Stunt Car Racer – 1989 by MicroStyle

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Stunt Car Racer

stunt cra racer coverStunt Car Racer war kein Rennspiel für Leute mit schwachen Nerven oder sanfter Lenkhand. Es war ein Spiel für Draufgänger, für waghalsige Pixelhelden, die lieber mit 200 km/h über eine Rampe schossen, statt sich mit Bodenhaftung aufzuhalten. Entwickelt 1989 von Geoff Crammond, dem Vater des realistischen Rennspiels, war Stunt Car Racer so etwas wie das entfesselte Gegenstück zu seinen späteren Grand Prix-Simulationen. Und doch zeigte sich hier schon sein Talent für Fahrphysik, für digitale Gravitation und für den feinen Unterschied zwischen "hui" und "autsch".

Die Amiga-Version gilt als die Urfassung, auch wenn es parallel Umsetzungen für C64, Atari ST, MS-DOS und sogar Amstrad gab. Aber auf dem Amiga war das Spiel ein technisches Kunststück. Vollbild-3D-Grafik, butterweiches Scrolling und ein Fahrzeug, das sich nicht einfach nur über die Strecke schob, sondern wog, federte, stürzte und bei harten Landungen öffentlich seinen Rahmen riss. Ja, Stunt Car Racer hatte sichtbaren strukturellen Schaden. Wenn der Rahmen zu viele Risse hatte, ging das Rennen zu Ende. Realismus auf die harte Tour.

Das Spielprinzip war einfach und genial. Acht Strecken, aufgeteilt in vier Divisionen, jede davon mit Rampen, Sprungschanzen, Loopings, Hängen, Steilkurven oder schlicht Abgründen. Kein Streckenrand, keine Mauer, kein sanftes Zurücksetzen: Wer rausflog, flog raus. Das Auto landete auf einem Gerüst neben der Strecke, mit einem surrenden Seilzug wurde es wieder hochgezogen – sofern man nicht schon im letzten Loch hing.

Multiplayer? Gab's. Über Nullmodemkabel oder parallele Ports konnte man Kopf-an-Kopf-Rennen fahren, wie echte Draufgänger. Einer der frühesten LAN-Partymomente der Geschichte, nur eben mit seriellen Kabeln. Crammond war schon immer ein Nerd mit Herz für Technik: Die Engine war eigens programmiert, schnell, effizient und mit überraschend feiner Fahrphysik ausgestattet. Jede Bodenwelle, jeder Sprung hatte Gewicht, und das Auto flog nicht wie eine Feder, sondern wie ein Gerät aus Stahl.

Eine Besonderheit war die Turbo-Funktion: Per Knopfdruck konnte man zusätzlichen Schub zünden, der die ohnehin wackelige Traktion vollends ruinierte, aber das Herzklopfen verdoppelte. Die Turbo-Leiste regenerierte sich nur langsam, was zum taktischen Element wurde. Wer beim falschen Sprung den Turbo zündete, fand sich schnell in der vertikalen Grube wieder, mit einem krächzenden Riss im Chassis.

Entwickelt wurde das Spiel komplett von Geoff Crammond, der bereits mit "Revs" auf dem BBC Micro erste Simulationsluft geschnuppert hatte. Später sollte er mit "Formula One Grand Prix" Geschichte schreiben, aber Stunt Car Racer war das fehlende Glied zwischen Arcade und Simulation. Eine Art Racing-Road-Movie im Drahtgitterstil. Die Musik und Effekte waren sparsam, aber pointiert – man brauchte auch keine Ablenkung, wenn einem beim 100-Meter-Sturz die Stimme im Hals steckenblieb.

Ein geplanter Streckeneditor wurde nie veröffentlicht, obwohl es intern erste Testversionen gab. Auch eine geplante Erweiterung mit neuen Divisionen schaffte es nicht aus der Pipeline. Crammond war bereits mental in der Formel 1, als die Nachfrage nach mehr Stunt-Strecken kam. Dennoch hielt sich das Gerücht hartnäckig, dass irgendwo auf einer Backup-Diskette neue Strecken schlummern müssten.

Die Kritiken waren durchweg euphorisch. Amiga Joker jubelte, die Power Play spendierte über 80 %, und selbst C64-Zeitschriften überschlugen sich angesichts der flüssigen Vektorgrafik. Spieler schrieben Leserbriefe, in denen sie die Luftsprünge nachspielten und sich auf dem Trampolin das Knie verrenkten. So ein Spiel war Stunt Car Racer: nicht nur virtuell, sondern physisch spürbar.

Trivia am Rande: Der Arbeitstitel lautete angeblich "Ski Jump Racer", weil die erste Teststrecke ein Sprungschanzen-Layout hatte. Erst mit den überdimensionierten Schanzen und der übersteuerten Federung kam der heutige Titel zustande. Auch das ikonische Startgeräusch, bei dem das Auto in der Luft hängt und dann wie ein brüllender Ork losdonnert, wurde aus einem stark verlangsamen Staubsauger aufgenommen. Crammonds Kommentar: "Ich hatte keinen V8 zur Hand, aber der Hoover war laut genug."

Stunt Car Racer ist bis heute Kult. Es ist eines dieser Spiele, das ein simples Prinzip – Auto + Rampe = Drama – perfektioniert hat. Kein Firlefanz, keine Tuning-Menüs, keine 45-Minuten-Rennen. Nur Du, dein Chassis, die Strecke und der nächste verdammte Sprung. Wer nach dem perfekten Flug gesucht hat, fand ihn hier – oder stürzte dabei glanzvoll ab.

 

Stunt Car Racer Vergleich durch World of RetroGaming Link: https://www.youtube.com/watch?v=RJ5Pnr6F558

Veröffentlicht in Games.

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