Atari Touch Me

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Atari Touch Me – Das Gedächtnisspiel, das Simon berühmt machte.

Wenn man alten Spielhallenstaub abklopft, findet man manchmal Geräte, bei denen man sich fragt, ob sie wirklich zum Spielen gedacht waren oder ob da jemand einfach zu lange an einer Platine geschnüffelt hat. Atari Touch Me gehört definitiv in diese Kategorie. Vier Knöpfe, vier Töne, ein kleiner Digitalzähler und keinerlei Grafik. Atari selbst nannte das 1974 ernsthaft „TOUCH ME – A MIND BOGGLER!“ („Touch Me – ein Gehirnverdreher!“). Wir nennen es: das wahrscheinlich minimalistischste Gedächtnistraining der Arcade-Geschichte.

Das Prinzip ist schnell erklärt: Der Automat spielt ein „Beep“. Sie drücken den entsprechenden Knopf. Danach kommt „Beep–bloop“, Sie tippen nach. Runde drei: „Beep–bloop–beep“, und so weiter. Atari versprach im Werbeflyer sogar „the first computer game that challenges the mind as well as eye-to-hand coordination skills“ („das erste Computerspiel, das sowohl Geist als auch die Hand-Auge-Koordination herausfordert“). Klingt nach Fitnessstudio fürs Hirn, sieht aber eher aus wie ein wissenschaftliches Prüfgerät, das versehentlich den Weg in die Spielhalle gefunden hat.

Historisch spannend wird Touch Me jedoch durch die Person, die das Ding sah und dachte: Idee gut, Umsetzung mies. Ralph H. Baer – und jetzt aufgepasst – ist nicht irgendwer. Baer gilt als „Vater der Heimvideospiele“, Schöpfer der Magnavox Odyssey und einer der prägenden Erfinder der gesamten Branche. Der Mann steht in einer Reihe mit den großen Ingenieursköpfen der Unterhaltungselektronik und hat mehr zum Thema „Videospiel“ beigetragen, als viele Firmen heute ahnen. Und genau dieser Baer sah Touch Me auf einer Messe und schrieb später: „Good idea but lousy execution“ („Gute Idee, aber schlechte Umsetzung“).

Was folgte, ist Spielzeuggeschichte. Baer und Howard Morrison nahmen das Grundprinzip, polierten es auf und entwickelten 1978 Simon – ja, das Simon, mit den vier farbigen Feldern, harmonischen Tönen und dem legendären „Fang den Rhythmus“-Gefühl. Simon wurde ein riesiger Erfolg, in zeitgenössischen Rückblicken sogar als „one of the top-selling toys“ („eines der meistverkauften Spielzeuge“) bezeichnet. Kinderzimmer weltweit hatten plötzlich eine elektronische Wundertrommel, die Tonfolgen auswarf, und Atari stand ein bisschen so da, als hätte man das Originalrezept erfunden, aber jemand anderes den Kuchen gebacken – und dafür den Preis bekommen.

Der Touch-Me-Automat selbst blieb dagegen eine Randerscheinung. Kein Bildschirm, keine bunte Optik, nur vier Knöpfe und ein Holzdekor, das eher nach Vaters Stereoanlage aussieht. In den Branchenblättern jener Zeit tauchte immerhin ein kurzer Hinweis auf: „Atari introduces Touch Me, an electronic skill game using illuminated push-buttons. Players follow the pattern as it grows.“ („Atari stellt Touch Me vor, ein elektronisches Geschicklichkeitsspiel mit beleuchteten Drucktasten. Die Spieler folgen dem Muster, während es länger wird.“). Begeisterungsstürme klingen anders.

Atari versuchte später, mit einem Handheld nachzuziehen. Das Ding hieß BH-100, lief mit einer 9-Volt-Batterie und sah aus wie die Kreuzung aus Taschenrechner und Frühzeit-Elektronikspiel. Mehrere Spielmodi, vier Schwierigkeitsstufen, Farben, Töne – alles solide, aber nicht annähernd so elegant wie das runde Simon-Design. Wer eines der Geräte heute auf dem Flohmarkt findet, kann sich glücklich schätzen – nicht wegen des Spielspaßes, sondern wegen der Seltenheit.

Unter dem Strich bleibt Touch Me ein sympathischer Dinosaurier: ein kleines, elektronisches Experiment mit großer Wirkung, das die richtige Idee hatte, aber erst der falschen Person über den Weg laufen musste, damit etwas Weltbewegendes daraus wurde. Simon bekam Ruhm, Fernsehwerbung und Millionenverkäufe. Touch Me bekam… na ja, ein paar Archiv-Einträge, einen Museumsplatz und eine Fanbasis aus Retro-Sammlern, die wissen, dass selbst die stillsten Geräte der Spielgeschichte manchmal die lautesten Nachfahren haben.

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