Panzer General – 1994 by SSI

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Panzer General - 1994 by SSI

panzer general coverPanzer General, veröffentlicht 1994 von SSI, war ein rundenbasiertes Strategiespiel, das mit seinen hexagonalen Karten zwar keineswegs eine Neuerfindung des Genres darstellte, wohl aber den entscheidenden Schritt wagte, das bis dahin als sperrig geltende Wargame-Genre massentauglich zu machen. In Japan waren Hexfeld-Kriegsspiele längst etabliert: Mit Titeln wie Daisenryaku, das seit 1985 auf Plattformen wie dem MSX oder PC-88 erschien, war das Prinzip bereits fester Bestandteil der dortigen Spielkultur. Auch auf westlichen Konsolen hatte man mit Nectaris (1989, PC-Engine) – später auch bekannt als Military Madness – einen beliebten Vertreter, der Taktik und Zugänglichkeit verband. Doch im Westen galt Hex-Strategie bis dahin als Domäne grauer DOS-Menüs und dicker Handbücher. Panzer General änderte das.

Der Spieler übernahm das Kommando über die deutsche Wehrmacht zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und konnte seine Kernarmee durch eine ganze Kampagne führen – von Polen 1939 bis zu einem möglichen Sieg über die USA im Jahr 1945. Jede Schlacht brachte je nach Erfolg Prestige, das in neue Truppen, Upgrades oder Verstärkungen investiert werden konnte. Das Kampagnensystem war verzweigt, sodass alternative Pfade möglich wurden: Wer in Frankreich schnell genug siegte, konnte früher nach England übersetzen, wer Afrika dominierte, bekam andere Ziele. Durch diese Mechanik entstand ein Spielgefühl, das sich deutlich von den linearen Missionen früherer SSI-Titel abhob.

Die Entwicklung lag in den Händen von Paul Murray, der als Lead Programmer und Game Designer die technische und spielmechanische Basis schuf. Joel Billings, Gründer von SSI, war laut MobyGames ausdrücklich als Campaign Designer tätig und entwarf mit David Landrey die Struktur und Szenarien der Kampagne. Bret Berry übernahm als Producer die Gesamtkoordination, Doug Brandon steuerte den Soundtrack bei, der mit militärischen Marschthemen und orchestralen Akzenten für ungewohnt viel Atmosphäre sorgte. Die Benutzeroberfläche und Karten wurden von David Jensen gestaltet, während Ron Calonje für die Audio-Implementierung verantwortlich war.

Während der Entwicklung wurden mehrere Features konzipiert, aber letztlich gestrichen. Dazu gehörte ein Szenario-Editor, mit dem Spieler eigene Schlachten entwerfen sollten. Auch war eine zweite, sowjetische Kampagne angedacht, ebenso wie eine „Was-wäre-wenn“-Reihe um eine Invasion Großbritanniens oder eine ausführlichere Einbindung Italiens und Japans. Diese Entwürfe wurden aus Zeit- und Budgetgründen fallengelassen. In internen Design-Skizzen tauchten darüber hinaus alternative Karten für Afrika, die Kaukasusregion und sogar ein Seegefecht um Gibraltar auf – keine davon schaffte es ins finale Spiel.

Bei seiner Veröffentlichung wurde Panzer General zu einem gewaltigen Erfolg: Über 250.000 verkaufte Exemplare allein in der ersten Phase machten es zum erfolgreichsten SSI-Spiel überhaupt. Kritiken lobten das Spiel für seine intuitive Steuerung, die gelungene Verbindung aus taktischer Tiefe und Spielbarkeit sowie das motivierende Fortschrittssystem. Computer Gaming World nannte es das „beste Kriegsspiel seit Jahren“, PC Gamer urteilte: „So stellt man sich strategisches Gameplay mit Geschichte vor.“ In Deutschland vergaben Magazine wie PC Player bis zu 86 %.

Doch in Deutschland kam auch Kritik auf – und zwar nicht nur im Feuilleton. 1996 wurde Panzer General von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert. In der offiziellen Begründung heißt es:
Bedenklich ist das Angebot, durch geschicktes taktisches Verhalten den Ausgang einzelner Schlachten wie den Verlauf des ganzen (Zweiten Welt)Krieges zu beeinflussen und erfolgreicher zu sein als die Truppen Nazi-Deutschlands. Der ‚Endsieg‘ wird doch noch, wenigstens am Computer, möglich!“
Die Darstellung der Kampagne und das Verpackungsdesign wurden ebenfalls bemängelt. So hieß es im Text auf der Rückseite der Box, der Spieler könne als deutscher General „die Geschichte umschreiben“. Zwar wurde im Handbuch an einer Stelle erwähnt, dass man auch auf Seite der Alliierten „Krieg spielen“ könne, doch in der Realität spielten sich sämtliche Kampagnen ausschließlich aus deutscher Sicht. Italien und Japan tauchten nicht auf, und der gesamte Plot war auf die Perspektive der Wehrmacht ausgelegt. Besonders der fiktive Angriff auf Amerika am 1. Juni 1945 – als Finale der Kampagne – wurde als gefährlicher Revisionismus eingestuft.

Trotz dieser Kontroverse blieb der internationale Erfolg ungebrochen. Das Spiel wurde in mehreren Sprachen lokalisiert, 1995 erschien eine Windows-Version mit überarbeitetem Interface, eine PlayStation-Version folgte unter dem Titel Allied General. Eine Amiga-Version wurde nie entwickelt oder veröffentlicht, auch wenn dies manchmal fälschlich behauptet wird – Panzer General war ein reines DOS-Produkt und orientierte sich technisch und visuell bereits an der frühen Windows-Ästhetik.

In der Rückschau bleibt Panzer General ein Meilenstein. Es kombinierte das jahrzehntelang gewachsene Know-how klassischer Papier-und-Papp-Wargames mit der Benutzerfreundlichkeit eines modernen PC-Spiels. Es war ein taktisches Spiel, aber auch ein erzählerisches Experiment, das Geschichte nicht erklärte, sondern spielbar machte – mit allen Chancen und Abgründen. Der Erfolg beruhte nicht zuletzt auf der Entscheidung, Geschichte nicht als rein dokumentarischen Prozess zu sehen, sondern als interaktives Szenario mit Optionen. Für viele war das befreiend, für manche verstörend. Unabhängig davon hat Panzer General das Genre definiert wie kaum ein anderes Spiel zuvor. Es war nicht das erste Hexfeld-Spiel – aber das erste, das in der westlichen Welt ein Millionenpublikum mit kleinen, sechseckigen Feldern fesseln konnte. Und damit war es, ganz im Geiste von SSI, ein strategischer Sieg auf ganzer Linie.

Viele Jahre nach dem ursprünglichen Erfolg und mehreren offiziellen Fortsetzungen wie Allied General und Pacific General entstand schließlich das inoffizielle, aber offiziell lizenzierte Remake, das als würdiger Nachfolger gilt: Panzer Corps. Veröffentlicht 2011 von Slitherine und entwickelt von The Lordz Games Studio in Kooperation mit Flashback Games, präsentierte es sich als moderne Neuinterpretation von Panzer General, die sich nicht damit begnügte, nostalgische Gefühle zu wecken, sondern das Spielkonzept gezielt verbesserte. Die Grundlage war ein Fanprojekt – Panzer General Forever – das mit Unterstützung von Community und Entwicklern zur Vollversion ausgebaut wurde. Die Spielmechanik blieb dabei dem Original treu: rundenbasierte Kämpfe auf Hexfeldern, eine verzweigte Kampagne mit Prestige-System, langlebigen Eliteeinheiten und taktischer Vielfalt. Neu hinzu kamen eine hochauflösende 2D-Grafik, ein eigener Karteneditor, dutzende DLC-Erweiterungen – darunter Afrika Korps, Soviet Corps und eine Grand Campaign mit über 150 Szenarien – sowie Online-Multiplayer und Modding-Unterstützung. Die Kritik war fast durchweg positiv, das Spiel wurde als „Comeback des Generals“ gefeiert und auf Plattformen wie GOG, Steam und iPad veröffentlicht. Damit schloss sich der Kreis: Panzer Corps brachte jene Strategen zurück ins Feld, die 1994 mit VGA-Panzern durch Polen marschierten – diesmal in hübscherer Uniform und mit deutlich weniger Ladezeiten. 2020 folgte mit Panzer Corps 2 schließlich auch der Schritt in die 3D-Grafik und moderne Engine, aber der Takt bleibt derselbe: Prestige, Panzer, Plan – Zug für Zug.

Veröffentlicht in Games.

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