein interessantes Sammlerstück, nicht wegen einer besonderen Kultwirkung, sondern wegen seiner Rolle in der Evolution des Personalcomputers. Er steht für die Phase, in der PCs erstmals ernsthaft als Arbeitswerkzeuge wahrgenommen wurden. Keine Ikone der Popkultur – aber eine Ikone der Professionalisierung.

Und manchmal sind es genau diese Systeme, die im Nachhinein zeigen, wohin die Reise wirklich ging.