ICL One Per Desk (1981)

By Logg Tandy, CC BY 4.0
Der ICL One Per Desk (OPD) wurde 1984 in Großbritannien als visionäres Hybrid aus Personal Computer und Telefonterminal vorgestellt. Sein Name war Programm: Jedem Büroangestellten sollte so ein Gerät „One Per Desk“ zur Verfügung stehen – ein ehrgeiziger Anspruch, der die damalige Computervision von ICL widerspiegelte. Tatsächlich ging die Entwicklung bereits 1981 aus einer Kooperation zwischen International Computers Limited (ICL), Sinclair Research und British Telecom hervor. Ursprünglich plante man sogar, Sinclairs neuartige Flachbildschirm-Technologie zu verbauen. In einer ICL-Pressemitteilung von 1982 hieß es: „Im Dezember 1981 kündigte ICL an, gemeinsam mit Sinclair Research eine ultraniedrigpreisige integrierte Terminal-/Digitaltelefon-Arbeitsstation zu entwickeln, die Sinclairs Flach-Bildschirm-Technologie und Sinclair BASIC einsetzen sollte. Damals wurde sie unter dem Namen ‘One Per Desk IT Work Station’ getauft.“ Die Vision eines kompakten Computertelefons blieb – der Flachbildschirm hingegen erwies sich als unreif und wurde verworfen. So erschien der OPD 1984 mit konventionellem Monitor, aber immer noch vollgepackt mit innovativen Ideen für den Geschäftsalltag.
Der One Per Desk basiert technisch auf dem Heimcomputer Sinclair QL, dessen Kernkomponenten er übernimmt. Im Herzen arbeitet ein Motorola 68008 Mikroprozessor – ein 32-Bit-Prozessor mit 8-Bit-Datenbus – derselbe wie im QL, getaktet mit etwa 7,5 MHz. Er kann mehrere Programme quasi gleichzeitig ausführen, was perfekt zum hektischen Alltag eines Managers passen sollte. Dem Prozessor standen anfangs 128 KB RAM zur Seite, von denen 32 KB für die Bilddarstellung reserviert waren. Zusätzlich verfügte der OPD über 2 KB batteriegepuffertes CMOS-RAM für Konfigurationen und Kurzwahlverzeichnisse – so blieben Einstellungen auch im Dauerbetrieb erhalten. Das Gerät war auf langfristigen 24/7-Einsatz ausgelegt und verzichtete bewusst auf einen Netzschalter; stattdessen war es permanent betriebsbereit, um Anrufe entgegenzunehmen. Die Stromversorgung und Bildsteuerung waren ins separate Monitor-Modul ausgelagert, wodurch das Hauptgerät lüfterlos und kompakt bleiben konnte.
Auf dem Schreibtisch präsentierte sich der OPD als zweiteiliges System: Tastatur-/Basiseinheit und Monitor waren verbunden durch ein einziges Kabel für Strom und Signal. In der Basiseinheit steckte auch ein handelsüblicher Telefonhörer (ein modifizierter BT-Sceptre-Apparat) seitlich im Gehäuse. Daneben fanden sich an der Vorderseite zwei Microdrive-Laufwerke – winzige bandbasierte Speicherkassetten, die Sinclair entwickelt hatte. Diese Kassetten fassten typischerweise um 100 KB und dienten als Wechselmedium. ICL überarbeitete die Mechanik der Microdrives, um die berüchtigten Zuverlässigkeitsprobleme des QL zu entschärfen. Dennoch blieb der bandbasierte Massenspeicher eine Schwachstelle: Schon zeitgenössische Berichte urteilten, die Microdrive-Technik „überschatte das OPD-Konzept“ negativ. Für datenintensive Anwendungen waren später externe 3,5″-Diskettenlaufwerke von Drittherstellern erhältlich – eine wichtige Ergänzung, denn standardmäßig bot das OPD-System ab Werk keine Diskettenlaufwerke.
Die übrige Anschlusspalette fiel minimalistisch aus. An der Rückseite befand sich ein spezieller RS432-Anschluss für Drucker – ICL bot etwa einen Okimate-Drucker an – der elektrisch dem RS423/RS232-Standard ähnelte. Zwei Buchsen für Telefonleitungen ragten aus dem Telephonie-Modul, um das integrierte Modem mit dem öffentlichen Netz zu verbinden. Über optionale Erweiterungen ließ sich die Konnektivität ausbauen: So gab es z. B. ein „Data Communications Adapter“ von British Telecom, um einen seriellen Port nachzurüsten und den OPD als Terminal an Großrechner anzubinden. Ebenso entwickelte ICL ein Asynchronous Comms Unit (ACU) für höhere Übertragungsraten bis 19200 bps, das am ROM-Modul-Port angeschlossen wurde. Diese professionelle Erweiterbarkeit zeigt, dass das OPD weniger Heimcomputer sein wollte, sondern ein Büro-Arbeitstier mit Kommunikationsfokus.
Die wohl auffälligste Eigenschaft des One Per Desk ist die tiefe Integration von Telefonie und Computerfunktionen. Das eingebaute Modem beherrschte Mehrfachstandards: u. a. V.21/V.23 (1200/75 Baud für Bildschirmtext/Videotex), 1200/1200 Baud (Halbduplex) und sogar klassisches 300 Baud Vollduplex. Bemerkenswert war die Fähigkeit, zwei Telefonleitungen gleichzeitig zu managen – beispielsweise eine Sprachleitung und eine Datenverbindung parallel. Mit speziellen Telefontasten auf der Tastatur konnte der Nutzer Anrufe auf Halten legen, zwischen Leitungen umschalten, per Knopfdruck Wahlwiederholung nutzen oder ein Gespräch auf Freisprechen bzw. den Lautsprecher legen. Eine HOLD-Taste parkte ein Gespräch, während man auf der zweiten Leitung tätig war – geradezu futuristisch für 1984. Zudem besaß der OPD einen hardwareseitigen Sprachsynthesizer (Texas Instruments TMS5220), der für eine integrierte Anrufbeantworter-Funktion genutzt wurde. Im Abwesenheitsmodus konnten vorgefertigte Ansagetexte automatisch über die Leitung abgespielt und eingehende Nachrichten aufgezeichnet werden – das Gerät „plauderte“ also mit Anrufern, wenn der Besitzer nicht am Platz war. Diese Voice-Mail-ähnliche Funktionalität war ihrer Zeit weit voraus und machte das OPD zu mehr als einem simplen Computer: eher zu einer zentralen Schaltstelle für Kommunikation im Büro.
Das Videodisplay des One Per Desk stammte technisch vom Sinclair QL und bot entsprechend für die Zeit passable, wenn auch nicht überragende Grafik. Die maximale Bildschirmauflösung betrug 512 × 256 Pixel, und dabei konnten 4 Farben gleichzeitig dargestellt werden. Alternativ ließ sich eine niedrigere Auflösung von 256 × 256 Pixel nutzen, bei der bis zu 8 Farben aktiv waren. Ein Clou aus der Sinclair-Welt war dabei weiterhin verfügbar: blinkende Grafikattribute, mit denen man Pixel zum Flackern bringen konnte. Text wurde üblicherweise in einem 80×24-Zeichen-Raster dargestellt. Zwei Statuszeilen am unteren Bildschirmrand informierten über Systemmeldungen, Anrufstatus und aktive Tasks. Diese Statuszeilen waren notwendig, da das OPD mehrere Vorgänge simultan handhaben konnte und der Benutzer stets den Überblick über laufende Prozesse behalten musste.
Die Standard-Anzeige erfolgte an einem mitgelieferten 9-Zoll-Monochrommonitor oder optional an einem 14-Zoll-Farbmonitor – beide enthielten das Netzteil für die Basiseinheit. Der Preis für die monochrome Variante lag bei etwa £1.195 plus VAT und für die Farbversion bei £1.625 plus VAT. Inklusive Steuern entsprach das etwa £1.370 bzw. £1.870 Anfang 1985 – umgerechnet etwa 6.000 bis 7.000 € in heutiger Kaufkraft. Damit war das One Per Desk um ein Vielfaches teurer als Heimcomputer jener Zeit und selbst teurer als viele IBM-kompatible PCs.
Anders als der Sinclair QL, der mit QDOS ein recht offenes Betriebssystem bot, setzte ICL beim OPD auf ein fest im ROM verankertes System namens BFS („Basic Functional Software”). Dieses Firmware-basierte OS war menügesteuert und auf einfache Bedienung ausgelegt. Die BFS-Firmware ermöglichte echtes Multitasking: Über spezielle Tasten – START, RESUME, REVIEW – konnte der Nutzer zwischen mehreren gleichzeitig aktiven Anwendungen hin- und herwechseln. Im Hintergrund sorgte ein Kernel für Speicher- und Geräteverwaltung, während ein Director-Modul die laufenden Tasks koordinierte. Das BFS-System integrierte zudem einen Telefon-Manager, elektronische Telefonbücher, Tools für Anrufbeantwortung sowie Datenfernübertragung. Für produktive Anwendungen setzte ICL auf steckbare ROM-Module, die zusätzliche Software enthalten konnten. Besonders bedeutend war das Psion Xchange-Softwarepaket: eine Suite aus Textverarbeitung, Tabelle, Datenbank und Business-Grafik, die schon beim Sinclair QL beliebt war. ICL bot Xchange als vorinstalliertes ROM-Modul an – fünf ROM-Chips mit zusammen ~256 KB, auf Wunsch auch in einer 1 MBit-Variante. Für £130 Aufpreis erhielt man so ein sofort nutzbares Office-Paket. Trotz QL-Verwandtschaft war die Kompatibilität zu normaler QL-Software begrenzt.
Zum Marktstart erhielt ICL beachtliche Großaufträge. British Telecom bestellte 1.500 Geräte im Wert von £4,5 Mio., und Telecom Australia investierte rund £8 Mio. in das System. Innerhalb der ersten neun Monate nach Verfügbarkeit soll ICL Verträge über insgesamt $42 Mio. für OPD-Lieferungen abgeschlossen haben – vor allem mit den Telefongesellschaften in Großbritannien, Australien, Hongkong und Neuseeland. In einem internen Bericht lobte ICL selbstbewusst den eigenen Innovationsgeist: „Wenn es je ein Projekt gab, das den Wert von Teamarbeit und des ICL-Weges gezeigt hat, dann war es der One Per Desk. Andy Roberts und das OPD-Team haben ebenfalls viel Lob erhalten …“ Diese Selbsteinschätzung verrät den Stolz des Unternehmens auf die technische und organisatorische Leistung hinter dem Projekt. Tatsächlich galt der OPD bei ICL als Musterbeispiel für Innovationskraft „made in Britain“.
Trotz innovativer Konzepte blieb das OPD ein Nischenprodukt. Der freie Markt nahm es verhalten auf, doch es fand clevere Anwendungen in Branchen wie dem Bingo-Netzwerk, bei Behörden oder in Autohäusern in Australien. Der technische Anspruch war hoch, aber die Kosten ebenso. ICLs Führungskräfte sahen darin jedoch ein Aushängeschild britischer Ingenieurskunst – ein Symbol, dass das Unternehmen an der Spitze technologischer Entwicklung stehen konnte. Robb Wilmot, damals CEO von ICL, äußerte später, der OPD sei für ihn „ein Wegweiser der Zukunft – der Beweis, dass Kommunikation und Rechnen zusammengehören“.
Diese Sichtweise trifft den Kern: Der OPD war kein gescheitertes Produkt, sondern ein visionäres Experiment, das die Verbindung von Telefonie, Datenverarbeitung und Software vorwegnahm – Jahrzehnte, bevor Smartphones dieselbe Idee verwirklichten.